Zerstrittene Hagenbeck-Chefs lassen Gerichtstermin platzen. Außergerichtliche Einigung angekündigt. Dafür hat die Familie ein halbes Jahr Zeit

Hamburg. Die Verhandlung war vorbei, noch bevor sie begonnen hatte: Drei Minuten vor dem geplanten Berufungstermin im Saal 210 des Hanseatischen Oberlandesgerichts ließen die zerstrittenen Geschäftsführer des Tierparks Hagenbeck ausrichten, sie wollten sich außergerichtlich einigen. Claus Hagenbeck und sein Kontrahent Joachim Weinlig-Hagenbeck zogen es an diesem Freitag vor, nicht vor Gericht zu erscheinen. Offenbar wollen sie die Zukunft des weltbekannten Tierparks doch nicht einem Gericht überlassen, sondern das Heft des Handelns in die eigenen Hände nehmen.

Durch die Ankündigung, sich außergerichtlich einigen zu wollen, ruhe nun das Verfahren, sagte ein Gerichtssprecher. In der Regel hätten beide Parteien jetzt ein halbes Jahr Zeit, eine Lösung zu finden. Am wahrscheinlichsten ist, dass es personelle Veränderungen in der Geschäftsführung gibt. Aber ob es dazu kommt, ist ungewiss. Beide Seiten wollten sich auf Abendblatt-Anfrage nicht äußern. Aus der Pressestelle des Tierparks hieß es lediglich: „Wir können dazu nichts sagen.“

Ohnehin bestehen nur noch wenige Möglichkeiten, den Streit beizulegen. Unwahrscheinlich ist, dass sich beide Geschäftsführer wieder zusammenraufen, denn dafür scheint das Verhältnis zu nachhaltig gestört. Auch eine Variante mit zwei neuen Geschäftsführern dürfte ausscheiden, denn das wäre ein beispielloser Vorgang in der mehr als 100-jährigen Geschichte des Tierparks. Erstmals würden Menschen die Geschicke des Zoos leiten, die nicht aus der Familie stammen.

Logisch wäre deshalb, dass der kaufmännische Direktor Joachim Weinlig-Hagenbeck seinen bereits im Jahr 2013 angebotenen Rücktritt nun umsetzt und den Chefsessel zugunsten seiner Tochter Friederike räumt. Die 25-Jährige hatte im Juli 2013 als Trainee im Unternehmen begonnen und sollte eigentlich behutsam an die Geschäftsführung herangeführt werden. Womöglich beschleunigt der richterliche Druck nun ihren Werdegang. Anwälte und Tierpark-Chefs wollten diese Variante nicht bestätigen. Ein Dementi gab es aber auch nicht.

Den nun eingeschlagenen Weg der außergerichtlichen Einigung hatte das Hamburger Landgericht den beiden gleichberechtigten Geschäftsführern in diesem bizarren Streit schon vor einem Jahr nahegelegt. Damals wurden beide Tierpark-Chefs von Richter Karsten Nevermann ihrer Posten enthoben. Nur wegen der dagegen eingelegten Berufung, die an diesem Freitag verhandelt werden sollte, blieben beide im Geschäft. Seinerzeit urteilte Richter Nevermann, dass das Verhältnis der beiden Tierpark-Chefs so zerrüttet sei, „dass an eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr zu denken ist“. Er berief sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach ein Zerwürfnis als Grund zur Abberufung ausreichend sei.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Streit um die Führung des Zoos allerdings schon lange geschwelt. Da bei Hagenbeck traditionell eine Doppelspitze das Unternehmen leitet, wurde aus dem Stamm der Familie Claus Hagenbeck und dem Stamm von Caroline Hagenbeck je ein Geschäftsführer entsandt. Bis zum März 2012 waren dies der Biologe Stephan Hering-Hagenbeck und der Kaufmann Joachim Weinlig-Hagenbeck. Doch nach einer öffentlichen Auseinandersetzung, wie mit einer offenen Rechnung der Stadt in Höhe von zwei Millionen Euro umzugehen ist, schmiss Hering-Hagenbeck hin. Folge: Sein Schwiegervater Claus Hagenbeck kehrte nach acht Jahren Pause an die Spitze zurück. Hering-Hagenbeck übernahm die Position des Zoologischen Leiters, inzwischen ist er laut Tierpark nicht mehr im Unternehmen.

Nach seiner Rückkehr im Jahr 2012 warf dagegen Seniorchef Claus Hagenbeck seinem Kontrahenten Joachim Weinlig-Hagenbeck – er ist sein angeheirateter Neffe – „unhanseatisches“ und „nicht Hagenbeck-gemäßes“ Verhalten vor. Die Zwei-Millionen-Euro-Forderung der Stadt war für Joachim Weinlig-Hagenbeck ein abgehaktes Kapitel, „weil die Forderung aus unserer Sicht nicht mehr besteht“, während sie für Claus Hagenbeck eine Verpflichtung war, der er als hanseatischer Kaufmann nachkommen will. Dieser Streit war der Auslöser, tatsächlich hatten zuvor einige Unstimmigkeiten das Verhältnis der Tierparkchefs nachhaltig beschädigt.

Beispielsweise hatte der Richter im Verfahren vor dem Landgericht den von Claus Hagenbeck gewählten Weg, seinen gleichberechtigten Partner über die Presse mit Vorwürfen zu konfrontieren, kritisiert. Gleichzeitig hielt er Weinlig-Hagenbeck vor, der Gegenseite wichtige Informationen vorenthalten zu haben.

Im Tierpark selbst sorgt dieser Zwist für Lähmung. Die verunsicherte Belegschaft erhält zum Teil widersprüchliche Anweisungen. Sichtbares Zeichen der erreichten Eskalationsstufe war zuletzt, dass die zerstrittene Spitze die derzeit größte Attraktion des Tierparks – das erste in einem deutschen Zoo geborene Walrossbaby – getrennt voneinander in Augenschein nahm. Erst Claus Hagenbeck, danach sein Geschäftspartner.