Im Hafenbezirk 28 in Harburg stehen die Hallen seiner Werft. Peter Knief ist einer der letzten Bootsbauer in Hamburg. Jetzt braucht der 73-Jährige einen Nachfolger für seinen kleinen Betrieb.

Harburg. Das Ende einer kleinen Straße in Harburg, versteckt hinterm Deich. Dort, wo es eigentlich nicht mehr weitergeht, da ist das Zuhause von Peter Knief. Nein, nicht seine Wohnung, aber der Ort, der dem freundlichen Mann mit dem verschmitzten Lächeln seit vielen Jahren am meisten bedeutet. Hier im Hafenbezirk 28 stehen die Hallen seiner Werft. Und obwohl dort seit drei Jahren kein neues Schiff mehr vom Stapel lief – zu den Gründen später mehr –, hat Knief noch immer gut zu tun, stehen Kunden manchmal sogar Schlange.

Kein Wunder, ist der Chef doch Einkäufer, Außendienstler und Bootsbauermeister in einem. „Wir sind eben nur ein kleiner Betrieb“, sagt er ohne Umschweife. Die 1927 gegründete Werft bestimmt das Leben von Peter Knief schon, solange er denken kann. Erst in einer Nebenrolle als Sohn des Firmengründers Alfred Knief. Seit etwa 1980 dann rund um die Uhr – seit er Stück für Stück immer mehr Verantwortung für das Unternehmen übernahm.

„Die Frage, ob ich die Firma einmal weiterführen will, wurde eigentlich nie gestellt.“ Die Ausbildung zum Bootsbauer, die er mit gerade einmal 15 Jahren begann, schien logisch und vorgezeichnet. „In der Schule war ich keine Leuchte, aber in der Lehre bin ich durchgestartet“, gesteht Knief.

Über die Erfolge, die er bereits da verzeichnete, mag er aber eher nicht reden. Dabei beendete er die drei Lehrjahre als Landes- und Bundessieger seines Standes und hatte schon mit 24 Jahren den Meisterbrief in der Tasche. Es folgten die berühmten Lehr- und Wanderjahre – in Unternehmen weit weg von Hamburg.

„Als mir mein Vater dann irgendwann mitteilte, dass er die Werft verkaufen oder verpachten will, bin ich zurückgekommen“, erinnert sich Knief. Die Männer schlossen einen Vertrag. Nach einem Jahr Einarbeitungszeit sollte der Junior übernehmen. „Diese Abmachung wurde aber nie eingehalten. Mein Vater konnte nicht loslassen.“ Knief erlebte das, was viele Familienbetriebe in Bedrängnis bringt: einen nicht funktionierenden Generationswechsel. Erst nach dem Tod des Firmengründers konnte er endlich „sein Ding“ machen.

Erst nach dem Tod seines Vaters konnte Peter Knief sein Ding machen

Sein Ding, das sind eigentlich vor allem Neubauten. Voller Stolz erzählt er davon, wie er seinen Traum Stück für Stück in der Firma etablierte. Wie er eine neue Bootshalle nach seinen Vorstellungen baute und die kleine Werft zu einem Experten für die in Hamburg berühmten Elb-H-Jollen entwickelte. Und wie er Wanderkutter überall in die Republik lieferte. „Sogar Fahrtenschiffe haben wir hier gefertigt“, sagt er und zeigt Bilder von den Bauten. Zeitgleich reparierte das Unternehmen weiter Boote, stellte Winterlagerplätze zur Verfügung. „So waren wir breiter aufgestellt und weniger anfällig für Auftragseinbrüche.“

Wie wichtig das ist, hat sich in den vergangenen zwei Jahren leider gezeigt. 2011 ist der letzte Neubau gefertigt worden. „Wir können mit unseren Lohnkosten nicht mehr mit den osteuropäischen Ländern mithalten“, sagt Knief und sieht dabei traurig aus. „Und damit sind wir bei einem so arbeitsintensiven Bereich im Hintertreffen.“ Dazu kommt, dass die Boote, die er gebaut hat, bei jungen Seglern nicht mehr so gefragt sind. Zum Glück gibt es aber genug Reparaturarbeiten und eben das Winterlager für verschiedene Bootstypen. Damit ist weiterhin genug zu tun. „Außerdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass wir eines Tages auch wieder Neubauten in der Werft fertigen.“

Viel mehr plagt Knief im Moment deshalb die Nachfolgefrage. Denn inzwischen ist der Sohn des Werftbegründers selbst längst im Rentenalter. Eher sogar schon drüber hinaus. „Raten Sie mal“, kontert er die Frage nach seinem Alter keck. Und schießt dann hinterher. „73 bin ich jetzt.“ Ein Alter, in dem er längst kürzertreten wollte. „Das geht aber nicht. Ich habe ja keinen, der den Laden hier schmeißt.“

Dabei hat der Bootsbauer einen Sohn und eine Tochter. „Die machen leider beide etwas anderes und wollen hier nicht einsteigen.“ Warum aber ist es denn so schwer, überhaupt jemanden für den Betrieb zu finden? „Weil hier gerade im Frühjahr und Herbst alles andere als ein Acht-Stunden-Tag herrscht“, erklärt Knief. „Und dieses Opfer wollen viele junge Menschen heute selbst für ihre Selbstständigkeit nicht mehr bringen. Ganz zu schweigen von dem Geld, das man braucht, um einen solchen Betrieb zu übernehmen.“

Für Knief waren diese Opfer selbstverständlich. „Ein klassisches Familienleben gab es gerade in der Hauptsaison nicht.“ Urlaub genehmigte er sich nur eine Woche im Januar, wenn es weniger Aufträge gab und gibt. Dazu kamen im Sommer drei Wochen Betriebsferien. „Meiner Frau wurde das irgendwann zu viel“, verrät er mehr nebenbei. Und so verbringt Knief seine Wochenenden und die Betriebsferien jetzt mit Freunden. Natürlich auf dem Wasser. Wo sonst? „Ich brauche das einfach. Es reicht mir nicht, es ständig nur von Land zu sehen.“ An der Schlei hat er ein Segelboot liegen. Gefertigt in seiner Werft in Harburg. Dazu tritt er immer wieder mit einer Elb-H-Jolle zu Regatten an – auf der Alster. Im vergangenen Jahr belegte er da noch den zweiten Platz. Und wenn er mal wieder zu viel arbeiten muss und keine Zeit zum Segeln bleibt? Dann geht er zwischendurch und für einige Momente in seinem kleinen Hafen direkt neben der Werft an Bord eines Bootes. Auch hier empfindet er dann ein ganz klein bisschen dieses besondere Gefühl, „das mir nur das Wasser geben kann“.

Dieser Beitrag ist auch im Magazin „Der Hamburger“ erschienen, das für 9,80 Euro an vielen Verkaufsstellen im Stadtgebiet erhältlich ist.