Zoll stellt Unterlagen von Kunden eines Privatinstituts auf den Cayman Islands in einem Container im Hafen sicher

Hamburg. Der Zoll hat bei der Routineüberprüfung eines Frachtcontainers im Hamburger Hafen eine Bombe entdeckt. Dabei handelt es sich nicht um eine Bombe im herkömmlichen Sinne, doch könnte der Inhalt der in dem Container gefundenen 1000 Kartons eine gewaltige Sprengkraft entfalten – und deutschen Steuersündern, ähnlich wie nach dem Ankauf der berühmten Steuer-CD durch die Behörden in den vergangenen Jahren, schlaflose Nächte bereiten.

Nach Berichten der „Welt am Sonntag“ und des „Focus“ enthielt der Behälter an Bord des griechischen Frachtschiffes „EM Corfu“ 14.000 Akten zu Konten von Kunden der Schweizer Privatbank Coutts auf den Cayman Islands, darunter auch Unterlagen der saudi-arabischen Familie des getöteten Terrorfürsten Osama Bin Laden.

Die Insel südlich von Kuba gilt als Steuerparadies und Geldversteck für Wohlhabende und Kriminelle aus aller Welt. Die Züricher Coutts-Bank, eine Tochterfirma der Royal Bank of Scotland, war vor zwei Jahren wegen ihrer Geschäfte in mehreren Steuerparadiesen von der britischen Finanzaufsicht FSA scharf kritisiert worden.

Die Steuerfahndung und die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf haben die Ermittlungen übernommen. Ein Großteil der Akten soll bereits zur Auswertung nach Nordrhein-Westfalen gebracht worden sein. Ob die Ermittler Hinweisen auf Steuerbetrug oder den Verdacht auf Geldwäsche nachgehen, ist unklar – die Behörden sagen nichts zu dem Fall. Lediglich das Bundesfinanzministerium spricht laut „Welt am Sonntag“ von einem Vorgang, der im Zusammenhang mit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stehe, „das durch die Dienststellen der Steuerfahndung des Landes NRW im Auftrag der Staatsanwaltschaft Düsseldorf geführt wird.

Für die Steuerfahnder ist die Coutts-Bank nicht unbekannt: Bereits 2012 ermittelten sie nach dem Kauf einer Steuer-CD mit Daten von deutschen Kunden Schweizer Banken gegen Coutts. Angeblich hatte Nordrhein-Westfalen die CD für eine Million Euro gekauft. Sie enthielt Steuerdaten von mehr als 1000 deutschen Kunden des Instituts, allerdings nicht ihre Klarnamen. Zusätzlich erschwert wurde die Zuordnung der Konten, weil die Kunden das Modell „Zebra“ bevorzugten, eine Mischung aus legalen und schwarzen Konten. Auf den „weißen“ Konten sollen kleinere Beträge gelegen haben, die ordnungsgemäß versteuert worden waren. Auf den „schwarzen“ Konten befanden sich die großen Vermögen.

Offenbar waren die Zollbeamten durch Zufall auf das Konvolut gestoßen. Ende Mai hatten sich zwei Beamte in Zivil die Ladung der „EM Corfu“ genauer angesehen. Das Frachtschiff war aus Jamaika nach Hamburg gekommen. Und weil aus der Karibik öfter Drogen nach Europa gebracht werden, unter anderem Marihuana und Kokain, öffneten die Beamten einen der Container. Wenig später beschlagnahmten Ermittler aus Düsseldorf den mit 30 Paletten gefüllten Stahlbehälter.

Laut Bank sollten die Akten zu einem Datenzentrum gebracht werden

Warum sind derart brisante Akten per Schiff verschickt worden, das auch noch in Deutschland haltmacht? Laut „Focus“ sind die Papiere versehentlich aus dem karibischen Steuerparadies in Hamburg gelandet, das Blatt zitiert einen Finanzbeamten mit den Worten: „Normalerweise wandern solche Unterlagen in den Reißwolf.“ Die „Welt am Sonntag“ berichtet hingegen, die Coutts-Bank habe die Daten ihrer Kunden in Europa sichern wollen, nachdem sie ihren Geschäftsbetrieb in der West Bay Road auf den Cayman Islands eingestellt hat. „Nach einer Neuordnung unserer Trust Company und des Verkaufs eines Teils der Bücher der Cayman Trust Company findet derzeit ein Umzug von Unterlagen von den Cayman Islands in unserer bestehendes Dateneinlagerungszentrum statt“, wird ein Banksprecher zitiert. Das Institut arbeite „konstruktiv und eng mit den Behörden zusammen, um eine Lösung zu finden und die Unterlagen wieder auf ihren Weg zu bringen“. Von Ermittlungen gegen die Trust Company des Unternehmens sei der Bank nichts bekannt.

Experten gehen davon aus, dass der Fund im Hafen eine ähnliche Wirkung haben könnte wie der Ankauf einer Steuer-CD. Sobald die Öffentlichkeit davon erfährt, gehen deutlich mehr Selbstanzeigen bei den Behörden ein. Grund: Die Steuersünder hoffen durch die Selbstanzeige, einer Strafe zu entgehen, diese Möglichkeit lässt das deutsche Steuerrecht prinzipiell zu. Für Wirbel hatten zuletzt die Selbstanzeigen von Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel, der Publizistin Alice Schwarzer und Ex-Bayern-Chef Uli Hoeneß gesorgt. In den vergangenen vier Jahren haben sich rund 60.000 Deutsche wegen Steuervergehen selbst angezeigt.