Bundesverwaltungsgericht schickt umfangreichen Fragenkatalog an Prozessteilnehmer

Hamburg/Leipzig. Gefährdete Vögel und Pflanzen könnten möglicherweise die geplante Elbvertiefung zu Fall bringen. Diesen Eindruck kann man zumindest gewinnen, wenn man den umfangreichen Fragenkatalog liest, den das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nun an Prozessbeteiligte im Vorfeld des Verfahrens Mitte Juli geschickt hat und der dem Abendblatt vorliegt. Dabei geht es unter anderem um den afro-sibirischen Knutt, einen Schnepfenvogel, der sich von Muscheln und Wattschnecken ernährt. Er macht auf seinem Frühjahrszug von der Westküste Südafrikas zu seinen Nistplätzen in der sibirischen Tundra im Dithmarscher Watt Rast. Das Gericht will klären, welche Auswirkungen die Elbvertiefung auf die Vögel hat. Denn Umweltschützer befürchten, dass sich durch das Ausbaggern der Fahrrinne Ebbe und Flut so verändern, dass es zu längeren Überflutungen im Watt kommen könnte. Ebenso soll geklärt werden, ob die Elbvertiefung die in Ufernähe nistenden Brutvögel bedroht.

„Es reicht ja ein großes Schiff, das mit einer Riesenwelle das Gelege der Brutvögel wegspült“, sagt Alexander Porschke, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Hamburg, dem Abendblatt. „Der Fragenkatalog ist ein Anzeichen dafür, dass sich das Gericht ernsthaft mit unseren Vorwürfen befasst“, so Porschke.

Der Geschäftsführer des ebenfalls klagenden Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Manfred Braasch, ergänzt, dass es sich bei den Pflanzen und Tieren zum Teil um höchst seltene Arten handele, die nach europäischen Gesetzen unter Schutz gestellt sind. „Das Gericht muss klären, ob die Planung der Verwaltung gegen geltendes Recht verstößt“, sagt Braasch. Der Fragenkomplex zeige, dass die Richter die kritischen Punkte der Umweltverbände aufgenommen haben.

Das Schreiben umfasst 76 Fragen, und nach Abendblatt-Informationen sollen selbst die Planer der Elbvertiefung von dem Detailinteresse der Richter überrascht worden sein. Der 7. Senat des Bundesgerichts erwartet nun, dass die Stadt und der Bund als Beklagte zur Kritik der Umweltverbände Stellung nehmen – dies macht der Vorsitzende Richter in seinem Begleitschreiben deutlich.

Es geht den Richtern aber nicht nur um den afro-sibirischen Knutt. Sie fragen auch, seit wann der Holzhafen südlich der Billwerder Bucht von Löffelenten, Krickenten und Brandgänsen vermehrt als Rastplatz genutzt wird und ob dort wegen der Elbvertiefung eine Verschlickung droht. Des Weiteren erkundigen sich die Richter nach dem Wohl der Fische. So interessieren sie sich für die Laich- und Aufwuchsgebiete des Schnäpels oder ob die Trübung des Wassers die Finte (eine Heringsart) beeinträchtigen könnte. Mit Blick auf die Pflanzen will das Gericht zudem wissen, ob die Wiebelschmiele (ein Sumpfgras) Schaden nehmen kann.

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) zeigte sich unbeeindruckt: „Die Zusendung detaillierter Fragen entspricht dem üblichen juristischen Verfahren in so einer Sache.“ Darauf sei man bestmöglich vorbereitet. Er halte es für verfehlt, die Inhalte der Verhandlung vorher öffentlich zu diskutieren.