Deutschland startet die bisher größte Untersuchung über Volkskrankheiten. Die Teilnahme ist freiwillig

Hamburg. Es ist ein wissenschaftliches Mammutprojekt, das es in dieser Form hierzulande noch nicht gegeben hat: In den kommenden zehn Jahren sollen bundesweit 200.000 Bürger untersucht und befragt werden, um Volkskrankheiten wie Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz genauer zu erforschen. Auch 10.000 Hamburger sollen bei Deutschlands größter Gesundheitsstudie namens „Nationale Kohorte“ mitmachen, für die Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) in Essen den offiziellen Startschuss gab.

Die Teilnahme ist natürlich freiwillig. Es gibt kein Geld zu verdienen; pro Person sind zehn Euro Aufwandsentschädigung vorgesehen. Vielmehr handele es sich um einen „Dienst an der Gesellschaft“, sagt Prof. Heiko Becher vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), wo die Hamburger Probanden untersucht werden. „Zu den Zielen gehört, die Früherkennung und die Prävention bei Volkskrankheiten zu verbessern“, sagt Becher. „Außerdem wollen wir mehr darüber herausfinden, welche Risikofaktoren es für diese Krankheiten gibt. Von den Erkenntnissen könnten viele künftige Generationen profitieren.“

Es seien zwar schon Gesundheitsstudien mit zum Teil mehreren Tausend Teilnehmern durchgeführt worden, doch dabei seien die Probanden meist nur zu einem Zeitpunkt untersucht und befragt worden, um ihren Gesundheitszustand und die Vorgeschichte zu erfassen, erläutert Julia Geulen, Sprecherin des Vereins Nationale Kohorte, der die neue Studie koordiniert. „Bei diesem Projekt werden die Teilnehmer nach vier bis fünf Jahren ein zweites Mal untersucht, und in der Zwischenzeit sind zusätzliche schriftliche Befragungen geplant“, so Geulen. „Mithilfe der enorm großen Teilnehmerzahl hoffen wir, bei der Ursachenforschung mehr in die Tiefe gehen zu können und das Zusammenspiel der Faktoren besser zu verstehen, die Krankheiten auslösen“, sagt Geulen. Es gehe um die Frage, „warum der eine krank wird, der andere aber nicht, obwohl die Lebensumstände vielleicht ähnlich sind.“

Für die Studie werden die regionalen Einwohnermeldeämter weitestgehend nach dem Zufallsprinzip Personen im Alter von 20 bis 69 Jahren anschreiben und zur Teilnahme einladen. Die Stichprobe wird allerdings so angelegt, dass letztendlich ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung gegeben ist. Deshalb kann man sich auch nicht freiwillig melden oder bewerben, weil eine Aufnahme sonst den Aufbau der Studie durcheinanderbrächte. Wer nicht antwortet, soll ein Erinnerungsschreiben erhalten. Wer dann auch nicht zu- oder absagt, soll telefonisch um die Teilnahme gebeten werden.

Pro Proband sind zweimal mindestens 20 Untersuchungen geplant, die je drei bis vier Stunden dauern sollen – unter anderem Blutdruckmessungen und Analysen des Blutbilds, Lungenfunktionstests, Tests zur Gedächtnisleistung, bei denen die Probanden zuvor präsentierte Wörter wiederholen sollen, und Greifkrafttests, um die allgemeine Fitness zu erfassen. 30.000 Teilnehmer sollen zusätzlich mittels Kernspintomografie untersucht werden.

Bund, Länder und die Helmholtz-Gemeinschaft finanzieren das Programm in den kommenden zehn Jahren mit zunächst 210 Millionen Euro.