Seit mehr als zwei Jahrhunderten spielt die Familie Schröder eine bedeutende Rolle in Hamburg – auch als Bürgermeister, Senatoren und Bankiers.

Harvestehude. Der Name klingt nach aller Welt – und im guten Sinne ist er das auch. Die Familie Schröder ist in der Hansestadt tief verwurzelt, brach aber in Teilen immer wieder auf, um andernorts Glück und Geschäftserfolg zu finden. Zwei Hamburger Bürgermeister, mehrere Senatoren und Ratsherren, Bankiers und Pfeffersäcke aus dem Clan handelten von jeher nach dem bewährten Motto weit gereister Fahrensleute: „Mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen“.

Damals wie heute halten die Schröders zusammen und treffen sich regelmäßig zum Familienfest. Manche reisen sogar aus Übersee an. Was alles dahintersteckt, weiß Anthon-Heinrich Schröder am besten. Der Professor mit gleich drei Doktortiteln bittet zu Klönschnack und Kaffee in sein Kontor, das gediegener nicht sein könnte. Vom siebten Stock eines Harvestehuder Bürgerhauses aus genießt der umtriebige Hanseat den Blick auf die Universität und weit darüber hinaus. Und die Einrichtung seines Refugiums sagt mehr als 1000 Worte.

Urahn Berend Schröder machte als „Tobackspinner“ gutes Geld

An den Wänden hängen Stiche des alten Hamburgs und etwa 60 gerahmte Fotos mit Würdenträgern unserer Stadt, die den Namen Schröder trugen. Die Schröderstiftstraße in Rotherbaum, die Büste vor dem Bürgermeisterhaus an der Mövenstraße in Winterhude, das Halbmondhaus an der Elbchaussee und mehrere Ölbilder im Rathaus legen Zeugnis ab von einer berühmten Vergangenheit. Viele von ihnen waren und sind Ritter, Freiherren oder ganz einfach nur schwer vermögende Leute. Andere gingen mit Pauken und Trompeten pleite.

In den prall gefüllten Bücherregalen fällt vor allem ein Bord mit 35 großformatigen Bänden ins Auge. Es ist die Geschichte der Familie, quasi die Schröder-Saga. Nummer eins in der urkundlich verbrieften Chronik ist der „Tobackspinner“ (Tabakfabrikant) Berend Schröder, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Anna Catharina Wiebe ehelichte.

Anschließend ging’s von Bützfleth im Kehdinger Land in alle Himmelsrichtungen. Anno 1767 wurde in Hamburg das Handelshaus Christian Matthias Schröder & Co. gegründet. 1799 wurde der Inhaber in den „Hochedlen und Hochweisen Rat“ der Hansestadt und 1816 zum Bürgermeister gewählt. Zwischen 1910 und 1918 bekleidete sein Nachfahr Carl-August Schröder dieses ehrbare Amt des Primus inter Pares.

Einen Teil der von jeher unternehmungslustigen Sippschaft zog es nach Amsterdam, Triest und St. Petersburg, einen anderen nach England. In London genoss die Schroeder’s Bank – hier mit „oe“ geschrieben – als eines der größten privaten Geldhäuser der Insel Weltruf. Auch in Hamburg, dem Stammsitz der Familie, florierte die Bank Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. Nach geplatzten Krediten in Höhe von umgerechnet 430 Millionen Euro, dem Achtfachen des Eigenkapitals, jedoch stand die Traditionsfirma vor dem Konkurs. Letztlich übernahm die britische Lloyd Bank 1983 den Betrieb. Reichlich Geld war verbrannt.

„Wie gewonnen, so zerronnen“, sagt Professor Dr. Dr. Dr. Anthon-Heinrich Schröder rückblickend. Wie gut, dass er sich andere Berufe ausgesucht hat. Der Hamburger absolvierte von 1955 bis 1957 eine Molkereilehre in Schleswig-Holstein, die er als Landesbester abschloss. Anschließend studierte er nach und nach Jura, Volks- und Agrarwissenschaften sowie Philosophie – mit Promotion in allen drei Fachbereichen. Viele Jahre war er Chefjustiziar des Deutschen Raiffeisenverbands in Bonn und lehrte er als Professor an der Universität Mainz Steuerrecht.

Seine Zulassung als Rechtsanwalt gab Schröder 2011 im Alter von 74 Jahren zurück. Zwar beantragte er sie zwischenzeitlich neu, doch brachte der juristische Einsatz praktisch ohne Lizenz jüngst neben Verdruss auch ein Gerichtsverfahren und 2000 Euro Strafe. Das Thema ist ad acta gelegt, die weitere Vertretung seiner Mandanten in Steuersachen nicht.

Coaching-Kurse für Burn-out-Geschädigte und Führungskräfte gibt er weiterhin, mit den Kursen als Skilehrer in Kitzbühel und Zermatt dagegen ist ebenso wie mit der Fliegerei endgültig Schluss: 2012 verkaufte der Pilot mit mehr als 4500 Stunden Flugerfahrung seine in Uetersen stationierte Cessna 182. Seitdem bleibt der unterhaltsame Tausendsassa lieber auf dem Boden – aber weiterhin in himmlischen Sphären. Prädikant Schröder ist in der evangelischen Kirche Basthorst am Rande des Sachsenwaldes als ständiger Vertreter der Pastorin auf der Kanzel im Einsatz. Seinen nächsten Gottesdienst hält er am kommenden Sonntag (7.9.), dann wieder am 2. November. Mächtig viel los für einen Mann mit 77 Jahren, der aus freien Stücken tagtäglich immer noch sieben Stunden in seinem Kontor arbeitet.

Einige Schröders kommen aus Peru und Paraguay zu den Familientreffen

Dazwischen pflegt der hochaktive Senior mit dem gewinnenden, unkonventionellen Naturell, ein paar Straßenecken weiter nach Hause zu gehen. Dort wartet Ehefrau Monika mit dem Mittagessen. Immerhin bleibt abends noch Muße, sich um das Sportabzeichen, einen Kraulkursus im vornehmen Club an der Alster und ums Bridgespiel zu kümmern. „Wer rastet, der rostet“, meint Anthon-Heinrich Schröder getreu der Maxime seiner Familie.

Deren weit verzweigter Stammbaum ist in einem 160-seitigen „Hamburger Geschlechterbuch“ dargestellt. Ganz vorne prangt das Wappen der Schröders: Aus dem roten, silberfarben eingefassten Balken mit der Ritterrüstung wachsen drei gold besamte und grün gestielte Rosen.

Seine persönliche Lebensdevise hat Schröder von Goethe übernommen. Daraus ergibt sich die Mutter aller Fragen: „Hast du heute aus dem, was du hast oder bist, das meiste gemacht?“ Helfen gehört dazu. Der Mann ist auch Gründer und Vorstand einer nach ihm benannten gemeinnützigen Stiftung, die begabte Kinder aus mittellosen Verhältnissen unterstützt.

Bürgerliches Engagement ist Familienprinzip. 1850 wurde das „mildthätige“ Schröderstift für Bedürftige ins Leben gerufen. Zwar wurde das stadtbekannte Gebäude am Schlump vor gut vier Jahrzehnten für umgerechnet 18Millionen Euro an die Stadt verkauft, das Geld jedoch neu investiert: Am Kiwittsmoor in Langenhorn betreibt die Schröder-Stiftung eine Altenwohnanlage mit 144 Einheiten, günstigen Mieten und einer eigenen Kirche inklusive halber Pastorenstelle.

Darüber und über alle möglichen anderen Einsätze der an Paradiesvögeln nicht armen Sippe gibt es eine Menge mehr zu erzählen. Idealer Anlass sind die alle fünf Jahre organisierten Familientreffen. Rund 250 Mitglieder sind überall verstreut, halten jedoch Kontakt. Im vergangenen Jahr trafen sich 125 Schröders in der BallinStadt und im Schröderstift. Einige kamen aus Peru und Paraguay, andere aus den Niederlanden und England. Das Gros stammt aus Hamburg.

Daran zumindest hat sich nichts geändert. Und da sich Anthon-Heinrich Schröder über zwei Kinder und sieben Enkelkinder freut, wird dieser Teil der Familiengeschichte mit Sicherheit auch weitergehen.