Eine Glosse von Alexander Schuller

Seitdem das Fahrrad sich zumindest in Großstädten anschickt, das Auto in der Kategorie „beliebtestes Verkehrsmittel“ zu überholen, geht die Zahl der Kfz-Diebstähle zurück. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht ist, dass der Fahrradklau überproportional steigt. Mein guter Bekannter Paul – Sie wissen schon – spricht diesbezüglich mittlerweile von „Volkssport“. Angehende Fahrraddiebe können sich schließlich schon lange kostenlos im Internet darüber informieren, wie man Fahrradschlösser auf elegante Weise knackt. Unsere lustige Runde – der „Hammer Rat der Weisen“ – konnte seiner Ansicht nicht einmal widersprechen, denn Paul hält in unserem Quartier vermutlich einen einsamen Rekord: In den vergangenen zwölf Monaten wurden ihm bereits vier Fahrräder gestohlen, die er selbstverständlich sorgfältig abgeschlossen hatte; das vierte Rad sogar zweimal. Für die beiden Kettenschlösser der Stärke zehn hatte er sogar extra eine Satteltasche gekauft. Trotzdem führen die Hausratsversicherungen den Pechvogel auf ihren schwarzen Listen.

Als der Rat neulich wieder tagte, erzählte Paul beiläufig, dass er sich wieder ein Fahrrad gekauft habe. Allerdings ein uraltes, gebrauchtes, denn das unknackbare Schloss, das er sich bei einem Spezialversand in den USA bestellt hatte, sei teuer, leider „sehr sehr teuer“ gewesen. Wir sahen ihn zweifelnd an und gaben seiner Neuerwerbung nach stiller Übereinkunft eine Halbwertzeit von 14 Tagen. „Niemals!“, trompetete Paul und gab eine Runde auf seine Neuerwerbung aus.

Was soll ich sagen? Als sich der Rat gegen Mitternacht auflöste, stand Pauls Rad noch da. Jedenfalls das, was noch von ihm übrig war. Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass die erfolglosen Diebe aus Wut zwei Achten in die Felgen getreten hatten. Aber Paul lächelte beseelt in sich hinein. Denn das neue Schloss: Es hatte gehalten.