Berufsverband: „Nur so können wir das vorgegebene Schutzziel zu 85 Prozent erreichen.“ Scharfe Kritik am Sparkurs der Innenbehörde. Nachwuchssorgen nehmen zu

Hamburg. Die Hamburger Feuerwehr setzt Praktikanten wie voll ausgebildete Beamte ein und hat ihre Fortbildung halbiert. Das sagte Daniel Dahlke, Vorsitzender des Hamburger Berufsverbands Feuerwehr, dem Abendblatt. Nur so sei das Schutzziel zu erreichen, wonach die Feuerwehr bei einem Wohnungsbrand mit Personenrettung im Mehrfamilienhaus innerhalb von acht Minuten mit zehn Kräften vor Ort sein solle. „Dieses Ziel erreichen wir derzeit zu 85 Prozent“, sagt Dahlke.

Die Hamburger Feuerwehr ärgert sich über Investitionsstaus, Geldmangel und ihren Chef, Innensenator MichaelNeumann (SPD). Ein „klärendes Gespräch“ des Berufsverbands Feuerwehr mit dem Dienstherrn der Hamburger Wehren brachte aus Sicht der Arbeitnehmervertreter kaum greifbare Ergebnisse. Sie beklagen eine seit 15 Jahren chronische Unterfinanzierung und beziffern den jährlichen Mehrbedarf auf derzeit 13,7 Millionen Euro für Personal, 15,5 Millionen Euro für den Ersatz veralteter Fahrzeuge, Geräte und Rettungsdienstkleidung sowie 10,4 Millionen Euro für den seit Jahren geplanten, aber nie begonnenen Neubau der Wache Finkenwerder.

„Der Senator hat uns in einigen Punkten Hoffnungen gemacht, aber letztlich nichts zugesagt“, sagt Daniel Dahlke, Vorsitzender des Hamburger Berufsverbands Feuerwehr. „Die Feuerwehr wird kaputtgespart.“ Auch die versprochenen neuen Löschboote (Kosten: 20 bis 30 Millionen Euro) seien noch nicht im Haushalt eingeplant. Das ruinöse Muster sei immer dasselbe: Um den laufenden Betrieb irgendwie aufrechtzuerhalten, werde Geld, das im Haushalt für Investitionen eingestellt sei, umgewidmet.

So seien 4,2 Millionen Euro Rückstellungen für den Neubau der Wache Finkenwerder zur Finanzierung der Ausbildungsoffensive „verfrühstückt“ worden, statt mehr Personalmittel für die Ausbildung einzuwerben und bereitzustellen. Etwa 70 voll ausgebildete Feuerwehrleute würden im Einsatzdienst geführt, könnten aber aus gesundheitlichen Gründen gar keine Einsätze mehr fahren. „Diese Kollegen arbeiten woanders und sind für uns unverzichtbar“, sagt Dahlke. „Aber ihre Arbeitsplätze tauchen in keinem Stellenplan auf, und die Löcher, die sie im Einsatzdienst reißen, müssen wir mit neuen Leuten stopfen, die wir aus ganz anderen Etats bezahlen.“

Die Innenbehörde weist das zurück. Der Neubau der Wache sei auf Wunsch der Feuerwehr verschoben worden, weil sie auf ein besser gelegenes Grundstück hoffe. Die Finanzierung aber sei gesondert in den Haushaltsberatungen zu klären, sagte Swantje Glismann vom Büro des Senators. Gleiches gelte für die Löschboote. Da der Etat-Entwurf für 2015/2016 jedoch noch nicht vorliege, könnten dort naturgemäß auch keine Kosten hinterlegt sein. Offen ließ Glismann, warum die fraglichen Buchungsposten insbesondere im Bereich des Personals auch in den vergangenen Jahren nicht im Etat auftauchten. Glismann sprach von nur 40 Beamten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Einsatzdienst arbeiteten und in ihren neuen Funktionen unverzichtbar seien. Warum diese Funktionen aber nicht im Stellenplan stehen, ließ er offen. Laut Glismann ist die Feuerwehr dennoch „privilegiert, weil der Einsatzdienst der Feuerwehr wie der Vollzugsbereich der Polizei komplett von Personaleinsparungen ausgenommen ist“.

Das sieht der Berufsverband anders. Tarifverstärkungsmittel, die in früheren Jahren Gehaltserhöhungen im Etat auffingen, werden nur noch eingeschränkt gezahlt. Die dringend nötige und gut gestartete Ausbildungsoffensive droht mittlerweile zu verpuffen.

„Uns laufen zu viele gestandene Leute weg“, sagt Dahlke. „Sie sind unzufrieden mit den Perspektiven hier.“ 2010 gingen 15 Kollegen, drei Jahre später schon 22. Im laufenden Jahr haben sich bereits 16 Feuerwehrleute aus Hamburg versetzen lassen. Zudem gehen jährlich etwa 50 Feuerwehrleute in Pension. 2020 sind es schon 100, von 2021 an werden es jährlich 120 Kollegen sein. „Deshalb müssen wir jetzt ausbilden“, sagt Dahlke, „aber wir müssen die Leute eben auch halten.“