Johannes Holst malte Tausende Schiffsporträts. Der Autodidakt war auch ein großartiger Geigenbauer.

Hamburg. Seine Bilder werden heute für Preise von 15.000 Euro und mehr gehandelt, für Liebhaber seiner Windjammer-Malerei gelten sie als einzigartig im detailgetreuen Zusammenspiel zwischen See, Wolken und Segeln. Doch wie viele maritime Motive der 1965 verstorbene Altenwerder Maler Johannes Holst tatsächlich geschaffen hat, ist bisher unbekannt. Viele große Reedereien, aber auch Küstenschiff-Kapitäne, Segelklubs und Fischer hatten ihn mit Porträts von Schiffsneubauten und Regattaszenen beauftragt.

In etlichen Kontoren und Wohnzimmern Norddeutschlands dürfte daher heute noch manch unbekannter "Holst" hängen, sagt Walter König, der vor einigen Jahren eine Biografie über den ungewöhnlichen Künstler verfasst hat und nun gemeinsam mit der Galerie Deichstraße ein erstes Werkverzeichnis erstellen will. "Ich vermute, es dürften fast 3000 Bilder sein", sagt König, Jahrgang 1935, früherer Medizintechnik-Manager und selbst in dem Fischerdorf aufgewachsen. Das geplante Werkverzeichnis möchte er daher auch als eine Hommage an Altenwerder verstanden wissen, das in den 1990er-Jahren für ein Containerterminal komplett abgerissen wurde. "Holst bedeutet für Altenwerder in etwa das, was Gorch Fock für Finkenwerder ist", sagt König.

Tatsächlich war Holst ein ziemlich ungewöhnlicher Zeitgenosse mit vielen Talenten und großem Selbstbewusstsein. Als Autodidakt brachte er sich die Malerei bei - und konnte bald gut davon leben. Und er galt als jemand, der von seinen Fähigkeiten wohl auch überzeugt war: So baute er sich seine elf Meter lange Segelyacht im Keller seines Hauses selbst, weil eine Werft nicht rechtzeitig zum Saisonbeginn der Helgoland-Regatta liefern konnte. Um das Schiff zu Wasser zu bringen, ließ er kurzerhand eine Hauswand einreißen. Er musizierte und baute schließlich sogar Geigen aus altem Möbelholz, die selbst in Orchestern geschätzt wurden. Altenwerder-Stradivari, so hat er seine Instrumente ironisch bezeichnet, von denen immerhin 200 Stück gebaut wurden. "Er war liebenswürdig und konnte auch ein ziemlicher Macho sein, wie man heute sagen würde", sagt seine Enkelin Elisabeth Wiegang, die heute in Blankenese lebt. Sie ist die Tochter der älteren Holst-Tochter. Oft hatte sie ihr Opa zum Segeln mitgenommen. Gleich nach dem Krieg segelten die beiden zu Freunden nach Dänemark, obwohl sie gar keine Genehmigung hatten, wie man sie damals benötigte.

Als Johannes Holst 1880 geboren wird, deutet zunächst wenig auf eine Künstlerlaufbahn hin. In der Familie gab es viele Fischer und Seefahrer, sein Vater war Besitzer eines Ewers. Sein Talent fällt in der Schule zwar auf, doch Holst macht zunächst eine handwerkliche Lehre zum Maler und Anstreicher. In seiner Freizeit aber sitzt er schon bald am Deich, malt und zeichnet Szenen mit Schiffen und Wasser. Ein Galerist entdeckt ihn 1903 dabei zufällig, kauft erste Bilder und legt so den Grundstein der Holst-Karriere. Unterbrochen wird die Laufbahn von einem Kriegseinsatz im Ersten Weltkrieg, wobei Holst an der Westfront einen schweren Gehörschaden bekommt. Nicht der einzige Schicksalsschlag, der ihn in harten Zeiten ereilt: Während der Nazizeit stirbt zunächst ein erster Sohn beim Arbeitsdienst nach einer Lungenentzündung. Und auch der zweite Holst-Sohn stirbt während des Krieges nach einem Hirnschlag, der ihn beim Aufräumen nach einem Luftangriff trifft. Nach dem Tode der beiden Söhne gibt Holst sein zweites Standbein des Geigenbauens auf. Auch die geselligen Musik-Abende mit Freunden und Nachbarn in der Holst-Villa in Altenwerder gibt es nun nicht mehr.

Dem Segeln bleibt er aber treu und gewinnt noch im Alter Regatten. Elbe, Nordsee und die Ostsee sind sein Revier. "Im Sommer verschob er schon einmal Liefertermine, um segeln zu können", sagt Biograf König. Diese Leidenschaft für die See sei vermutlich auch der Grund für seine Detailtreue. Er wusste, wie das Meer aussieht, wenn es schäumt vom Sturm. Diese Kenntnis nutzte er aber auch ganz pragmatisch: Wenn Reeder ein Porträt eines neues Schiffes bestellten, konnten sie die passende Windstärke aussuchen. Doch nur schwache Brise und Sonnenschein waren seine Sache nicht. So kam es schon einmal vor, dass er ein zweites Bild mit mehr Wind als bestellt zusätzlich malte, einfach so. Sein Credo: "In einem Seebild muss man den Wind hören können."

Wer ein mit "Joh's Holst" signiertes Bild besitzt und es ins Werksverzeichnis aufnehmen lassen möchte, der kann sich bei der Hamburger Galerie Deichstraße melden, die inzwischen das Copyright für Holst-Bilder besitzt. Tel: 040-36 51 51.

Im Internet: www.galerie-deichstrasse.com