Gewinne aus Prostitution, Waffen- und Drogengeschäften gehen seit Kurzem in die Messung des Bruttoinlandproduktes ein. Bürgerschaftsantrag für regionalen Wohlfahrtsindex von den Grünen gestellt.

Hamburg. Noch immer ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) das wichtigste Instrument zur Messung der wirtschaftlichen Entwicklung. In diese Summe aller in einem Land hergestellten Waren und Dienstleistungen gehen seit Kurzem auch Gewinne aus Prostitution, Waffen- und Drogengeschäften ein. Für die Grünen ist diese einigermaßen grotesk wirkende Reform der Berechnung in Europa ein Grund mehr, eine Ergänzung des BIP durch einen anderen Indikator zu fordern, der die Lebensqualität der Menschen mit in die Berechnung einbezieht.

Sie wollen daher auch für Hamburg die Einführung eines Wohlfahrtsindex vorantreiben. In diesen sollen auch Faktoren wie ehrenamtliche Arbeit, Ausgaben für Gesundheit und Bildung, Kosten durch Verkehrsunfälle, Kriminalität, Luftverschmutzung oder Lärm eingehen. Diese wirken sich entweder wohlfahrtssteigernd oder -senkend aus. Eine wichtige Rolle spielt auch die Verteilung der Einkommen.

Eine große Ungleichverteilung führt zu einem Sinken des Wohlfahrtsindex. Der bereits im Frühjahr von den Grünen vorgestellte Hamburger Wohlfahrtsindex (HWI) basiert auf den Indikatoren des Nationalen Wohlfahrtsindex (NWI), der erstmals 2009 für ganz Deutschland von den Wissenschaftlern Hans Diefenbacher und Roland Zieschank erstellt wurde. Nun haben die Grünen auch einen Bürgerschaftsantrag für ihr Vorhaben vorgelegt.

„Die Kritik an der Aussagekraft des BIP gibt es schon lange“, sagt Grünen-Wirtschaftspolitiker Anjes Tjarks. Die Grünen hätten daher in diesem Jahr die Wohlfahrtsentwicklung Hamburgs mit einer alternativen Methode berechnen lassen. „Die zentrale Erkenntnis: Hamburg wird materiell immer reicher, aber trotzdem ärmer“, so Tjarks. „Die soziale Spaltung steht einer allgemeinen Wohlfahrtssteigerung im Weg. Die neue Berechnungsmethode für das BIP führt besonders deutlich vor Augen, dass das BIP nichts mit dem Wohlergehen der Menschen zu tun hat.“

Dass die Wohlfahrtsentwicklung sich beim BIP rein an wirtschaftlichen Produktionswerten orientiere, führe zu absurden Effekten. „Kosten für Umweltveränderungen oder zur Aufrechterhaltung des sozialen Zusammenhalts werden nicht berücksichtigt. Naturkatastrophen und die mit ihnen einhergehende wirtschaftliche Zerstörung werden dem wirtschaftlichen Wachstum nicht gegengerechnet.

Senat soll von Wissenschaftlern einen regionalen Index erarbeiten lassen

Dies führe zu so absurden Effekten, dass etwa der Wiederaufbau nach Naturkatastrophen als Wirtschaftswachstum bewertet werde. Der Hurrikan „Katrina“, der New Orleans verwüstete, steigerte das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Aufräumarbeiten machten 0,5 Prozent des Wachstums der amerikanischen Volkswirtschaft aus. Aber auch im Kleinen trete der gleiche Effekt ein: „Krankheiten durch Stress und Umweltbelastungen sorgen für höheren Umsatz des Gesundheitssektors und steigern das BIP. Verkehrsunfälle kurbeln die Wirtschaft an, weil sie Kosten verursachen. Das BIP steigt, wenn Autofahrer im Stau stehen und mehr Benzin verbrauchen. Gleichzeitig unterschlägt das BIP die ehrenamtliche Arbeit und die Arbeitsleistungen in Partnerschaften und Familien.“

Laut Antrag der Grünen soll der Senat von unabhängigen Wissenschaftlern einen regionalen Wohlfahrtsindex auf Basis des Nationalen Wohlfahrtsindexes in einer Zeitreihe der letzten zehn Jahre erarbeiten lassen.