Rocker sollen Teile des Lösegelds gewaschen haben. Mutmaßlicher Erpresser in Haft

Mallorca. Beinahe 20 Jahre nach der Entführung des Hamburger Millionenerben Jan Philipp Reemtsma verfolgen Fahnder jetzt eine neue Spur zum immer noch verschwundenen Lösegeld. Nach monatelangen Ermittlungen sei in Aachen und auf Mallorca ein Geschwisterpaar festgenommen worden, sagte ein Sprecher der Aachener Staatsanwaltschaft am Sonntag.

Die Polizisten der spanischen Guardia Civil nannten ihre Aktion „Big Man“, das deutsche BKA taufte sie „Black Mail“. In deren Zuge nahmen spanische Fahnder auf Mallorca den Deutschen Horst R. fest. Der Vorwurf: Er soll sein Wissen über Geldwäsche im Zusammenhang mit den Millionen aus der Reemtsma-Entführung genutzt haben, um Rocker der Hells Angels zu erpressen. Es geht um das Charter „Westend“, in dem die Frankfurter „Höllenengel“ zusammengeschlossen sind.

Es waren wohl die guten Verbindungen in die Rotlicht- und kriminelle Szene, die R. die brisanten Informationen brachten. Teile des verschwundenen Rekordlösegelds von umgerechnet 15 Millionen Euro, das Angehörige für die Freilassung Reemtsmas gezahlt hatten, sollen im Frankfurter Rotlichtmilieu gewaschen worden sein. Die Staatsanwaltschaft Aachen glaubt, die Geldwäsche sei über die Rocker des berüchtigten Motorradclubs gelaufen. Dabei geht es nach Erkenntnissen der Ermittler des Polizeipräsidiums Süd-Hessen um mehrere Millionen. Als Horst R. davon erfuhr, soll er sein Wissen genutzt haben, um die Rocker zu erpressen. „Wir gehen von einer Zeitspanne von mehreren Monaten bis mehreren Jahren aus“, sagt Jost Schützeberg, Sprecher der Staatsanwaltschaft Aachen. Bis zuletzt sollen die Hells Angels laut Schützeberg für das Schweigen des 62-Jährigen gezahlt haben. Der Verdacht ist, dass der Mann „seinen Lebensunterhalt mit Erpressungen verdient“ habe. Und so wird ihm jetzt gewerbsmäßige Erpressung vorgeworfen.

Vor wenigen Tagen schlug die Guardia Civil im Beisein deutscher Beamter zu. Auf Mallorca vollstreckten die Polizisten sechs Durchsuchungsbeschlüsse. Dabei wurde R. in Palma de Mallorca festgenommen. Gegen ihn besteht ein internationaler Haftbefehl. In Aachen nahm die Polizei die Schwester des 62-Jährigen fest. Über die Rolle der Frau wollten Sicherheitsbehörden noch nichts sagen. Die Polizei hatte vor vier Monaten Kenntnis von der Erpressung bekommen. Durch ihre Ermittlungen gegen die Hells Angels soll sie R. auf die Spur gekommen sein. Jetzt hoffen die Fahnder, dass sie Horst R. bald selbst vernehmen können. „Wir haben einen Auslieferungsantrag gestellt“, sagt Staatsanwalt Schützeberg.

Jan Philipp Reemtsma wurde im März 1996 in Blankenese von Thomas Drach und dessen beiden Komplizen entführt. Nach viereinhalb Wochen in einem Kellerverlies in einem Haus bei Bremen kam der Erbe des Zigarettenkonzerns gegen ein Lösegeld von 15 Millionen Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken frei. Drach wurde 1998 in Buenos Aires aufgespürt und 2000 nach Hamburg ausgeliefert. Rund 13 Jahre saß er in Haft, bevor er im vergangenen Oktober freigelassen wurde.

Von dem 1996 gezahlten Lösegeld ist bislang nur ein Bruchteil wieder aufgetaucht. Drach lebt seit seiner Freilassung auf Ibiza. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft gibt es im aktuellen Ermittlungsverfahren keine direkten Verbindungen zu Drach.