Ob G8 oder G9, eine private oder eine staatliche Schule, Ganztagsschule ja oder nein, Nachhilfe oder nicht – beim Thema Bildung hat fast jeder Hamburger eine eigene Meinung. Gemeinsam ist wohl allen, dass sie eigentlich nur das Beste für den eigenen Nachwuchs wollen. Wie aber bewerten wir das Bildungsangebot unserer Stadt hinsichtlich der Frage, ob das gegenwärtige Bildungssystem auch gut auf die Zukunft vorbereitet? In einem Zeugnis würde wohl ein „befriedigend“ stehen.

Bildungsferne Schichten sind besonders skeptisch und kritisch

Immerhin ist mehr als jeder zweite Bürger der Auffassung, dass unser Bildungssystem gut auf die Zukunft vorbereitet. Damit zeigen sich die Hamburger optimistischer als der Rest der deutschen Bevölkerung. Innerhalb der Stadt äußern sich dabei knapp drei Viertel aller Familien mit Kindern recht zufrieden mit dem Bildungssystem, und auch die noch zur Schule gehenden Jugendlichen bewerten das Angebot überdurchschnittlich positiv. Dieser Meinung kann sich lediglich eine Minderheit der kinderlosen Mitbürger anschließen. Aber nicht nur innerhalb der Lebensphasen sind die Unterschiede groß. So gilt auch die Gleichung: Je höher das Einkommen oder die eigene Bildung, desto zufriedener sind die Befragten. Umgekehrt äußern die bildungsferneren Schichten die größte Skepsis.

Bemängelt wird beim Thema Bildung beispielsweise die fehlende Chancengerechtigkeit. Und in der Tat beeinflusst in kaum einem anderen Land der EU das Bildungsniveau der Eltern die Bildungskarriere der Schülerinnen und Schüler so stark wie hierzulande. Ähnlich ungerecht zeigt sich unser Bildungssystem gegenüber Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund. So bleiben auch in der Hansestadt zahlreiche junge Talente aufgrund fehlender Chancengerechtigkeit in der Schule unentdeckt oder werden vergeudet. Eine Tatsache, die wir uns zukünftig kaum werden leisten können, denn bereits gegenwärtig beklagen viele Firmen einen Fachkräftemangel und haben Schwierigkeiten, ihre Lehrstellen mit adäquaten Bewerbern zu besetzen. Aber auch die Bildungsinhalte, die Art der Bildungsvermittlung oder die Ausbildung der Lehrenden gehören auf den Prüfstand, da sich die Bedürfnisse von Schülern ebenso verändert haben wie die Lebens- und Arbeitssituationen von Familien, die Belastungen von Lehrern oder die Anforderungen der Wirtschaft.

Wie könnte nun ein Bildungssystem der Zukunft aussehen? Eine Bildung, die mehr sein will als zeitgeistliche Anpassungsqualifikation, muss das Verstehen von Zusammenhängen in den Mittelpunkt stellen. Dieses Verständnis würde zu einer Art „Denken auf Vorrat“ befähigen und könnte somit eine wesentliche Ressource für die Gestaltung unserer künftigen Lebensqualität sein. Dieses halte ich für umso wichtiger, da die Konzentration auf ein breites und umfassendes Fachwissen kaum mehr leistbar ist – schon gegenwärtig klagen Lehrer wie Schüler über die Fülle an Unterrichtsstoff und die Eltern über die Kosten für Nachhilfe (nach Berechnungen von Bildungsökonomen wird nirgendwo in Deutschland mehr Geld für Nachhilfe ausgegeben als in Hamburg – im Durchschnitt jährlich 131 € pro Schüler).

Schule muss Neugier und Kreativität vermitteln, nicht nur Fachwissen

Als besonders wichtige Schlüsselkompetenzen für zukünftige Lebensqualität und Wettbewerbsfähigkeit sehe ich – neben der Vermittlung von sozialen Kompetenzen – Kreativität und Innovationsfähigkeit. Die zukunftsträchtige Förderung von beiden Bereichen lebt von einer pädagogischen Grundhaltung: Respekt vor der Neugierde der Lernenden. Ein prominenter Zeuge für diese kreative Kraft der Neugier war Albert Einstein, der sich selbst einmal folgendermaßen einschätzte: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ Und erinnern wir uns an unsere Schulzeit zurück – waren es da nicht jene Lehrer, die uns maßgeblich geprägt haben, die uns für etwas begeistern konnten und neugierig machten, anstatt leidenschaftslos dem Lehrplan folgten?

Als Fazit ist festzuhalten: Hamburg ist das Tor zur Welt, aber unsere Kinder sind der Schlüssel. Sie sollen und müssen später einmal verantwortungsvoll und selbstständig ihren Platz in der Gesellschaft einnehmen. Eltern wie Lehrer tragen entscheidend dazu bei, dass sie hierfür die Befähigung erhalten. Eine Bildung der Zukunft muss es daher ermöglichen, dass alle Kinder entsprechend ihrer jeweiligen individuellen Begabungen und Fähigkeiten auf intellektueller und praktischer, ebenso wie auf emotionaler und sozialer Ebene gefördert werden.

An dieser Stelle schreibt jeden Montag Prof. Ulrich Reinhardt vom BAT-Institut für Zukunftsfragen