Im Fall Yagmur kommt ein neuer Vorwurf auf: Mitarbeiter des Jugendamtes sollen eine Mitschuld durch Unterlassung tragen. Die Bezirksämter Eimsbüttel und Mitte wurden durchsucht.

Hamburg. Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat die Bezirksämter Eimsbüttel und Mitte durchsucht. Die Razzien kamen im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Tod der dreieinhalb Jahre alten Yagmur zustande. Es laufen Ermittlungen gegen Jugendamtsmitarbeiter. Beamte haben sich Zutritt zu den Jugendämtern und Personalabteilungen der beiden Bezirksämter verschafft.

Nach Abendblatt-Informationen steht unter anderem der Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen im Raum. Wie erst jetzt bekannt wurde, haben die Razzien bereits vor zwei Wochen stattgefunden. In Eimsbüttel haben sich mehrere Polizeibeamte im Auftrag der Staatsanwaltschaft die Personalakte einer Mitarbeiterin des Jugendamtes aushändigen lassen. In den Fokus der Ermittlungen war sie geraten, da sie im Mai vergangenen Jahres die Rückführung des Mädchens in seine Familie eingeleitet hatte, in der es schließlich getötet wurde.

Bei Yagmur, die in der Obhut einer Pflegemutter aufwuchs, waren im Januar 2013 schwerste Kopf- und Bauchverletzungen festgestellt worden. Da nicht klar war, wer für die Misshandlungen verantwortlich war, kam das Mädchen in ein Kinderschutzhaus. Zu dieser Zeit hat die nun verdächtigte Jugendamtsmitarbeiterin die Erziehungsfähigkeit der leiblichen Eltern noch angezweifelt und beim Familiengericht beantragt, dass Teile der elterlichen Sorge unbeteiligten Personen übertragen werden sollen. Darüber hatte die zuständige Familienrichterin allerdings nicht entschieden. Als die Pflegemutter sich, wie sich später herausstellte, fälschlicherweise selbst bezichtigte, leitete die Jugendamtsmitarbeiterin die Rückführung zu den leiblichen Eltern ein.

Daraus schließen die Ermittler nun eine Mitschuld der Mitarbeiterin an dem Tod Yagmurs. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft die leibliche Mutter damals nicht vernommen. Heute gilt sie als Haupttatverdächtige. Oberstaatsanwältin Nana Frombach bestätigte die Durchsuchungen in den Ämtern. Es habe darüber hinaus Durchsuchungen bei freien Trägern gegeben. Gegen wen die Ermittlungen laufen und warum, dazu machte sie keine Angaben. „Die Ermittlungen dauern an. Die Maßnahmen sind noch nicht abgeschlossen“, so Frombach. Die Bezirksämter kommentierten die Razzien unter Berufung auf das laufende Verfahren nicht.

Derzeit wird vor dem Hamburger Landgericht gegen die Eltern von Yagmur verhandelt. Ihre Mutter ist wegen Mordes angeklagt, dem Vater wird Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen vorgeworfen. Er soll seine Tochter nicht vor den Misshandlungen seiner Frau geschützt haben. Nach dem Tod des Kindes hatte zunächst der Vater als Hauptverdächtiger gegolten. Erst im April 2014 nahm der Fall eine überraschende Wendung. Der ursprüngliche Tatverdacht basierte weitgehend auf den Angaben der Mutter, erklärte die Staatsanwaltschaft damals. Doch die Ermittlungen hätten ergeben, dass die Version nicht stimmen könne. Die Anklage sieht bei der Mutter das Mordmerkmal der Grausamkeit erfüllt.

Auch politisch wird der Fall derzeit aufgearbeitet. Kommende Woche sind die Bezirksamtsleiter Andy Grote (Mitte), Torsten Sevecke (Eimsbüttel) und Arne Dornquast (Bergedorf) als Zeugen im Untersuchungsausschuss geladen.