Das Abendblatt begleitet in einer Serie die beiden Klempner Juan Cuello und Isaac Bañuls. Vor zehn Monaten kamen sie nach Hamburg. Wie geht es ihnen im Job und privat? Ortstermine auf zwei Baustellen.

Der spanische Klempner Juan Cuello arbeitet jetzt seit fast zehn Monaten in Deutschland, aber eine Sache wird er nie verstehen: Warum ändern die Deutschen ständig ihre Baupläne?

Juan, 33, arbeitet auf einer Baustelle in Lokstedt, neue Wohnungen werden hier errichtet. Die Bauklempnerei Auf der Hart, bei der Juan angestellt ist, baut die Heizung, die Bäder, die Solaranlage auf dem Dach.

Schon bald sollen die Besitzer einziehen. Aber die Wohnungen sind noch nicht fertig. Das liegt auch an den geänderten Plänen. In der einen Wohnung hatten Juan und seine Kollegen das Badezimmer so gut wie fertig, als der Eigentümer ihnen mitteilte, dass er dort kein Bad mehr wünsche, sondern doch lieber ein Büro. Oder in einer anderen Wohnung: Der Besitzer wollte plötzlich nicht mehr zwei Waschbecken, sondern nur noch eins. Und bitteschön keine normale Dusche mit Schlauch und Brause, sondern eine Regendusche, wo das Wasser in dünnen Fäden von der Decke rieselt. In manchen Wohnungen änderten sich die Pläne dreimal. Juan schüttelt den Kopf. „Ein bisschen verrückt“, findet er das. „Kein Spaß“. So was gibt es in Spanien nicht.

Ende September 2013 hat sich Juan Cuello auf den Weg nach Hamburg gemacht. Weil der Klempner zu Hause, in der Region Valencia, arbeitslos war, wie so viele in seinem Alter. Hier in Hamburg gibt es Arbeit für ihn – bei der Bauklempnerei Auf der Hart. Er ist nicht der einzige Spanier im Betrieb: Firmenchef Frank Körbelin hat auch Isaac Bañuls eingestellt, der ebenfalls aus der Region Valencia stammt. Die beiden waren vorher noch nie in Deutschland.

Als Juan nach Deutschland kam, merkte er schnell, dass deutsche Klempner anders arbeiten als spanische. Zum Beispiel beim Rohrverlegen: In Spanien werden die Ziegelsteine aufgeschlitzt, die Leitungen werden eingelassen, danach werden die Steine wieder verputzt. In Deutschland werden vor die Steine Metallständer gebaut, die Leitungen kommen in den Zwischenraum, vor die Ständer kommen Rigipsplatten. Juan arbeitete anfangs auf einer Großbaustelle im Hafen, seit Januar arbeitet er jetzt in Lokstedt, zusammen mit drei Kollegen. Los geht es um 7 Uhr, Feierabend ist um 16.30 Uhr.

An diesem Tag arbeitet Juan mit Dominik Dumbeck zusammen. Dumbeck sagt, dass die Verständigung manchmal noch ein Problem sei. Die vielen Fachbegriffe auf dem Bau seien noch ein Problem für Juan. Und dann ertappt sich Dumbeck selbst noch häufig dabei, dass er viel zu schnell redet. Auf einer Baustelle mit viel Lärm eine Zumutung für Juan. Aber: Dumbeck arbeitet lieber mit Juan zusammen als mit alten Gesellen, die immer alles bestimmen wollen und nicht kooperativ seien. Und kooperativ, das sei Juan.

„Kannst du die Abwasserleitung anschließen?“, fragt Dominik Dumbeck. Die beiden stehen im Rohbau eines Badezimmers, sie haben ein Radio angeschlossen, Popmusik hallt durch den Raum. Juan nickt. „Eine Schelle braucht nicht dran. Die Kurzsäge liegt da hinten. Weißt du?“ Ja, sagt Juan. Dann nimmt er Maß, sägt das HT-Rohr zurecht, isoliert es mit blauem Band, bestreicht es mit Gleitmittel und steckt das Rohr auf der einen Seite in das Wasserbecken und auf der anderen Seite an das Abwasserrohr. Dumbeck schaut auf den Bauplan. Alles korrekt.

Der Chef der Klempner auf der Baustelle, Postengeselle Sascha Fuchs, sagt, dass Juan fachlich gut sei. Was er mache, mache er gut. Aber das Tempo! Nicht gut. Er brauche viel, viel, viel zu lange für die Arbeiten.

23 Kilometer entfernt, in einem Ahrensburger Industriegebiet, arbeitet Isaac Bañuls, 30, der zweite Spanier der Firma. In einer Lagerhalle soll eine Feuerlöschleitung verlegt werden. Sie sind zu dritt: Zwei Klempner bringen die Rohrstücke an der Wand an, der dritte schneidet die Rohre zu. Isaac ist erst seit wenigen Tagen auf dieser Baustelle, zuvor hat er ein Altenheim in Bramfeld mitgebaut. Bislang hat er in Deutschland nur Bäder gemacht, keine Löschleitungen. Er kennt die Arbeit aber aus Spanien. In Spanien, sagt Isaac, seien die Löschrohre drei Zoll dick, auf dieser Baustelle seien es nur zwei Zoll. In Spanien werden die Rohre durch Schraubverbindungen zusammengefügt, in Deutschland mit Klemmverbindungen.

Isaac steht auf einem Baugerüst, zusammen mit seinem Kollegen Hartmut Seeliger. Er soll ein 28 Zentimeter langes Anschlussstück an einem Victaulic-Winkel festschrauben. Nicht zu fest, mahnt Seeliger, er muss das Rohr noch drehen können, um es an der anderen Seite zu befestigen. Isaac schraubt, er will keine Fehler machen. Er vergisst, alle Schrauben noch mal nachzuziehen. Nicht so schlimm, sagt Seeliger. „Gut?“, fragt Isaac. „Das sehen wir beim Abdrücken“, antwortet Seeliger. Abdrücken heißt: Wenn die Leitung fertig ist, schießen die Klempner Luft hindurch, zur Kontrolle. Wenn Luft austritt, ist die Leitung nicht dicht. „Wir wissen ja, an welchen Stellen Isaac gearbeitet hat“, sagt Seeliger. Es soll ein Witz sein. Aber Isaac versteht ihn nicht.

Die Verständigung sei noch schwierig, sagt Seeliger. Er habe Isaac Werkzeug holen geschickt, der Spanier kam mit dem falschen zurück. Aber das wird schon, sagt Seeliger. „Willig ist er ja.“

Isaac sagt, dass er einen Crashkurs für deutsche Handwerks-Begriffe hatte, bevor er nach Deutschland kam. Was eine „Schelle“ und eine „Gewindemuffe“ ist, hat er schon mal gehört. Aber hier vergisst er es immer wieder.

Seine beiden deutschen Kollegen wollen essen gehen, eine Kantine ausprobieren. Isaac winkt ab. Er hat sein eigenes Essen dabei. Er muss sparen.

Isaac wirkt sehr gestresst, ist blass im Gesicht. Im April ist seine Frau Betsabe nach Hamburg gezogen, im August soll ihr gemeinsames Kind auf die Welt kommen. Sie ist ihm aus Liebe gefolgt und hat ihre Arbeit und ihre Familie in Spanien zurückgelassen. Ein großes Wagnis: Von ihrem Gehalt bezahlte Betsabe auch die Raten für das Haus ihrer Eltern. Seit Ausbruch der Krise haben viele Spanier ihre Häuser verloren.

Anfangs war Betsabe auch optimistisch, dass sie es hier schaffen. Sie will arbeiten, die Sprache lernen, es hier schaffen. Doch eine Hochschwangere darf nicht arbeiten. „Mutterschutz“ heißt das. Betsabe hat Langeweile, weil sie den ganzen Tag allein ist in der fremden neuen Stadt. Ihre Familie stand dem Deutschland-Projekt ohnehin skeptisch gegenüber, das macht die Sache nicht einfacher.

Vor zwei Wochen sind Isaac und Betsabe in eine Dreizimmerwohnung in Rahlstedt gezogen. Damit war die WG mit Juan in einer Wilhelmsburger Zweizimmerwohnung beendet. Die beiden Spanier können ohnehin nicht viel miteinander anfangen, das Ende der Zweck-Wohngemeinschaft war für beide eine Erlösung.

Eine Kollegin aus der Bauklempnerei hat Isaac und Betsabe die neue Wohnung besorgt. 66 Quadratmeter, Balkon, Bad mit Wanne, etwas mehr als 500 Euro warm, gut gelegen.

Freuen kann sich Isaac trotzdem nicht. Wegen dem Geld. 1200 Euro netto verdient er. Davon gehen die Miete und die HVV-Karte ab. Bis Oktober muss er auch noch Miete für die Wilhelmsburger Wohnung zahlen, eher kam er aus dem Mietvertrag nicht raus. Sein Chef Frank Körbelin hat die Rest-Miete vorgestreckt, er kann sie in Raten zurückzahlen. Die Kaution für die neue Wohnung hat ihn endgültig ruiniert, sagt Isaac. Im Wohnzimmer der neuen Wohnung stehen keine Möbel, das Paar kann sich auch keine Sachen für das Baby leisten. In düsteren Momenten denkt Betsabe darüber nach, nach der Geburt des Kindes wieder nach Spanien zu gehen. Weil sie dort Arbeit hat. Eine Katastrophe für Isaac, die Familie wäre getrennt, kurz nachdem sie überhaupt zur Familie geworden ist.

Sein Verdruss über die Hindernisse in Deutschland kommt hoch. Zum Beispiel die Sprache. „Geschlecht, der, die, das!“ schimpft Isaac, er kann sich das alles nicht merken. Und dann noch die verschiedenen Dialekte und Aussprachen. Warum ist „die Waschmaschine“ weiblich und „der Kühlschrank“ männlich? In Spanien ist „el sol“ männlich und „la luna“ weiblich – in Deutschland „die Sonne“ weiblich und „der Mond“ männlich. Was soll das?

Anfang des Jahres hat Isaac einen Sprachkurs angefangen, jeden Werktag bis auf Freitag sitzt er da bis 21.30 Uhr. Und das nach einem harten Arbeitstag auf der Baustelle. Es geht an die Substanz. Er steht ja schon um fünf Uhr auf, um zur Baustelle zu kommen. Die Vokabeln, die er lernen soll, vergisst er. Hausaufgaben schafft er manchmal nicht.

Wie anders ist doch die Situation von Juan. Er lebt jetzt allein in der Wilhelmsburger Wohnung, die Frank Körbelin, der deutsche Firmenchef, den beiden Spaniern im vergangenen Jahr besorgt hat. Juan sucht jetzt eine WG, möglichst zentral, ab Oktober. Besonders schön wäre eine Wohnung auf der Schanze, wo er am Wochenende häufig hingeht. Er glaubt aber nicht, dass er sich diese Lage leisten kann.

Derweil genießt er den Sommer. Die WM in Deutschland zu erleben, war schön, sagt er. Spanien war ja schon in der Vorrunde raus aus dem Turnier. Auf Facebook hat Juan auch Bilder hochgeladen, die ihn beim Feiern der deutschen Weltmeisterschaft zeigen. Mit vielen Freunden, die er hier kennengelernt hat. Es sind nicht nur Spanier, sondern auch Deutsche, und damit er sich noch besser mit ihnen unterhalten kann, macht Juan nach dem Ende seines VHS-Sprachkurses jetzt noch einen Sommerkurs, zweimal die Woche.

Im Juni hat ihn seine Freundin mal wieder besucht. Das letzte Mal war sie im Winter da, es war grau und kalt. Im Juni war so schönes Wetter wie in Spanien, sagt Juan. Sie haben ein Tretboot gemietet und sind damit auf dem Stadtparksee herumgeschippert. Und doch kann es sich seine Freundin nicht vorstellen, hierherzukommen. Sie hat in Spanien einen guten Job als Krankenschwester.

Es wird darauf hinauslaufen, dass Juan nach Spanien zurückgeht, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Aber dafür ist im Moment die Lage auf dem Arbeitsmarkt noch zu schlecht. Bis die Zeit zur Rückkehr in die Heimat gekommen ist, hat Juan eins beschlossen: Er will so viel Spaß wie möglich in Deutschland haben.

„Hamburgs neue Gastarbeiter“ ist eine Serie in loser Reihenfolge. Die ersten sieben Folgen sowie ein Video-Special stehen im Internet unter abendblatt.de/themen/gastarbeiter-hamburg