Kreisverkehr und Fahrbahnverengung: Pläne für die Liebermannstraße bringen Geschäftsleute und Anwohner auf die Barrikaden.

Othmarschen. Gutbürgerlicher Protest muss keinesfalls dezent verlaufen: Geharnischt opponieren Kaufleute und Anwohner im Bereich Liebermannstraße/Bernadottestraße gegen massive Baupläne des Bezirksamts Altona in ihrer Nachbarschaft. Vom 5. Mai an soll die Ampelkreuzung in einen Kreisverkehr umgewandelt werden, und die Fahrbahn der Liebermannstraße wird verengt. Bauzeit: rund ein halbes Jahr. Kosten: 670.000 Euro.

„Es ist ein Skandal“, bringt Wencke Pezold die allgemeine Empörung auf den Punkt. „Erneut müssen wir mit heftigen Umsatzeinbußen rechnen.“ Die Chefin der Bäckerei Hamdorf sagt: „Unsere Existenz ist langfristig gefährdet.“ Schon 2012 hätten monatelange Straßenarbeiten für Kundenabwanderung und finanzielle Einbrüche von 40 Prozent gesorgt.

Nachdem die Schließung der Volksbank direkt an der Kreuzung beschlossene Sache sei, gibt nun auch der Supermarkt Markant nebenan auf. „Unter diesen Umständen können wir wirtschaftlich nicht überleben“, sagt Inhaberin Gaby Wiechern. Nicht nur sie ist entnervt. Damit verliert das Quartier den letzten Supermarkt.

Auch andere Kaufleute sind im Brass. Sämtliche 18 Gewerbetreibende auf der Zeile wehren sich gegen die Behördenpläne – von der Tankstelle bis zum Einrichtungshaus, vom Kiosk bis zur Apotheke, vom kleinen Café bis zum alteingesessenem Gemüsehöker Matthies. Die einheitliche Empörung richtet sich nicht nur gegen die monatelangen Bauarbeiten, sondern auch gegen die Zustände danach und die Planung an sich. „Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt“, findet Kerstin Pilawa vom Keke Concept Store. „Warum werden Änderungen beschlossen, von denen letztlich keiner etwas hat?“ fragt Renate Dethlefsen von der Blumenbinderei.

Anwohner stimmen in den Protest ein. „Wieder einmal werden Steuergelder verschwendet“, schreibt Constanze Burkert an das Straßenbauamt Altona. Mit solchen „unsinnigen Maßnahmen“ entferne sich die öffentliche Verwaltung immer weiter vom Bürger. Auch Nachbar Veith Golinski, von Haus aus Musiker, wundert sich: „Der Verkehr läuft hier doch reibungslos wie sonst nur selten in Hamburg. In kostspieligen Umbauten kann ich wirklich keinen Sinn erkennen.“

Das Bezirksamt Altona sieht das anders. „Es fanden mehrere Abstimmungstermine mit den Gewerbetreibenden statt“, heißt es offiziell. Dabei sei das Vorhaben detailliert erläutert worden. Kernpunkte sind ein sogenannter „Minikreisverkehr“, die Umlegung einer Bushaltestelle, die teilweise Verlegung des Radweges auf die Fahrbahn sowie die Anpflanzung von fünf neuen Bäumen. Die Fahrbahnbreite von bis zu zehn Meter sei „völlig überdimensioniert“. Verkehrsbeobachtungen hätten zahlreiche Verstöße wie zu hohe Geschwindigkeit oder Überquerungen der Kreuzung bei Rotlicht ergeben.

Nach dem Zufallsprinzip befragte Anwohner und Passanten können diese Meinung nicht teilen. Tenor: Mehr als eine Ampelphase Wartezeit gibt es fast nie. Und warum werden ohne Not 670.000 Euro ausgegeben? Geschäftsmann Wolfgang Hamdorf, seit 1955 mit einem Milchladen und später einer Bäckerei an der Liebermannstraße präsent, kann sich nur an zwei Unfälle in den vergangenen Jahrzehnten erinnern: „Und da war die Ampel ausgeschaltet.“

Das allgemeine Kopfschütteln vor Ort hat weitere Gründe. „Die Bushaltestelle vor unserer Tür wird in eine andere Straße verlegt“, weiß Geschäftsfrau Wencke Pezold. „Dadurch verlieren wir Laufkundschaft.“ Auch werde der Lieferverkehr wegen der Straßenverengung künftig behindert – vom Ausbleiben kurz in zweiter Reihe parkenden „Schnelleinkäufern“ ganz zu schweigen. Die bevorstehende Schließung des Supermarktes sei ein Warnsignal: „Die Existenz weiterer Geschäfte ist bedroht.“ Nachbar Golinski teilt diese Befürchtung: „Ich mache mir Sorgen um eine besonders charmante und alteingesessene Ladenzeile.“

Dem widersprechen Politiker aus dem Bezirk. „Ein Kreisverkehr spart langfristig erhebliche Kosten der teuren Ampelanlage, führt zur Verflüssigung des Verkehrs und verhindert Kreuzungsraser“, sagt Sven Hielscher, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion. „In vergleichbaren Situationen sind Anwohner und Betroffene im Nachhinein trotz anfänglicher Skepsis begeistert.“

Kreisverkehre machen den Verkehr langsamer und flüssiger“, ergänzt Eva Botzenhart, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Altonaer Grünen und Sprecherin des Verkehrsausschusses. „Es ist ein erklärtes Ziel der Grünen im Bezirk Altona, den Durchfahrtsverkehr in der Bernadottestraße zu entschleunigen. Damit kommen wir auch einer immer wieder erhobenen Forderung von Anwohnern nach.“

Die Empörung der Geschäftsleute und Anwohner wird dadurch nicht gemildert. Zwar sei ihre Bitte, zumindest die Baumaßnahmen von 2013 auf 2014 zu verlegen, erfüllt worden, in die Planung an sich jedoch seien sie niemals eingebunden worden. Im Gegenteil: Erst durch die Handelskammer sei eine Information erfolgt.

Für zusätzliches Unverständnis sorgt ein angebliches Planungschaos der Behörden, das dem Bürger teuer zu stehen komme. Erst vor zwei Jahren seien in der Liebermannstraße Sielarbeiten für 1,6 Millionen Euro und eine Asphaltierung für 168.000 Euro durchgeführt worden – und nun werde alles wieder aufgerissen. Dies betreffe auch den jüngst für viel Geld neu angelegten Radweg Bernadottestraße. „Das zu verstehen, fällt schon sehr, sehr schwer“, sagt Wencke Pezold im Namen der Kaufleute.