Kassenärztliche Vereinigung warnt vor Gesundheitsreform – und fordert Senatorin zum Handeln auf

Hamburg. Mit einem dramatischen Appell fordert die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) auf, gegen die von der Bundesregierung geplante Gesundheitsreform vorzugehen.

Kommt diese Reform, müssten sich Hamburger Patienten nach Einschätzung der KVH auf eine massive Verschlechterung der ambulanten medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung einstellen. Konkret würde jeder fünfte Arzt und jeder dritte Psychotherapeut verschwinden, der ärztliche Bereitschaftsdienst würde seine Tätigkeit einstellen und die Wartezeiten würden sich deutlich verlängern.

Laut Berechnungen der KVH würden in Hamburg 938 Arztstellen wegfallen

Nach dem Entwurf der Gesundheitsreform sollen Arzt- und Psychotherapeutensitze von der KVH „aufgekauft“ werden, wenn es in der betreffenden Fachgruppe eine Überversorgung gibt.

In Hamburg müssten nach Befürchtungen der KVH folglich 938 Arztsitze verschwinden – also ein Viertel aller Zulassungen, unter anderem 81 Hausärzte, 15 Kinderärzte, 155 Internisten, 15 Gynäkologen und 331 Psychotherapeuten.

„Das ist Wahnsinn“, sagte Dirk Heinrich, Vorsitzender der KVH-Vertreterversammlung. „In Mecklenburg wird kein einziger zusätzlicher Arztsitz entstehen, nur weil wir in Hamburg einen Kahlschlag vornehmen.“ Auch Notfallpraxen sollen betroffen sein. Ebenso befürchtet die KVH die Schließung diverser Notfallpraxen: „Unsere Notfallpraxen und unser fahrender Bereitschaftsdienst werden von der Bevölkerung bestens angenommen“, so Silke Lüder, stellvertretende Vorsitzende der KVH-Vertreterversammlung, „nun sollen wir den Notfalldienst an die Krankenhäuser verlegen“. Da beides nicht finanziert werden könne, werde die KV wohl ihre Notfallpraxen schließen und den fahrenden Bereitschaftsdienst einstellen müssen.

Dirk Heinrich ist zudem überzeugt, dass sich die vermeintlichen Verteilungsprobleme durch die Reform nicht lösen würden. „Kein junger Arzt würde statt des angebotenen, aber leider gestrichenen Sitzes in einer Gemeinschaftspraxis im Stadtteil A nun eine Einzelpraxis im Stadtteil B aufmachen“, sagt Heinrich, „wenn das nicht seiner Lebensplanung entsprechen würde.“

Heinrich appelliert deshalb an die Politik: „Wir fordern den Senat und insbesondere Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks eindringlich auf, ihren Einfluss in Berlin geltend zu machen, um diese zerstörerischen Pläne noch aufzuhalten.“

Gesundheitsbehörde nennt die Zahlen der KVH völlig überzogen

Die Hamburger Gesundheitsbehörde reagierte am Freitag mit Unverständnis auf die Darstellung der KVH: „Die Aussagen und Folgerungen der KVH sind für uns seitens der Gesundheitsbehörde nicht nachvollziehbar. Die Zahlen sind aus unserer Sicht völlig überzogen und basieren auf unrealistischen Schätzungen“, so Behördensprecher Rico Schmidt. Auch der dargestellte Zusammenhang mit dem Notdienst sei für die Gesundheitsbehörde nicht nachvollziehbar.

„Keine Ärztin beziehungsweise kein Arzt wird wegen der geplanten Neuregelungen einen bestehenden Sitz verlieren. Die Gesundheitsbehörde, auch speziell Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks, setzt sich aber bekanntermaßen sehr wohl dafür ein, dass wir in Hamburg eine bessere Ärzteverteilung über das Stadtgebiet bekommen. Also nicht „Abbau“ ist das Ziel, sondern eine bessere Verteilung!“ Dafür setzte sich die Senatorin, so ihr Sprecher, auch auf der Bundesebene ein und werde entsprechende Gesetzesentwürfe diesbezüglich genau anschauen.