Politik

Fabio De Masi: „Ich will die EU in Brüssel aufmischen“

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Franziska Coesfeld

Der 34-jährige Fabio De Masi ist der neue Mann der Hamburger Linken im Europaparlament. Am Dienstag geht sein neuer Job in Brüssel los. Seine Wohnung in Ottensen wird der Deutsch-Italiener jedoch behalten.

Hamburg. Ein Mann im Café am Schulterblatt erkennt ihn sofort. Mit ausgestreckten Armen läuft er Fabio De Masi entgegen. „Darf ich meinen neuen Abgeordneten begrüßen?“, fragt er und schließt ihn kumpelhaft in die Arme. Ein alter Freund, wie sich später herausstellt. Die anderen Gäste an den Tischen können mit dem Gesicht von De Masi hingegen nichts anfangen. Selbst eingefleischten Politikbeobachtern ist der Name des 34-Jährigen bislang kein Begriff. Dass De Masi ab Dienstag für die Hamburger Linken im Europaparlament seine Arbeit aufnimmt, muss sich eben noch rumsprechen. Vielleicht liegt das auch daran, dass er im Wahlkampf mit rund 70 Terminen überwiegend in Nordrhein-Westfalen (NRW) unterwegs war – denn auch für NRW geht das italienische Nordlicht nach Brüssel.

„Ich habe bei der Europawahl als Freelancer kandidiert und wollte mich dort einbringen, wo es notwendig ist“, sagt der Linken-Politiker. Zudem wollte er Sabine Wills, seiner Vorgängerin in Hamburg, nicht in die Quere kommen. „Als sie nicht als Kandidatin gewählt worden war, sah ich es als meine Pflicht, mich für Hamburg einzusetzen.“ Jetzt wird er Wills’ Büro an der Buceriusstraße übernehmen. „Und meine Wohnung in Ottensen behalte ich natürlich“, sagt der Vater eines vierjährigen Sohnes. Denn in Hamburg will er seinen Lebensmittelpunkt haben. Nach Brüssel und NRW wird gependelt.

Auch wenn Fabio De Masi vielen Hamburgern nichts sagt, neu ist er nicht in der Stadt. Bereits 2001 kam er von Darmstadt (Hessen) nach Hamburg, um Volkswirtschaftslehre zu studieren. Seine Ausbildung absolvierte er zeitweise auch in Kapstadt, wo er Internationale Beziehungen studierte – dennoch zog es ihn immer wieder an die Elbe. „2005 erhielt ich eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, bei dem es um die Stelle des Vorstandsassistenten für den damaligen Vorstandschef der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, ging“, erinnert sich De Masi und grinst. Doch er entschied sich dagegen, für den Mann zu arbeiten, der sich seit knapp einem Jahr wegen schwerer Untreue und Bilanzfälschung vor Gericht verantworten muss.

Stattdessen nahm De Masi die Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag an. Zuletzt war Sahra Wagenknecht, die Vizevorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, seine Chefin. Auch deshalb wird er dem linken Flügel der Partei zugeordnet. „Sie war die erste Frau, für die ich gearbeitet habe“, sagt De Masi. Freundlich sei Frau Wagenknecht, zurückhaltend, aber sehr verbindlich. „Und sie kann auch lustig sein.“ Dass er großen Respekt vor der Spitzenpolitikerin hat, muss er dabei nicht extra betonen. Dass er Wagenknecht einiges zu verdanken hat, ist ihm bewusst. Immerhin hatte De Masi im Wahlkampf mit seiner Chefin prominente Unterstützung. „Dabei war keineswegs klar, dass ich gewählt werde.“

„Irgendwann juckt es einen in den Fingern“

Der 34-Jährige freut sich, im Europaparlament nun in der ersten Reihe mitmischen zu können. Wenn man Politik jahrelang aus der zweiten Reihe betreibt, „juckt es einen irgendwann in den Fingern“, sagt der Mann mit den Schwerpunkten Wirtschafts- und Währungspolitik. „Ich habe das Bedürfnis, den Laden aufzumischen.“ Und das Profil der Linken will er schärfen.

Hohe Ziele hat er sich auch für Hamburg gesteckt. Er will sich für die Hafenarbeiter engagieren und gegen den Ausverkauf des Hamburger Hafens durch ein neues Port Package der EU-Kommission streiten. „Schließlich ist der Hafen eine Perle Hamburgs und gehört in öffentliche Hand“, sagt De Masi und klingt dabei sehr bestimmt. Auch das Freihandelsabkommen mit den USA will er abwenden, das auch den Rückkauf der Hamburger Energienetze bedrohe, und dafür kämpfen, dass „die Steuerzahler nicht mehr für Wettbuden haften wie bei der HSH Nordbank“. Große Ziele also, die der Linken-Politiker anpacken will. Genügend Ehrgeiz und Enthusiasmus sind zumindest schon mal vorhanden.

Den Zoff um den Posten des EU-Kommissionspräsidenten sieht De Masi übrigens ganz pragmatisch: „Er muss drei Kriterien erfüllen: aus den Reihen der Spitzenkandidaten kommen, das Freihandelsabkommen mit den USA und Kürzungsmaßnahmen in Krisenländern ablehnen“, sagt er. „Unter diesen Bedingungen würde ich auch Jean-Claude Juncker wählen.“ Sein Favorit ist jedoch der griechische Politiker und Vizepräsident der Europäischen Linken Alexis Tsipras.

Wirklich geplant hatte Fabio De Masi den Sprung ins Europaparlament nicht. „Haus, Kind, Garten, Blockflötenunterricht waren allerdings auch nie meine Ziele. Ich will rumkommen auf der Welt“, sagt der Mann mit dem Dreitagebart. Das EU-Parlament sehe er als eine weitere Station. Als Deutschitaliener, der in beiden Ländern aufgewachsen ist und beide Staatsbürgerschaften besitzt, fühle er sich durchaus als Europäer. Andererseits sind ihm solche Begrifflichkeiten nicht so wichtig. „Heimat ist für mich da, wo ich soziale Beziehungen habe.“

Die hat er auch noch in dem kleinen italienischen Dorf Sanza, wo er teilweise seine Kindheit verbracht hat. Knapp 3000 Einwohner leben in der Gemeinde südlich von Neapel. „Nach der Wahl habe ich vom halben Dorf Glückwunschkarten erhalten“, sagt De Masi. Im August wird er Urlaub in Italien machen und Sanza besuchen. In Ruhe im Café sitzen wie Schanzenviertel wird er dort jedoch nicht können. Denn in seinem Heimatdorf kennen fast alle sein Gesicht und seinen Namen.

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