Bahnstreik trifft Hamburg hart. „Queen Mary 2“-Passagiere stranden am Hauptbahnhof. Autovermieter und Busfirmen jubeln, Cafés verlieren Umsatz

Hamburg. So ruhig wie an diesem Vormittag ist es am Hauptbahnhof sonst nicht. Die Bahnsteige sind leer, nur ab und zu fahren Züge ein und aus. Im Reisezentrum und am Infostand davor bilden sich Pulks mit vielen ratlosen Bahnkunden. „Wir wissen noch nicht, wie wir nach Hannover kommen“, sagt Miriam Jacobs, die mit ihrer Familie auf der „Queen Mary 2“ von New York nach Hamburg gefahren und am Morgen in der HafenCity angekommen war. Mietwagen gibt es nicht mehr, eine Taxifahrt würde 180 Euro kosten. Zum sechsten Mal in dem Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn hat die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) zum Streik aufgerufen. „Wir waren zwei Wochen unterwegs und dachten, dass Bahn und Lokführer nun endlich zu einer Einigung gekommen sind. Auf Dauer habe ich für die Streiks kein Verständnis“, sagt Miriam Jacobs. Die Arbeitsniederlegung von Hunderten Lokführern allein in Norddeutschland hat wieder zu Zugausfällen und längeren Reisezeiten geführt. Nur jeder dritte Zug ist gefahren. Die Bahn will den Streik mit einer einstweiligen Verfügung vorzeitig gerichtlich beenden lassen.

Auf Autobahnen und im Stadtgebiet kam es am Donnerstag zu erhöhtem Verkehrsaufkommen. Einige Bahnkunden können ihre geplante Zugfahrt auch einfach verschieben. So wie Mara Bebic. Die 48-Jährige wollte nach München und steht nun in der Schlange im Reisezentrum am Hauptbahnhof, um ihre Fahrkarte zurückzugeben und sich das Geld auszahlen zu lassen. „Warum soll ich mir diesen Stress antun? Nachher fährt der Zug nicht und ich stehe auf dem Bahnsteig herum“, sagt sie. Die Unterstützung für die streikenden Lokführer scheint geringer zu werden. „Man könnte das doch auch anders lösen. Es ist im Moment einfach zu viel“, sagt Mara Bebic. Das Ehepaar Seda aus Salzburg, das ebenfalls mit der „Queen Mary 2“ in Hamburg angekommen ist, wollte mit dem Nachtzug zurück nach Österreich. Jetzt haben sie umgebucht und fahren einen Tag später am Nachmittag. Die Nacht verbringen sie in einem Hotel am Steindamm. Sie sind gelassen, aber: „Ich habe kein Verständnis und werde die Deutsche Bahn eher meiden, wenn möglich. Fliegen wäre gescheiter gewesen“, sagt Wolfgang Seda.

Olav Kettner fährt mit der Rolltreppe vom Bahnsteig hoch. Der 48-Jährige ist einer von 5000 beamteten Lokführern und arbeitet an diesem Tag. Die Forderungen seiner GDL-Kollegen kann er nachvollziehen. Die Gewerkschaft verlangt unter anderem fünf Prozent mehr Geld und eine Arbeitszeitverkürzung. Kettner: „Für mich ist aber unverständlich, dass die GDL diese Forderungen auch für andere Berufsgruppen verhandeln will.“ Er meint damit beispielsweise Zugbegleiter oder Mitarbeiter der Gastronomie.

Es sei grundsätzlich gut und wichtig, dass man in Deutschland streiken könne, sagt Gesa Grandt, „und an diesem Streikrecht darf auch nichts geändert werden.“ Die Studentin steht in einer Warteschlange am ZOB, um mit Bus statt Bahn nach Kiel zu fahren. „Die GDL übertreibt es aber gerade“, sagt sie. Die Fernbusse nach Berlin, Kiel, Jena und Leipzig verzeichnen hohen Kundenzuwachs. „Wir haben bis zu 40 Prozent mehr Fahrgäste“, sagt Stefan Oest von Berlinlinienbus. Fernbusse und Autovermietungen (Sixt ernannte GDL-Chef Claus Weselsky auf Werbeplakaten gar zum „Mitarbeiter des Monats“) – sie sind die Profiteure des Streiks.

Anders als die Einzelhändler am Hauptbahnhof. In der Cafébar Punto Ernesto ist nichts los. „Normalerweise wäre unsere Auslage schon leer“, sagt die Verkäuferin. „Dieser Streik ist deutschlandweit eine wirtschaftliche Katastrophe.“ Sie rechnet mit zwei Drittel weniger Umsatz. „Das ist der zweite Streik in wenigen Wochen. Das macht die kleinen Läden kaputt.“