Zwei Menschen, die den gleichen Beruf haben, aber in unterschiedlichen Welten leben: Albert Darboven macht Kaffee-Geschäfte im großen, Jens Burg eher im kleinen Stil. Zwei Kaffee-Experten im Gespräch.

Eppendorf. Das Vorwort fällt aus. Kaum hat Albert Darboven das Kaffeemuseum betreten und „Moin!“ gerufen, schnuppert er hörbar und folgt schnurstracks seinem Geruchssinn. Ganz hinten im Laden steht Kollege Jens Burg an einer gewaltigen Röstmaschine Marke Probat und prüft die noch heißen Bohnen. 70 Kilo strömen in die Auffangschale. Der Duft stammt von einer Arabica-Mischung aus Guatemala, Kolumbien und Costa Rica. „Mit einem Hauch Brasilien“, ahnt Darboven.

Die Herren, beide jenseits der 70, sind begeistert. Sie greifen sich eine Handvoll frisch gerösteter Bohnen, betrachten sie sinnlich, lassen sie zwischen den Fingerspitzen wandern – fast so, als seien es Goldkörner. Ein bisschen sind sie es ja auch: Albert Darboven hat die Firma von seinem Vater Arthur Darboven übernommen und zu weiterer Blüte geführt. Auch Jens Burg stieg in den väterlichen Betrieb ein und machte ihn groß. Damit enden die geschäftlichen Gemeinsamkeiten der beiden.

Die Firmengruppe J. J. Darboven in Billbrook kauft und verkauft jährlich 30.000 Tonnen Bohnen. Weltweit 1300 Mitarbeiter, knapp 500 in Hamburg, schaffen rund 360 Millionen Euro Jahresumsatz. Auf dem deutschen Markt belegt das Unternehmen Platz fünf. Die Kaffeerösterei Burg betreibt einen Verkaufsladen am Eppendorfer Weg und ein Museum mit Shop in der Münsterstraße zwischen Eppendorf und Lokstedt. 18 Mitarbeiter erwirtschaften gut eine Million Euro Umsatz im Jahr. Etwa 100 Tonnen Bohnen, also etwa drei Promille der Darboven-Menge, werden binnen zwölf Monaten importiert, geröstet, teilweise gemischt und verkauft.

Der Kunde ist König, meinen sie übereinstimmend. Der eine verkauft im großen, der andere im kleineren Stil. Ein gesunder Geschäftssinn, Fachwissen, lebenslange Leidenschaft für ihre Ware und hanseatisches Geschäftsgebaren einen dennoch. So sollen die Hamburger Begegnungen sein: die Hand auszustrecken, den Blick über den Tellerrand zu richten, frei von Scheuklappen Neues zu erfahren. Typisch hamburgisch ist das. Einer wie der andere hat einen Namen in der Stadt. Und jeder seinen Stolz.

Die beiden Profis fachsimpeln. Zwar ist der Tisch weiter hinten im Museum liebevoll mit Blaubeertörtchen und Porzellangeschirr gedeckt, doch nehmen Hausherr Burg und Gast Darboven lieber auf gestapelten Säcken neben der Röstmaschine Platz. 60 Kilo Kaffee fassen Säcke aus Afrika und Brasilien, 70 Kilo die aus Mittelamerika, 90 Kilo jene aus Santo Domingo. Abzüglich Tara: Ein Kilo wiegt ein gewöhnlicher Sisalsack; die brasilianischen sind aus Jute und bringen es nur auf die Hälfte. Wobei bei Darboven im Gegensatz zu Burg kaum noch Säcke, sondern Container mit 23 Tonnen angeliefert werden.

Eine Mitarbeiterin reicht Tassen mit gerade gebrühtem Kaffee. Die Herren kosten bedächtig, schürzen zufrieden die Lippen. Schmeckt. Für Albert Darboven, von aller Welt Atti genannt, zählen die alltäglichen Einsätze im Musterzimmer seiner Firma zu den Höhepunkten des Berufslebens. Schlag 9.30Uhr probiert dort ein Team professioneller Kenner die Röstung des Vortags. Gekostet wird vom Löffel, 20-mal mindestens. Nach der Geschmacksprobe wird das Getränk ausgespuckt.

„Man kann ja nicht alles trinken“, meint Jens Burg. „Sonst wären Weintester ja jeden Tag dun.“ Folglich stehen auch in seinem Geschäft Spucknäpfe. Gehört dazu. Das Riechen ist viel wichtiger. „Ich lerne immer noch“, murmelt Darboven, „jeden Tag.“ Burg nickt. „Mein Kaffeekönig!“, sagt Burg zu seinem Gast. „Ich bin nur der Kronprinz“, entgegnet dieser. Attis Konter: „Ich kenne keinen Kaffeeröster, der sein Produkt so liebt wie Herr Burg.“

Der gute Geschmack gehört dazu – auch morgens zu Hause. Bei Albert Darboven in Rissen geht’s um 5.45 Uhr los: Filterkaffee in einer halb gefüllten Thermoskanne, aus einer ganz normalen Maschine mit Überlauferhitzer, zubereitet von der Haushälterin. Im Laufe des Tages trinkt er zwölf bis 14 Tassen, grundsätzlich schwarz, also ohne alles. Auch abends, „das beruhigt“.

Stimmt, sagt Burg, der spätestens um 7 Uhr im Laden ist. Erst die Rösterei („die Kür“), dann der Bürokram („die Pflicht“). Er startet mit seiner Frau ebenfalls mit Filterkaffee. Nach wie vor kommt der alte Melitta-Porzellanfilter zum Einsatz. Abends gönnen sich beide eine Spezialmischung: grüner Rohkaffee, mit einer Schlagmühle zerkleinert, nicht geröstet. Sechs Gramm pro Tasse, in 90 Grad heißem Wasser. Ein Ritual. Rezept aus Russland. „Kenne ich auch“, entgegnet Darboven. Aus dem Allgäu.

Beide empfehlen, das Kaffeepulver nicht in eine Dose umzufüllen. Bekommt es zu viel Sauerstoff, verliert es an Geschmack. „Am besten in den Kühlschrank stellen“, empfiehlt Darboven. „Aber nicht neben die Butter oder den Heringssalat.“ Übertreiben jedoch solle man es nicht. Keiner der beiden hat Probleme, Kaffee auch mal aus dem Pappbecher zu trinken. Alles eine Frage des Umfelds und der Stimmung.

Die Herren kommen in Hochform. Sie verstehen sich, sprechen eine Sprache. Man kennt sich. Und Darboven hat vor sechs Jahrzehnten gemeinsam mit Burgs Bruder Ralf, genannt Bürste, bei der Kaffeeimport-Firma Rothfos in der Speicherstadt das Geschäft von der Pike auf gelernt. Aber weiter im Text: Stichworte sind Burgs siegreiche Wette 1992 auf Darbovens Derbypferd Pik König, das Genussprodukt Kaffee „als flüssige Nahrungsaufnahme“, die anregende Wirkung des Koffeins, die aus beider Sicht unverschämt hohe Kaffeesteuer von 2,19 Euro pro Kilo. „Nach 20 Tagen zu zahlen“, murrt Darboven.

Damit sind wir bei den Preisen. „Im Supermarkt ist Kaffee zu billig“, sagt Jens Burg. Meist zwischen acht und zehn Euro je Kilo, das sei wirtschaftlich nicht gesund. Darboven nickt. Binnen eines Jahres habe sich der Weltmarktpreis fast verdoppelt. Ursache sind aus seiner Sicht neben niedrigen Zinsen „international operierende Zocker, die Jo-Jo spielen“. Im Juni erwarte er eine durchschnittliche Erhöhung des Ladenpreises um etwa zwei Euro je Kilo. Sein Gefühl: „Das ist nicht das Ende.“

„Kaffee hält jung“, wirft Burg ein – offensichtlich aus eigener Erfahrung. „Ich brenne für meinen Beruf“, ergänzt Darboven. Beide, der große und der kleinere Kaufmann, einigen sich auf ihr Motto: „Wir lieben unser Geschäft und die Kaffeebohnen.“ Diese Faszination des anregenden Aromas in der Nase sei Lebenselixier. Auch ganz persönlich.

Wie lange wollen die Herren noch im Job bleiben? Wann erhält der Nachwuchs eine Chance? Jens Burg erzählt von seinem 40-jährigen Sohn, der lange in der Firma arbeitete, nun jedoch eigene Wege gehen möchte. „Das ist das Problem dominierender Väter“, sagt er. „Kenne ich“, fügt Albert Darboven hinzu. Auch sein Sohn Arthur hat das väterliche Unternehmen verlassen und ist erfolgreich mit einer eigenen Rohkaffee-Agentur präsent. Nach ein bisschen Zoff sei man längst wieder „ein Herz und eine Seele“. Atti, der Senior, spüre in sich Feuer wie in jungen Jahren: „Da muss man mich schon waagerecht heraustragen.“ Die Zahlen stimmen ja.

Beide stehen ihren Mann. Trotz fortgeschrittener Zeit wird Kaffee nachgeschenkt. Döntjes machen die Runde. Darboven schildert, wie er früher im Freihafen Kaffeesäcke schleppte. Burg macht das heute noch: vom Lager auf dem Hof zur Röstmaschine. „Willst’ sehen, mien Jung?“, fragt er – und packt tatsächlich an. Gekonnt ist gekonnt.

Jetzt kommt auch Darboven in Schwung. Er greift sich ein 25-Kilo-Gewicht und hievt es spielerisch in die Höhe. „Fast wie Heiko Siependick“, ruft Jens Burg. Einer der letzten Quartiersleute des Hamburger Hafens, einst bei Tiede Adolf & Söhne im Einsatz, habe Säcke „mit einer Hand gehalten“. Eine Legende. Und 16 Stück habe er sauber gestapelt. Ohne Leiter. Alles eine Frage der Technik. Albert Darboven ist begeistert: Auch er kennt Heiko.

Es herrscht Einigkeit unter den beiden Unternehmern alter Schule: Kernige Typen sind die Würze des Lebens.