Ausstellung an Bundeswehr-Universität dokumentiert Schicksal der Soldaten nach ihrem Auslandseinsatz

Wandsbek. Soldat Robert Sedlatzek-Müller sprang am Hindukusch aus Helikoptern und spürte mit seinem Diensthund Idor Sprengstoff auf. Bis im Jahr 2002 in Afghanistan eine Rakete beim Entschärfen explodierte und mehrere seiner Kameraden in den Tod riss. Der Fallschirmjäger und Sprengstoffexperte stand ganz in der Nähe und überlebte die Detonation nur knapp. Dieser Tag hat sich tief in die Seele des Hamburger Soldaten eingegraben. Er leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und beschreibt in seinem Buch „Soldatenglück“ den zähen Kampf zurück ins Leben. Und das lange Ringen um die Anerkennung von PTBS als Berufskrankheit.

Das Schicksal von Bundeswehrsoldaten nach ihrem Auslandseinsatz steht im Mittelpunkt einer Ausstellung, die an diesem Mittwoch auf dem „Roten Platz“ der Bundeswehr-Universität in Wandsbek eröffnet wird. Sie trägt den Titel „Operation Heimkehr“ und war bis vor wenigen Tagen im Deutschen Bundestag zu sehen. Die Exposition zeigt Fotos und dokumentiert die Lebensgeschichte von 74 Soldatinnen und Soldaten.

Initiatorinnen des Projekts sind die Berliner Journalistin Ulrike Scheffer und die Fotokünstlerin Sabine Würich. Die beiden Frauen reisten mit einem mobilen Fotostudio durch Deutschland und sprachen mit den Soldaten über ihre Erlebnisse im Kosovo, Afghanistan oder in Afrika – und über die Schwierigkeiten, nach der Rückkehr wieder Fuß in der Heimat zu fassen. Sie sprachen auch mit Robert Sedlatzek-Müller. Der Mittdreißiger ist inzwischen an der Führungsakademie in Blankenese stationiert und leitet als Stabsunteroffizier ein Betreuungsbüro.

Als professioneller Lotse kümmert er sich um versehrte Veteranen. „Weil ich selber weiß, wie man sich fühlt, wenn man keine Hilfe bekommt“, sagte er am Dienstag dem Abendblatt. Wer durch Kriegserlebnisse schwer psychisch traumatisiert ist, leidet an Schlafstörungen und Ängsten, fühlt sich isoliert und wird von den schrecklichen Bildern immer wieder heimgesucht. Robert Sedlatzek-Müller fordert deshalb mehr Verantwortung. „Die ‚Operation Heimkehr’ betrifft nicht nur Soldaten. Das Thema ist vielmehr im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang zu sehen“, betont er. „Denn das Parlament, von den Bürgern demokratisch gewählt, schickt uns in die Einsätze.“ Damit beginne die gesellschaftliche Verantwortung gegenüber den Soldaten, wenn sie als „Generation Veteranen“ nach Hause zurückkehrten.

Die Idee, Bundeswehrsoldaten nach dem Auslandseinsatz zu interviewen und zu fotografieren, geht auf die Fotografin Sabine Würich zurück. Erst befasste sie sich mit Opfern aus dem Zweiten Weltkrieg. „Durch die Auseinandersetzung mit diesem Thema stellte sich ihr schließlich die Frage, wie es den Heimkehrern der Bundeswehr nach dem Auslandseinsatz ergeht“, sagt die Journalistin Ulrike Scheffer über die Zusammenarbeit. Seit vielen Jahren berichtet sie über die Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Bei den Gesprächen für das Projekt begegnete sie keinesfalls ausschließlich traumatisierten Soldaten. Viele hatten auch Glück und können ohne körperliche und seelische Schäden neue Perspektiven auf ihr eigenes Leben entdecken. Wie Melanie Baum. Sie war als Wachtmeisterin in der Personalverwaltung auf der Fregatte „Sachsen“ unter anderem am Horn von Afrika eingesetzt. „Seit meinem Einsatz habe ich viel über meine Existenz nachgedacht“, wird die junge Frau aus Köln in der Dokumentation zur Ausstellung zitiert. „Man wird sich bewusst, dass man unglaublich viel Glück hat, in Deutschland geboren und so privilegiert zu sein“, sagt sie mit dem Hinweis auf ihre Erfahrungen in Djibouti und Afghanistan. „Dort fangen die Leute vor Freude an zu weinen, wenn man ihnen eine Flasche Wasser in die Hand drückt.“

Bevor die Ausstellung nach Hamburg kam, wurde sie im Paul-Löbe-Haus des Bundestags gezeigt. „Sie macht aufmerksam auf die Wirkungen, die Einsätze der Bundeswehr auf Soldaten haben“, sagt Bundestagspräsident Norbert Lammert. Es sei wichtig, dafür ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen. „Denn viele Soldatinnen und Soldaten empfinden, dass es niemanden interessiert, wie ihre ‚Operation Heimkehr‘ abläuft.“

Es war der Studentische Konvent der Bundeswehr-Uni, der die bemerkenswerte Exposition nach Hamburg geholt hat. „Diese Schicksale“, sagt Konvents-Geschäftsführer Leutnant Kai Klahold, „gehen uns alle an, wo wir doch in den Wahlen zum Bundestag den Abgeordneten die politische Legitimation geben, für uns über die Einsätze unserer Armee zu entscheiden.“ Und Uni-Präsident Professor Wilfried Seidel fügt hinzu: „An der Helmut-Schmidt-Universität trifft der Führungskräfte-Nachwuchs der Bundeswehr auf zivile Lehrkräfte, die durchaus auch mal kritisch das eine oder andere hinterfragen – mit dem Ziel, die Studierenden zur Kritikfähigkeit zu erziehen.“

Die Exposition ist bis zum 2. Dezember (täglich von 8 bis 20 Uhr) an der Bundeswehr-Uni (Rodigallee) zu sehen. Nächste Station ist ab 5. Dezember das Marinemuseum Wilhelmshaven. Außerdem ist dazu ein Buch erschienen.