Eine Glosse von Nico Binde

Beliebte Freizeitbeschäftigung mit zehn Buchstaben? Schlendern, genau. Doch leider ist diese Art der Fortbewegung etwas aus der Mode gekommen. Denn wenn in der modernen Stadtgesellschaft alle von Entschleunigung reden, aber niemand den Fuß vom Gas nimmt, bleibt die Kunst des Schlenderns auf der Strecke.

Neulich habe ich das mal getestet, morgens um 9 Uhr auf der Osterstraße. Ich bin extra früh aufgestanden, um den Weg zur U-Bahn arglos zu verschlendern. Eine miese Idee, wie sich zeigte. Anfangs gaben sich die Berufspendler noch Mühe, mich zu ignorieren, später wurde ich als Hindernis erkannt und als Bremse diskriminiert. Einige verlangten meine Schlendergenehmigung, andere attackierten gleich die Hacken. Als auch die Rentner wütend wurden, brach ich den Versuch nur mäßig entschleunigt ab. Als Bummler gerät man schneller unter die Räder, als man Fury in the Slaughterhouse sagen kann: Denn this is not the time to schlender!

Was Hamburg deshalb dringend braucht, ist mehr Schlenderkultur. Stadtteile sollten nicht länger Eile propagieren dürfen (Hallo Schnelsen! Hallo Eilbek!), sondern umgehend namentlich entschleunigt werden. Lehmsal-Schlenderstedt, Langenschlender oder Schleppendorf könnten die Zentren einer neuen Bummelbewegung sein. Meinetwegen darf es vorher eine breite Schlenderdebatte geben. Die Schlenderbeauftragten der Länder sollen ebenso zu Wort kommen wie Schlendrifizierungsgegner. Alles für ein wenig mehr Schlendrian.

Aber ich fürchte, die Stadt ist noch nicht reif. Jedenfalls nicht, solange es Eilbek und Schnelsen gibt.