Senat plant Linie U5 von Bramfeld über Hauptbahnhof nach Osdorf. Das Abendblatt beantwortet elf Fragen zu dem 3,8-Milliarden-Euro-Bau

Hamburg. Es soll das größte und teuerste Infrastrukturprojekt in Hamburg seit Jahrzehnten werden: die U5 von Bramfeld nach Osdorf. Die neue U-Bahn-Linie, deren Bau frühestens 2020 starten kann, steht noch ganz am Anfang der Planungen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie realistisch ist ein Baubeginn 2020?

Der Termin ist ziemlich optimistisch. Vor der Bürgerschaftswahl 2015 wird es keine wegweisenden Entscheidungen geben. Nahtlos weiter gehen die Planungen nur, wenn die SPD ihre absolute Mehrheit verteidigt. Denn alle Oppositionsparteien haben das Projekt kritisiert. Weitere Hürden sind die Ausschreibung und das Planfeststellungsverfahren. Beides ist hochkomplex, gegen beide Ergebnisse sind Klagen möglich, die wiederum das Projekt stark verzögern könnten.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Bis Ende dieses Jahres will die Hamburger Hochbahn eine Konzeptstudie vorlegen. Auf deren Basis kann über den Trassenverlauf entschieden werden. Nach der Wahl im Februar müsste die neue Bürgerschaft das Projekt grundsätzlich bejahen. Dann könnte die Hochbahn den Auftrag erhalten, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen. Darin würde es um Fragen wie Bodenbeschaffenheit, die Tiefe der Tunnel, den Standort der Haltestellen und die Übergänge zu anderen Linien gehen. Danach könnte das Planfeststellungsverfahren beginnen. Es ist denkbar, dass bereits parallel die Ausschreibung beginnt. Europaweit können sich Firmen um den Bauauftrag bemühen, der sicherlich in Teilabschnitten vergeben wird.

Die U5 soll komplett unterirdisch verlaufen. Gibt es dann keine Behinderungen durch Baustellen?

Doch, aber viel weniger als bei einem überirdischen Bau. Bei der U5 gäbe es eine große Einstiegsbaustelle, an der die Bohrung beginnt, und viele kleinere für Lüftungs- und Rettungsschächte sowie für den Bau der Haltestellen.

Wie läuft das Planfeststellungsverfahren?

Das ist ein Verwaltungsakt, er beginnt mit der Planerstellung durch den „Vorhabenträger“ – im Fall der U5 ist das die Hochbahn. In dem Plan wird jedes Detail des Vorhabens festgelegt, darunter Sicherheitsmaßnahmen, Brandschutz, Verkehrsführung, Gutachten zu Baugrund, Erschütterungen und Lärm, die Länge der Bauzeit, das Bauwerk an sich, die Flucht- und Rettungswege sowie die Ergebnisse der sogenannten Beweissicherung, bei der vor den Arbeiten die Schäden ermittelt werden, die bereits an den Gebäuden entlang der Baustelle bestehen. Die Planunterlagen sind einen Monat lang in den Bezirken, in denen sich das Vorhaben auswirkt, sowie in der Rechtsabteilung der Wirtschaftsbehörde für jedermann einsehbar. Die Bürger können dann Einwendungen erheben, auf die im Verfahren eingegangen werden muss.

Wie werden die Bürger beteiligt?

Über das Planfeststellungsverfahren, in dem auch die sogenannten Träger öffentlicher Belange – etwa Polizei und Energieversorger – sowie Naturschutzorganisationen ein Wort mitreden können. Die Behörde muss alle Einwände rechtzeitig prüfen und bewerten. Bei Erörterungsterminen werden die Stellungnahmen besprochen, vertieft und konkretisiert. Es ist aber wahrscheinlich, dass der Senat über das gesetzlich Vorgeschriebene hinaus auf die Bürger zugeht und etwa Infoveranstaltungen vor Ort organisiert.

Wer kann gegen einen Planfeststellungsbeschluss klagen?

Jeder betroffene Bürger, aber auch Umweltverbände können klagen. Dabei kann es nur um Einwände gehen, die im Verfahren geltend gemacht, aber nach Ansicht der Kläger nicht berücksichtigt wurden. Zuständig ist das Verwaltungsgericht.

Müssen Eigentümer zustimmen, wenn unter ihren Grundstücken gebaut wird?

Die Planer werden versuchen, so oft es geht unter öffentlichem Grund zu bauen. Private Eigentümer können sich, wenn der Planfeststellungsbeschluss rechtsgültig ist, gegen den Bau nicht wehren. Allerdings können sie Entschädigungen erhalten. Fachleute nennen das eine „Grundbuchverschmutzung“, für die dann gezahlt wird. Dabei ist der Einzelfall entscheidend, nicht jeder hat Ansprüche.

Wer garantiert für die Sicherheit, etwa dass es zu keinen Absackungen kommt?

Der Bauherr, hier also wahrscheinlich die Hochbahn. Sie wird wohl Gutachten über den Zustand der Gebäude in Auftrag geben, da sie die Beweislast dafür hat, dass Schäden am Gebäude nicht durch das Bauvorhaben entstanden sind. Ist kein Gutachten erstellt worden und weigert sich der Bauherr, kann der Betroffene selbst ein Gutachten in Auftrag geben.

Die Kosten der U5 sind bisher mit bis zu 3,8 Milliarden Euro angegeben. Wie realistisch ist diese Summe?

Nicht sehr, denn belastbare Zahlen kann es erst geben, wenn die genaue Trassenführung feststeht. Dann muss die Ausschreibung abgewartet werden. Und heute kann niemand sagen, wie sich die Preise bis zum Baubeginn entwickeln werden. Die genannte Summe ist nicht mehr als eine grobe Schätzung.

Wird es auch bei diesem Großprojekt extreme Kostensteigerungen geben?

Das hängt entscheidend davon ab, ob der Senat die Lehren aus früheren Großprojekten gezogen hat. Oft wurde der Preis zunächst bewusst tief angesetzt, um ein Vorhaben mehrheitsfähig zu machen. Doch selbst wenn man die Summe nach bestem Wissen und Gewissen ansetzt, kann es zu Steigerungen kommen. Die Baupreise könnten sich anders entwickeln als gedacht, auch die Inflation oder Bauverzögerungen als Folge von Klagen können die Kosten treiben. Beim letzten großen U-Bahn-Bau – der U4 vom Jungfernstieg in die HafenCity – sind die Kosten um fast 30Prozent gestiegen: von ursprünglich kalkulierten 255 Millionen auf 326,3 Millionen Euro. Und das war nur eine relativ kurze Strecke – die U5 hat wegen der Länge von mehr als 30 Kilometern eine ganz andere Dimension.

Die EU und der Bund sollen sich an den Kosten beteiligen: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Für den Bund ist der volkswirtschaftliche Nutzen entscheidend. Das Gesetz schreibt vor, dass der Nutzen über den Kosten liegen muss. Je deutlicher dies der Fall ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Co-Finanzierung. Der Kosten-Nutzen-Faktor muss in einem vorgeschriebenen Verfahren errechnet werden. Bei der U5 würde das die Hochbahn tun, das Bundesverkehrsministerium prüft dann die Bewilligung. Für die Verlängerung der U4 bis zu den Elbbrücken etwa liegt der Faktor bei 1,1 – laut Hochbahn ein guter Wert. Wenn ein Projekt gefördert wird, zahlt der Bund die Hälfte der „förderfähigen“ Kosten, für den Bau der U4 bekam Hamburg 138 Millionen Euro. Nicht förderfähig sind „Luxus“-Kosten, etwa die besonders aufwändige Gestaltung von Haltestellen. Auch die EU könnte den Bau fördern: über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Die Chancen sind aber nicht so groß. Seit dem Jahr 2000 sind aus diesem Fonds rund 10,6 Milliarden Euro für Nahverkehrsprojekte gezahlt worden – davon flossen nur 62 Millionen Euro nach Deutschland.