Die Schulbehörde und die Träger der Jugendhilfe wollen mit einem Fünf-Punkte-Programm die Qualität am Nachmittag verbessern

Hamburg. Der rasante Ausbau der Ganztagsangebote an den Grundschulen zählt zu den tiefgreifendsten Veränderungen der Schullandschaft der vergangenen Jahre. Einerseits ist die Reform eine Erfolgsgeschichte, weil sie auf die veränderten Lebens- und Erwerbsbedingungen von Familien und Alleinerziehenden in der Stadt reagiert. Andererseits bleibt der Ganztag ein Problemfeld. Immer wieder gibt es massive Klagen der Schulen, von Eltern und Verbänden über fehlendes Personal, fehlende Räume, Engpässe bei der Essensausgabe oder sogar chaotische Zustände wegen fehlender Kantinen. Mehrere Elternräte haben eine Online-Petition zur Verbesserung der Ganztagsbetreuung gestartet, die mehr als 6100 Unterstützer gefunden hat.

67 Prozent aller Grundschulkinder nutzen die Ganztagsangebote

Auch Schulsenator Ties Rabe (SPD) spricht von einem „extrem hohen Tempo“ bei der Umstellung der Grundschulen auf den Ganztagsbetrieb. Die nüchternen Zahlen: Allein in den Jahren 2011 bis 2013 – also in der Zeit der SPD-Alleinregierung – sind 150 der 203 staatlichen Grundschulen in den Ganztag gestartet. Bis 2011 betreuten und unterrichteten lediglich 50 Grundschulen ihre Schüler auch am Nachmittag. Obwohl der Ganztagsausbau ein Schwerpunkt des SPD-Senats ist, betont Rabe, dass die Umstellung der Wunsch der Schulen selbst war. Voraussetzung ist ein Antrag der Schulkonferenz und ein schlüssiges Konzept.

Die Teilnahmequoten belegen die hohe Akzeptanz: Knapp 37.000 Grundschüler – rund 67 Prozent – gehen auch nachmittags in die Schule. Das ist eine deutliche Steigerung gegenüber 2010, als es nur rund 23.000 Betreuungsplätze im Rahmen des damaligen Hortes sowie der „alten“ Ganztagsschulen gab.

Rabe sieht die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Reform als „Anfangsprobleme“ an und geht davon aus, dass die Beteiligten zunehmend „organisatorisch viele Dinge in den Griff bekommen“ haben. In einer zweiten Stufe des Umbaus zum Ganztag müsse es jetzt um die „Qualitätssteigerung“ der Angebote gehen.

Der größere Teil der Ganztags-Grundschulen – 125 Standorte – ist eine Kooperation mit einem freien Träger der Jugendhilfe eingegangen, der die Nachmittagsbetreuung organisiert. Dieses Konzept – Ganztägige Bildung und Betreuung an Schulen (GBS) – steht dem klassischen Ganztagsschulmodell (GTS) gegenüber, das von 75 Grundschulen in Eigenregie praktiziert wird. An diesen Standorten ist es möglich, den Unterricht in den Nachmittag hinein zu verlagern und zu rhythmisieren, indem auch vormittags längere Pausen eingebaut werden können.

Die Schulbehörde hat mit allen Grundschulen und den freien Trägern ein Fünf-Punkte-Programm vereinbart, das bislang weitgehend unbemerkt bereits angelaufen ist. Zunächst soll bis Ende Mai eine zentrale Datenbank aufgebaut werden, in die alle 200 Ganztagsstandorte ihre Angebote einstellen. Die Daten zu Art und Umfang der Kursangebote, Gruppengrößen, zu Personaleinsatz, Raumsituation und Lage rund um das Thema Kantine und Mittagessen sollen ausgewertet und verglichen werden. Bedeutsam ist, dass die freien Träger erstmalig in ein solches Verfahren eingewilligt haben, das eine vollständige „Matrix“ erst ermöglicht, wie Rabe es ausdrückt.

Auch beim zweiten Punkt lassen sich die Träger der Jugendhilfe auf eine Weise in die Karten schauen, die bislang eher nicht üblich war: Ein Team von Schulaufsichtsbeamten, Ganztagsschul-Experten der Schulbehörde sowie Vertretern der Trägerverbände besucht seit Februar und noch bis Juni alle 125 GBS-Standorte. Das Team inspiziert die Angebote an einem Nachmittag und wertet das Gesehene in Gesprächen mit der Schulleitung, Elternvertretern, der GBS-Leitung und einem Mitarbeiter des Trägers aus. Das Verfahren erinnert ein wenig an die regelmäßige Schulinspektion. „Diese Besuche sind aber kein bösartiger TÜV“, betont Rabe. Vielmehr gehe es um eine Bestandsaufnahme und die Reflexion über das eigene Handeln.

Ein Expertenteam soll übergreifende Qualitätsleitlinien erarbeiten

Dritter Schritt des Rabe-Plans ist die Erarbeitung gemeinsamer, übergreifender Qualitätsleitlinien für den Ganztag. Rabe geht es dabei etwa auch um die Frage, ob und wie angesichts der vielen, durchgetakteten Kursangebote Zeit zum Spielen oder zur Selbstbeschäftigung für die Kinder bleibt. Die Leitlinien soll eine Gruppe aus je zwei Elternvertretern, Mitarbeitern der Träger sowie der Behörde erarbeiten.

Bis zu den Sommerferien werden in allen acht Schulbezirken Symposien organisiert, zu denen alle vor Ort Beteiligten eingeladen werden. Hier geht es um einen Meinungsaustausch, eine erste Zwischenbilanz, Anregungen und Best-Practice-Beispiele. Zur Unterstützung des Programms zur Qualitätssteigerung erhalten die Trägerverbände fünftens für zwei Jahre eine Personalverstärkung im Umfang von 500.000 Euro.

„Ich bin froh, dass die Träger mitmachen“, sagt Rabe, der nicht ausschließt, dass die Stadt den Schulen perspektivisch mehr Geld zur Qualitätsverbesserung des Ganztags bereitstellt.