Vor Kurzem diskutierte ich mit Freunden über den Ursprung von christlichen Feiertagen. Allen war dabei noch klar, dass Jesus Heiligabend geboren wurde, am Karfreitag starb, Ostersonntag auferstand, und 39 Tage später zu Gott in den Himmel zurückkehrte. Auch den Bezug zwischen dem Heiligen Geist, den Jüngern Jesus und Pfingsten bekamen wir noch problemlos hin. Neu gelernt habe ich dabei, dass Pfingsten im altgriechischen „fünfzigster Tag“ heißt und immer 49 Tage nach Jesus Auferstehung gefeiert wird.

Von dem Gespräch über die Bedeutung der Feiertage, kamen wir dann auf die Bedeutung von Religion und die Zukunft der Kirchen in Deutschland. Fakt ist, dass die katholische und die evangelische Kirche seit der Wiedervereinigung rund zehn Millionen Austritte zu verkraften hatten. Auch die Anzahl von Gottesdienstbesuchern ist rückläufig. So besucht derzeit nur noch jeder 16. Bürger wenigsten einmal pro Woche einen Gottesdienst. Vor zehn Jahren war es immerhin noch etwa jeder zehnte und vor 20 Jahren sogar noch jeder siebte Bürger, für den der sonntägige Gottesdienst eine Selbstverständlichkeit war. Innerhalb der Bevölkerung sind die Westdeutschen überdurchschnittlich oft in der Kirche anzutreffen, wohingegen im Osten der Republik mittlerweile 80 Prozent nicht ein einziges Mal im Jahr eine kirchliche Messe besuchen. Groß sind aber auch die Unterschiede zwischen Stadt und Land. Hier gilt: je kleiner die Gemeinde, desto höher ist die Besuchszahl. Dieses liegt sicherlich auch daran, dass die Kirche in kleinen Gemeinden noch immer einen anderen Stellenwert einnimmt als in anonymer Großstadtatmosphäre.

Nicht selten kennt man sich in der Dorfgemeinde beim Namen und die Kirche – oft das architektonische Zentrum – vereint die Dorfmitglieder in ihrem Glauben und ihren Traditionen und prägt so mitunter die kulturelle Identität eines ganzen Dorfes. In vielen Großstädten dagegen sind Ungewissheit und Skepsis gegenüber der Kirche größer und die Kirche als Institution und der religiöse Glaube verlieren dort für den Einzelnen eher an Bedeutung.

Und Hamburg? In unserer Stadt gehören gegenwärtig mehr als 700.000 Bürger der katholischen und evangelischen Kirche an; das sind 41 Prozent der städtischen Bevölkerung. Für eine Großstadt ist dies ein recht guter Wert, wenn man bedenkt, dass es in Berlin gerade einmal 28 Prozent der Bevölkerung sind. Die Kirchen in Hamburg unterhalten unter anderem Kindertagesstätten, Schulen, Krankenhäuser, Alten- und Pflegeeinrichtungen. Sie sind Treffpunkte für Jung und Alt, für Einheimische und Migranten; sie engagieren sich in der Lebensberatung, fördern kulturellen Lebensraum, unterstützen den Austausch zwischen den Glaubensrichtungen und noch vieles mehr. Auch sind sie ein großer Arbeitgeber, denn allein die evangelisch-lutherische Kirche in Hamburg und Umgebung beschäftigt 4700 Personen. Darüber hinaus sind weitere 20.000 Bürger ehrenamtlich tätig. Kurzum: die Kirche leistet in unserer Stadt einen enormen Beitrag zum sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben. Ohne ihre Unterstützung wäre unsere Stadt nicht das, was sie ist.

Wie sehe ich die Zukunft der Kirche? Einerseits glaube ich werden in den nächsten Jahren die Mitgliederzahlen weiter abnehmen, ebenso wie die Besuche der Sonntagsmesse. Auch fürchte ich werden einige kirchliche Vereine, Verbände und Hilfsträger schließen müssen, da sie die Mitarbeiter nicht finanzieren können. Anderseits glaube ich langfristig aber auch an eine Renaissance der Kirchen, wenn diese es schaffen, den Spagat zwischen den Bedürfnissen von „Stammgästen“ und neuen Besuchergruppen zu bewältigen. Gelingt ihnen dies, bin ich mir sicher, dass viele von uns nicht nur zu Weihnachten in die Kirche gehen werden, sondern auch ohne besonderen Anlass Kirche und Gottesdienst nutzen, um dort über die eine oder andere Frage des Lebens nachzudenken.

An dieser Stelle schreibt jeden Montag Prof. Ulrich Reinhardt von der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen