Wegen der Bluttat im Treppenhaus einer Villa in Eppendorf steht der 71 Jahre alte Eigentümer vor Gericht. Er lotste die übrigen Bewohner an der Leiche vorbei

Eppendorf. Diesen Morgen wird Maike S., 38, nie vergessen. Am 12. Februar hörte sie gegen 7.25 Uhr dumpfe Schläge, Schreie und Stöhnen. Es war der Morgen, an dem Jürgen W., 71, Mieter einer rund 80 Quadratmeter großen Wohnung in einer Villa an der Erikastraße in Eppendorf, von seinem Vermieter erschlagen wurde: das tragische Ende eines Streites um Mieterhöhungen, Nebenkosten, ein verschmutztes Treppenhaus, Fahrräder vor der Eingangstür und defekte Heizungen.

Immer wieder lieferten sich Hausbesitzer Fritz H.-B., 71, und sein Mieter Jürgen W. schwere Auseinandersetzungen. Die beiden anderen Mietparteien in dem Haus hatten dagegen kaum Probleme mit dem Vermieter. Das erklärte Maike S. gestern vor dem Hamburger Landgericht. Als wichtigste Zeugin musste sie im Mordprozess gegen ihren ehemaligen Vermieter aussagen.

Etwa gegen 7.20 Uhr muss der tödliche Streit am 12. Februar begonnen haben. Wie üblich ging Jürgen W., der im oberen Stock der Villa wohnte, an diesem Morgen zu seinem Briefkasten an der Haustür, um seine Tageszeitung zu holen. Dort traf er auf seinen Vermieter. Maike S. hatte da gerade ihren Kaffee aufgesetzt, als sie im Hausflur das furchtbare Stöhnen von Jürgen W. hörte. Zuvor hatte sie schon dumpfe Schläge vernommen. Dann hörte sie die Stimme des Vermieters, der rief: „Jetzt ist Schluss. Ich habe keine Lust mehr!“

Um Hilfe zu bekommen, klingelte Maike S. bei ihrer Nachbarin Su X.-D., die Musik hörte und von dem Streit nichts mitbekommen hatte. Die Frauen riefen bei der Polizei an. Schließlich traute sich Maike S. ins Treppenhaus. Die Zeugin: „Ich hätte mir nie verziehen, wenn ich nicht wenigstens noch versucht hätte, Jürgen W. zu helfen.“

„Sie können jetzt hier nicht durch!“, rief ihr der Hausbesitzer entgegen. Doch Maike S. ließ sich nicht beirren. „Ich habe einen wichtigen Arzttermin“ erklärte sie ihm. „Dann kommen sie“, sagte der Hauswirt, „aber schauen sie nicht hin.“ Maike S. sah trotzdem hin. Jürgen W. lag in einer Blutlache zwischen Hausflur und Windfang. Sein Kopf war mit einem grauen Tuch bedeckt. Fritz H.-B. schloss seiner Mieterin die Haustür auf und ließ sie auf die Straße. Von dort rief sie erneut bei der Polizei an. Nachdem Maike S. das Haus verlassen hatte, klingelte der Angeklagte bei der Sinologin Su X.-D., 37. Er fragte, ob sie an diesem Morgen aus dem Haus gehen wolle, und sagte dann. „Es ist etwas Schönes passiert. Aber es ist besser, sie bleiben vorerst im Haus!“

Kurz danach kam die Polizei. Der Hausbesitzer, der noch Bademantel und Schlafanzug trug, wurde festgenommen. Jetzt muss er sich vor der Großen Strafkammer 2 des Landgerichts verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord aus Heimtücke vor. Mit mehreren Schlägen eines Zimmermannhammers soll der Angeklagte, ein gelernter Tischler, seinen Mieter erschlagen haben. Außerdem soll er ihm mehrere Messerstiche versetzt haben. Der Notarzt konnte Jürgen W. nicht mehr helfen. Für den Inhaber einer Konzertagentur und ehemaligen Vorsitzenden des Fördervereins des Hamburger Haydn-Orchesters kam die von Maike S. gerufene Hilfe zu spät. Bei der Durchsuchung der Wohnung von Fritz H.-B. fanden die Ermittler einen Ordner mit Papieren zu der Frage: „Wie werde ich unliebsame Mieter los?“

Maike S. konnte nach der furchtbaren Tat ihre Wohnung nicht mehr betreten. „Noch vor der Tür klappten mir die Beine weg“, sagte sie vor Gericht. Sie musste sich eine neue Wohnung suchen, wurde für mehrere Wochen krankgeschrieben und versuchte, mit einer Therapie die Angstzustände zu bewältigen. Der Angeklagte hat sich vor Gericht nicht zu der Tat geäußert. Ein Urteil wird vermutlich am 18. September gefällt werden.