Studie, an der sich 10.300 Studierende beteiligten, entwirft Bild des Hamburger Durchschnittsstudenten. Stadt ist teures Pflaster für Hochschüler

Hamburg. Die Studentin, nennen wir sie Charlotte, ist 25 Jahre alt und studiert im achten Semester ein geisteswissenschaftliches Fach. Sie wohnt in einer Wohngemeinschaft, mittags geht sie zum Essen regelmäßig in die Mensa – weil es praktisch und kostengünstig ist. Rund 33 Stunden wendet Charlotte in der Woche für ihr Studium auf, die Hälfte dieser Zeit sitzt sie in Seminaren und Vorlesungen. Zum Leben hat die junge Frau monatlich 971 Euro zur Verfügung. Dabei wird sie finanziell von ihren Eltern unterstützt, muss sich aber etwas dazuverdienen und arbeitet deshalb zehn Stunden in der Woche.

Charlotte ist statistisch gesehen der typische Hamburger Durchschnittsstudent, wie das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) jetzt in einer aktuellen Untersuchung ermittelt hat. Im Auftrag des Studierendenwerks Hamburg haben die Forscher erstmals sämtliche Studierende an acht Hochschulen der Hansestadt nach ihrer Lebens-, Studien- und Finanzsituation befragt. Von den 60.500 Angeschriebenen nahmen im Wintersemester 2013/14 fast 10.300 Studenten an der Umfrage teil – mehr als jeder Fünfte also, wie die Projektleiterin der Studie, Elke Middendorff vom DZHW, zufrieden feststellt.

Interessant ist, dass Hamburger Landeskinder an den Hochschulen der Hansestadt immer seltener einen Studienplatz ergattern können. Nur 32 Prozent der Studierenden haben auch in Hamburg Abitur gemacht, 2009 waren es noch 40 Prozent. In anderen Bundesländern liegt der Anteil wesentlich höher. Landeskinder dürfen von Gesetzes wegen nicht bevorzugt werden. „Hamburg ist als Studienort enorm beliebt, daher gibt es einen großen Andrang auf die Plätze“, sagt der Geschäftsführer des Studierendenwerks, Jürgen Allemeyer. „Das hat zur Folge, dass Landeskinder ein Stück weit verdrängt werden. Wenn man in Hamburg einen Studienplatz haben will, braucht man bei der Abiturnote oft eine Eins vor dem Komma.“

Wegen der Abschaffung der Wehrpflicht und der verkürzten Schulzeit sind Hamburgs Studenten mit durchschnittlich 25,2 Jahren etwas jünger geworden (2009: 25,8 Jahre). Jeder Zweite beginnt sein Studium gleich im ersten halben Jahr nach dem Abitur. Anders als im Bundesschnitt sind die Frauen an den Hochschulen der Hansestadt mit 53 Prozent leicht in der Mehrheit. Aber auch wenn Charlotte für einen großen Teil der Hamburger Studenten steht: Die Erhebung zeigt auch, wie unterschiedlich ihre Voraussetzungen sind. „Arm und Reich machen vor den Toren des Campus nicht halt“, sagt Allemeyer. Neun Prozent der Befragten hat weniger als 600 Euro im Monat zur Verfügung, 19 Prozent andererseits mehr als 1200 Euro. Gut jeder vierte Student (28 Prozent) erhält BAföG, durchschnittlich sind es 470 Euro. 81 Prozent der Studierenden werden von ihren Eltern finanziell unterstützt, die im Schnitt 509 Euro zahlen. Drei von vier Studenten müssen nebenbei jobben und verdienen dabei durchschnittlich 420 Euro.

Interessant sind die Unterschiede unter den Hochschulen: Am meisten arbeiten die Studenten der Universität Hamburg nebenbei (wöchentlich 10,8 Stunden), sie wenden am wenigsten Zeit für ihr Studium auf (31,6 Stunden). Am fleißigsten wird hingegen an der Technischen Universität Hamburg-Harburg studiert (36,8 Stunden), ihre Studenten müssen aber auch am wenigsten jobben (6,8 Stunden).

Vergleichsweise schlecht schneide der Hochschulstandort Hamburg bei den sozialen Aufstiegschancen ab: In Hamburg haben 55 Prozent der Studierenden einen hohen oder gehobenen Bildungshintergrund; das heißt: Eines oder beide Elternteile haben selbst studiert. Bundesweit sind es nur 49 Prozent. Demgegenüber stammen in Hamburg 43 Prozent der Befragten aus eher bildungsfernen Elternhäusern, im Bundesschnitt sind es 50 Prozent. Bei Studenten aus bildungsfernen Schichten machen die BAföG-Zahlungen 30 Prozent der monatlichen Einnahmen aus. Jeder fünfte Student (20 Prozent) kommt in Hamburg aus einer Familie mit Migrationshintergrund – deutschlandweit sind es drei Prozent mehr. Dabei hat jeder zweite Jugendliche unter 18 Jahren in Hamburg ausländische Wurzeln. „Das sind Herausforderungen, für die wir noch mehr leisten müssen“, appellierte Allemeyer an die Politik.

Für die Studenten bedeuten auch die Mietkosten in Hamburg eine Herausforderung. Sie sind in den vergangenen zehn Jahren von 305 auf 367 Euro monatlich gestiegen. In kaum einer deutschen Stadt ist es so schwierig für Studenten, günstigen Wohnraum zu finden. In einer am Dienstag veröffentlichten Untersuchung des Immobilienentwicklers BGI AG steht Hamburg bundesweit an zweiter Stelle hinter München. Beim Studierendenwerk stehen derzeit 1362 Wohnungsuchende auf der Warteliste für einen Platz im Wohnheim. Von der Stadt erhalte das Studierendenwerk eine „nicht genügende Förderung“, kritisiert Allemeyer. Bei den Landeszuschüssen von jährlich 1,2Millionen Euro sei Hamburg das Schlusslicht im bundesweiten Ranking. „Baumaßnahmen und Sanierungen müssen stärker gefördert werden, als dies bisher der Fall ist“, fordert er. Nur so könnten die Mietpreise in den Wohnheimen stabil bleiben – zurzeit kosten die Zimmer 233 Euro bis 255 Euro pro Monat. Beim Neubau kann es auch etwas teurer werden – derzeit beim Studierendenwerk 355 €. Damit mehr Wohnheime gebaut werden können, fordert Allemeyer die Stadt Hamburg dazu auf, dem Studentenwerk Grundstücke „günstig oder kostenlos“ zu überlassen.