Zum Halbjahr steht ein „Gewinn“ von 572 Millionen Euro in den Büchern – dank Steuereinnahmen auf Rekordniveau

Hamburg. In der kommenden Woche beginnt die Bürgerschaft mit den Beratungen zum neuen Doppelhaushalt 2015/2016. Nachdem der SPD-Senat dazu bereits im Juni die Eckpunkte vorgestellt hatte, hat sich über die Ferien die ohnehin gute Ausgangslage noch einmal deutlich verbessert. Wenn es in den kommenden Monaten nicht zu einem völligen Konjunktureinbruch kommt, dürfte die Stadt bereits dieses Jahr – und damit mehrere Jahre früher als bislang geplant – ohne Neuverschuldung abschließen. Möglicherweise wird sie sogar einen kräftigen Überschuss erzielen. Das lassen jedenfalls die Halbjahreszahlen vermuten.

Laut dem „Quartalsbericht II“ der Finanzbehörde hat Hamburg per 30.Juni einen Überschuss im Haushalt von 572Millionen Euro erwirtschaftet. Das dürfte der größte „Gewinn“ sein, den die Stadt je in einem Halbjahr ausgewiesen hat. Erwartet worden war bei der Haushaltsplanung für das gesamte Jahr 2014 eigentlich ein Defizit von 360 Millionen und eine Nettokreditaufnahme von 300 Millionen Euro – davon ist die Stadt im positiven Sinn meilenweit entfernt. Dennoch gibt man sich in der Finanzbehörde zurückhaltend: „Das ist im Vergleich zu den Vorjahren ein gutes Halbjahresergebnis“, sagte Sprecher Daniel Stricker, warnte aber vor frühzeitigem Jubel: „Der Haushaltsverlauf für das gesamte Jahr kann hieraus nicht abgeleitet werden, weil sich die Einnahmen und Ausgaben der Stadt nicht gleichmäßig über das Jahr verteilen.“

Tatsächlich werden Stichtagsbetrachtungen wie das Halbjahresergebnis von diversen Sondereffekten beeinflusst. So liegen die Personalausgaben für die aktiv Beschäftigten rund 150 Millionen Euro unter dem Ansatz im Haushalt, was jedoch mit der Umstellung der Haushaltssystematik zu tun hat. Auch von den geplanten Investitionen wurden zum Halbjahr erst 337 Millionen oder 39 Prozent getätigt. Beide Effekte werden sich vermutlich im Gesamtjahr ausgleichen.

Nicht wegdiskutieren lassen sich jedoch die rekordverdächtig hohen Einnahmen. Mit 5,156 Milliarden Euro hat die Stadt schon zur Halbzeit 54,5 Prozent der fürs Gesamtjahr eingeplanten Steuereinnahmen von 9,456 Milliarden verbucht. Verantwortlich dafür sind vor allem die Lohnsteuer und die Körperschaftssteuer, die mit 344 Millionen Euro schon 122 Prozent des für das ganze Jahr erwarteten Wertes in die Kasse gespült hat. Positiv hat sich auch die Erbschaftssteuer entwickelt: Nachdem den „Cash GmbHs“ ein Riegel vorgeschoben wurde, stiegen Hamburgs Einnahmen um rund 50Millionen Euro. „Cash GmbHs“ waren beliebte Mittel, ein Privatvermögen einer Firma zu übertragen, um es dann steuerfrei vererben zu können.

„Wir freuen uns über diese sehr gute Entwicklung der Einnahmen im ersten Halbjahr“, sagte Jan Quast, Finanzexperte der SPD-Fraktion. „Mit dieser Entwicklung gehört Hamburg zur Spitze unter den Ländern. Das zeigt, dass die Schmähungen der Opposition hinsichtlich einer vergleichsweise bröckelnden Wirtschaftskraft der Stadt der Grundlage entbehren.“ Den höchsten Überschuss aller Bundesländer per 30.Juni hat nach Angaben des Bundesfinanzministeriums mit 1,176 Milliarden Euro Bayern erzielt. Auf Platz zwei folgt Hamburg mit 572 Millionen. Würde man den Überschuss pro Einwohner betrachten, läge Hamburg sogar mit weitem Abstand an der Spitze. Viele Länder wie Schleswig-Holstein (minus 307 Millionen) und Nordrhein-Westfalen (minus 2,524 Milliarden) weisen demnach große Defizite aus.

Allerdings sind diese Vergleiche mit Vorsicht zu genießen, denn das Bundesfinanzministerium stellt viele Zahlen anders dar als die Länder selbst. So soll Hamburg trotz des riesigen Überschusses angeblich 390 Millionen Euro neue Kredite aufgenommen haben, was die Finanzbehörde energisch bestreitet.

Nach Quasts Einschätzung ist es zwar zu früh, Prognosen zum Jahresabschluss anzustellen. „Die gleichzeitig stabile Entwicklung der Ausgaben lässt aber den Schuldenstopp in greifbare Nähe rücken.“ Offiziell peilt Hamburg 2019 als erstes Jahr ohne Neuverschuldung an. Anlässlich der sehr positiven Steuerschätzung hatte Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) im Mai davon gesprochen, dass man dieses Ziel schon eher erreichen könnte.

Genau das fordern CDU und FDP schon lange. „Der Senat darf den Haushaltsausgleich nicht auf die lange Bank schieben“, sagte FDP-Finanzexperte Robert Bläsing. „ Wenn sich die Einnahmen bis Jahresende so weiterentwickeln, muss der Senat jetzt liefern.“

„Die Zahlen sehen gut aus, aber man sieht auch, wo es herkommt“, sagte Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. „Die Steuern laufen gut, die Zinsen und die Investitionen sind niedrig. Eine Sparanstrengung des Senats kann ich aus diesen Zahlen nicht ablesen, im Gegenteil: Er nutzt die guten Einnahmen, um die Ausgaben weiter zu steigern.“

Genau das wird von der Linkspartei offensiv gefordert: mehr Geld auszugeben. „Wir erleben in Hamburg eine Situation des Elends“, so Finanzexperte Norbert Hackbusch. Ob bei der Erstaufnahme von Flüchtlingen, den Wohnunterkünften, im Sozial- und im Kulturbereich oder beim öffentlichen Eigentum – überall fehle Geld. „Angesichts dieser Tatsachen ist ein so kräftiger Überschuss zynisch.“