Joachim Wagner

Rechtsanwälte biedern sich bei Häftlingen immer dubioser an

| Lesedauer: 3 Minuten
Daniel Herder

Journalist Joachim Wagner geht in seinem neuen Buch „Vorsicht Rechtsanwalt. Ein Berufsstand zwischen Mammon und Moral“ mit einem ganzen Berufsstand hart ins Gericht. Ein massiver Qualitätsverlust.

Hamburg. Joachim Wagner ist promovierter Jurist, Terrorismusexperte und Journalist. Vielen Menschen ist er als langjähriger Moderator des ARD-Magazins „Panorama“ bekannt. Im Ruhestand konzentriert sich der 70-jährige Uhlenhorster, der sich in seinem viel beachteten Buch „Richter ohne Gesetz“ bereits mit der islamischen Paralleljustiz befasst hat, ganz aufs Schreiben.

Und hat sich nun erneut mit dem Gesetz beschäftigt: Wie es ausgelegt und bewusst verdreht wird von schlecht ausgebildeten oder skrupellosen Juristen, die so einen ganzen Berufsstand in Verruf bringen. In seinem Buch „Vorsicht Rechtsanwalt. Ein Berufsstand zwischen Mammon und Moral“ (Verlag C.H. Beck, im Handel für 24,90 Euro) knöpft sich Wagner die schwarzen Schafe unter den Anwälten vor.

Eine Nestbeschmutzung ist das Buch trotz des reißerischen Titels nicht. Es ist kritisch, teils polemisch, vor allem aber gut recherchiert und erinnert mit seiner Fülle an Fußnoten eher an wissenschaftliche Literatur. Wagner schreibt über den massiven Qualitätsverlust der anwaltlichen Beratung, das unwürdige Buhlen um Honorare und Mandatsverhältnisse im Speziellen und über die Erosion der Werte im Allgemeinen.

Strafverteidiger hätten die Justiz ausgetrickst, um „islamisches Recht“ umzusetzen

Über die Recherchen zu „Richter ohne Gesetz“ ist Wagner zum neuen Werk gekommen. Er sei auf Fälle gestoßen, in denen Strafverteidiger islamischen Familien geholfen hätten, die Justiz auszutricksen. Um dann, fernab geltenden Rechts, „islamisches Recht“ umzusetzen. „Das hat mich maßlos empört“, sagt er, „wie hier mithilfe der Anwälte der Strafanspruch des Staates unterlaufen worden ist.“

Um Belege für seine These zu finden, hat Wagner mit etlichen Anwälten gesprochen, vor allem in Hamburg, außerdem mit Menschen, die im Vollzugsdienst arbeiten, mit Richtern und Staatsanwälten. Ein Dorn im Auge sind Wagner die „Muss-Anwälte“, die ihr Jurastudium nur mit „ausreichend“ abschließen, was auf rund ein Drittel der aktuell tätigen Anwälte zutreffe.

Kassiber oder Handys werden ins Gefängnis geschmuggelt

Mit dieser Note bliebe ihnen kaum eine andere Wahl, als sich als Anwalt selbstständig zu machen. Die Folge, so Wagner, sei, dass der Beruf auch dank des Treibens der Abo-, Inkasso- und Abmahnanwälte nicht nur schlecht beleumundet sei, sondern zum „Sammelbecken für schlechte Juristen“ werde.

Da werde rüde um Mandatsverhältnisse gekämpft – etwa indem sich Anwälte bei U-Häftlingen anbiedern und aus Gefälligkeit Kassiber oder Handys ins Gefängnis schmuggelten. „Mittlerweile verlangen U-Häftlinge von Anwälten einen Fernseher, damit sie ihn als Pflichtverteidiger wählen.“

Verhaltener Zuspruch kommt aus der Anwaltschaft selbst: Das Buch sei zwar eine „Zumutung“, schreibt der Präsident der hanseatischen Rechtsanwaltskammer, Otmar Kury. Aber: „Was Wagner kritisiert und wofür er Belege und Nachweise präsentieren kann, muss uns beschäftigen und umtreiben.“

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