Nicht nur der Motorradgottesdienst, auch Schlagermove, Welt-Astra-Tag und Harley Days stören die Anrainer: „Der Rummel nimmt zu“

Neustadt. Mal knattern Zehntausende Motorräder wie beim Motorradgottesdienst, mal sind es dröhnende Hubschrauber, die über dem Hafenrand kreisen, mal Musik von Live-Bühnen und nächtlicher Partylärm vom Portugiesenviertel: Besonders im Sommer sind die Anwohner der Neustadt einer bedrohlichen Lärmkulisse ausgesetzt.

Ein Großereignis jagt das nächste: Gerade erst ist der „MoGo“ vorbei, schon steht am nächsten Sonnabend der Schlagermove bevor. Es folgen Harley Days, Welt-Astra-Tag, Cruise Days. Dazu kommt, besonders im Portugiesenviertel, die tägliche Lärmbelastung durch Junggesellenabschiede, Nachtschwärmer und Touristen. Marina Zimmermann wohnt seit 17 Jahren hier. „Seit fünf Jahren nimmt der Rummel im Viertel zu, mittlerweile ist es bei Großveranstaltungen unerträglich“, sagt die Schauspielerin. Ein „besonderer Horror“ sei das Portugiesenfest zu Pfingsten gewesen. „Uns war ein ruhiges Straßenfest mit unverstärkter portugiesischer Musik angekündigt worden. Tatsächlich aber wurde an beiden Tagen auf drei Bühnen Techno-, Ballermann- und Rockmusik in unerträglicher Lautstärke gespielt.“

Anwohnerbeschwerden seien von Polizei und Veranstalter „herablassend ignoriert“ worden. Erst Sonntagnacht um 2Uhr habe dann der Abbau begonnen. „In einer Weise, dass die ganze Nacht nicht an Schlaf zu denken war“, klagt die Schauspielerin. Das Fest hatte das Portugiesische Konsulat zunächst in Eigenregie geplant, dann aber an Veranstalter Uwe Bergmann übergeben. Es sei ein „unangemessenes Halligalli“ geworden, sagt auch Historikerin und Stadtführerin Wiebke Johannsen, die seit den 80er-Jahren im Viertel wohnt. „Mit den Musikanlagen hätte man ganz Wacken beschallen können.“

Die Lärmbelästigung durch Veranstaltungen habe sehr zugenommen. „Mir bleibt dann nur, das Viertel zu verlassen“, sagt sie. Auch Bettina und Alexander Beutel sind vor dem Portugiesenfest mit ihren Kindern in den Kleingarten der Familie geflohen. „Direkt vor unserem Haus war eine Karaoke-Bühne aufgebaut“, sagen die Psychotherapeutin und der Bühnenbildner, die seit zwölf Jahren im Viertel leben. Besonders fürchten sie die Harley Days, an denen die Motorradfahrer invasionsweise in die engen Straßen einfallen. „Ständig reißen sie ihre Motoren auf und stören uns Anwohner so mit voller Absicht“, sagt Alexander Beutel.

Oder sie knattern mit ohrenbetäubendem Lärm zwischen Großmarkt und Spielbudenplatz, den offiziellen Veranstaltungsorten, hin und her. Besonders betroffen ist dann die Ludwig-Erhard-Straße. Event-Veranstalter Bergmann, der in Hamburg neben dem Harley-Treffen unter anderem auch für Cruise Days, Alstervergüngen, Ducksteinfest und Fanfest verantwortlich ist, kennt das Problem. „Wir wollen die Harley Days verträglicher machen“, sagt Bergmann. Schilder an den Autobahnabfahrten sollen die Fahrer bitten, nicht in die Quartiere zu fahren und auf Lärmmessungen hinweisen. Ein Überschreiten der Lärmgrenze sei aber manchmal unausweichlich, andernfalls könne es keine Straßenfeste mehr geben. Immerhin seien die Veranstaltungen auch ein „messbarer Teil“ des für Hamburg bedeutenden Tourismus', sagt Bergmann. Anwohnerin Ricarda Herbrand spricht von einem „Ausverkauf des Viertels“ durch die Hamburg Marketing GmbH. „Sie machen unser Quartier durch immer mehr Events zur Touristenattraktion“, sagt die PR-Beraterin. „Auf die Anwohner wird dabei gepfiffen.“ Tatsächlich kümmert sich seit 2009 ein „Event-Ausschuss“ unter Federführung der Hamburg Marketing GmbH um die Vermarktung nachgefragter Flächen.

Heike Sudmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linkspartei, will nachbohren. „Alle Umfragen bestätigen, dass sich die Menschen immer stärker durch Lärm belästigt, gestört und sogar in ihrer Gesundheit beeinträchtigt fühlen“, sagt sie. „Dies wird aber immer häufiger als notwendige Begleiterscheinung abgetan, die wirtschaftlichen Interessen überwiegen.“ Über Beschwerden der Anwohner wird nicht Buch geführt, dabei ist Lärm seit Jahren Thema in der Stadtteilkonferenz. „Dokumentiert werden unsere Anrufe angeblich nur, wenn wir 110 wählen“, sagt Manfred Giovanett, der nahe den Landungsbrücken wohnt. Kommt der Lärm von Schiffen, laufen die Beschwerden bei der Polizei ins Leere. Dafür ist sie ebenso wenig zuständig wie für Lärm aus der Luft – das Knattern der Helikopter, mit denen Kamerateams und Polizei unterwegs sind.