Taucher Ingo Oppelt sucht mit neuer Sonartechnik ein Wrack vor Bornholm. Getestet hat er das Gerät in Blankenese.

Hamburg. Das kleine Motorboot schaukelt in der Bugwelle eines vorbeiziehenden Binnenschiffs, sonor surrt im Heck der starke Volvo-Diesel. Ingo Oppelt nimmt ein wenig Gas weg und lässt sein Boot dann langsam unter den Norderelbbrücken hindurchgleiten.

Vor dem Steuerrad hat er einen kleinen Kasten eingeschaltet, auf dem jetzt ein orangefarbenes Bild schimmert. Lichter, Schatten und Linien sind zu erkennen. Merkwürdig verschwommen. „Wie das Baby im Ultraschallbild, oder?“, ruft er begeistert. Und so wie werdende Eltern auf dem Bild aus dem Mutterbauch kleine Arme und Beine zu erkennen glauben, so deutet auch Oppelt die flimmernden Lichter. Da: ein Brückenfundament unter Wasser. Und hier: die Kette eines Seezeichens, der Rumpf eines Schiffs. Oppelt ist zufrieden mit der Vorführung seines Geräts, das zu seinen wichtigsten Werkzeigen gehört: ein Seitensichtsonar.

Damit sucht der 46-jährige Hamburger in Nord- und Ostsee nach versunkenen Schiffen. Das Sonar liefert Unterwasserbilder. Oppelt ist Wracksucher, semiprofessionell, wie der selbstständige Immobilienkaufmann sagt. Er begleitet Tauchexpeditionen, schreibt Fachbücher, berät andere Wracksucher. Und taucht immer wieder selbst. Aktuell geht er demnächst an Bord einer Tauchexpedition, die vor Bornholm nach dem Torpedoboot „Tiger“ sucht. Das 90 Meter lange Schiff war 1939 nach einer Kollision mit einem Zerstörer gesunken. Vermutlich liegt es in 90Meter Tiefe, gefunden wurde es bisher nicht – was in der Wracksucherszene besondere Motivation ist. Als Erster ein Wrack zu finden, das ist für einen Wracktaucher in etwa so wie für Bergsteiger die Erstbesteigung eines neuen Weges zum Gipfel.

Selbst taucht Oppelt dieses Mal nicht. 90 Meter seien zu tief, sagt er. Aber er fährt wie oft als Berater mit. Und dabei hilft ihm ein noch größeres Sonar, das mehrere Hundert Meter rechts und links vom Expeditionsschiff den Untergrund abscannen kann. Wie es funktioniert und wie es zu lesen ist, hat Oppelt gerade auf der Elbe getestet. Am Wrack des 1975 gesunkenen Binnenschiffs „Uwe“. Das aus dem Wasser ragende „Uwe“-Heck ist vor Blankenese längst zu einer Art Wahrzeichen am Elbstrand geworden. Wie steil und tief der Rest in das Fahrwasser ragt, konnte Oppelt nun mit dem Sonar erstmals sichtbar machen. Die Bornholm-Expedition mit dem neuen Sonar ist nun so etwas wie der technische Höhepunkt einer Wracksucher-Laufbahn, die irgendwann in Kirchwerder an der Elbe begonnen hatte. Oppelt wuchs dort auf, war als Junge schon von Schiffen und Wasser begeistert. Und dann war dort der alte U-Boot-Bunker auf Steinwerder, der 1995 mit Sand zugespült wurde. Wie viele Hamburger Jugendliche kletterte auch Oppelt mit seinen Kumpels bei Ebbe hinein. Drei U-Boote konnte man dann im Halbdunkel schimmern sehen, immer die Furcht im Nacken, rechtzeitig vor der Flut wieder aus der alten Bunkerruine herauszukommen. Einmal ist es Oppelt bei extremem Niedrigwasser sogar gelungen, in die Bootsrümpfe zu kommen. Was waren das für Schiffe, wer fuhr darauf?

Diese Fragen trieben ihn seither um, er nahm Kontakt zum U-Boot-Archiv in Cuxhaven auf, arbeitet sich in die Geschichte der U-Boote ein – und begann dann auch bald selbst mit dem Tauchen. Eine Leidenschaft, die mit den Jahren immer professioneller wurde.

Dutzende Wracks in Nord- und Ostsee hat er schon betaucht. U-Boote sowieso, Kriegsschiffe, Frachter. Wenn sie sich im trüben Wasser als Schatten vor ihm abzeichnen, spürt er jedes Mal wieder diese Faszination, sucht sie förmlich. Nach Havarien, nach Sturm oder Beschuss sanken diese Schiffe. „Sie sind wie eine Zeitkapsel“, sagt Oppelt. Herausgerissen aus ihrer Geschichte, verfallen aber doch konserviert. Manche hat bisher nur er entdeckt. So wie das große Segelschiff vor Dänemark. „Bertha, Hamburg“, konnte er am Heck lesen. Zwischen 1885 und 1888 muss sie gesunken sein, vermutet er. Sie hatte noch Tonkrüge an Bord, keine Glasflachen. Mehr über ihr Schicksal und das ihrer Mannschaft konnte Oppelt bisher nicht herausfinden, weil laut Schiffsregister in diesen Jahren mehrere „Berthas“ als Verlust gemeldet wurden. Die eigene Taucherfahrung, das direkte Spüren der Kräfte im Wasser – das hilft ihm auch bei Tauchexpeditionen, wenn er als Berater mit dabei ist, wie jetzt vor Bornholm. Zwar hat er dann technische Unterstützung von dem Sonar. Doch damit ein Wrack zu finden, das ist die eine Sache, die andere ist, dort auch wirklich hinzutauchen.

Viel kommt darauf an, dass das 20 Kilogramm schwere Wurfgewicht eines Taucherseils auch dicht am Wrack auf dem Untergrund landet. Winddrift, Strömung – so etwas muss ein erfahrener Wracksucher zusätzlich zu den Sonarbildern beachten. Oft ist das Oppelt gelungen. Er selbst eben weiß, wie es dann dort unten aussieht. Trübe, grünlich ist das Wasser. Hat er das Gewicht richtig gesetzt, nimmt der Taucher dort zunächst einen Schatten wahr. „Bewegt sich der Schatten mit, dann ist es nur eine Fata Morgana, kommt er näher, hat man es richtig gemacht“, sagt er.

Vergleichbar ist die Wracksuche mit der Goldsuche, wo man durch viele Proben und Blicke in die Landschaft auf eine ergiebige Stelle hofft. Nur einen Unterschied gibt es: Ein Goldsucher will seinen Schatz besitzen. Einem Wracksucher reicht es, ihn zu sehen.