Schiffe kollidieren vor Othmarschen. Dabei reißt die Außenwand eines Frachters auf. Rettungsmanöver: „Jade“ am Ufer bewusst auf Sand gesetzt

Othmarschen. Wie ein riesiger gestrandeter Wal liegt das Binnenmotorschiff „Jade“ am Mittwoch am Elbstrand unterhalb des Hindenburgparks. Als der Strom am Nachmittag Niedrigwasser führt, haben sich bereits zahlreiche Schaulustige am Elbuferweg versammelt. Trockenen Fußes könnten sie bis zu dem havarierten Massengutfrachter gelangen, hätte die Polizei das Schiff nicht weiträumig mit Trassierband abgesperrt. Die stählerne Schiffshaut ist aufgerissen. Aus einem mehr als einen Meter breiten Spalt quillt Sojaschrot heraus, knapp 1000 Tonnen hat das Binnenschiff geladen. An dieser Stelle war das 80 Meter lange Schiff vom Bug eines entgegenkommenden Frachters getroffen worden.

Es ist wohl nur der Geistesgegenwart des Schiffsführers der „Jade“ zu verdanken, dass die gestrige Schiffskollision im Hafen, ungeachtet des massiven Schadens am Rumpf der „Jade“, verhältnismäßig glimpflich endete. Am frühen Morgen hatten sich die elbabwärts fahrende „Jade“ und die elbaufwärts kommende „Wilson Fedje“ bei dichtem Nebel direkt aufeinander zubewegt. Gegen 8 Uhr stießen sie zusammen. Zuvor hatte Kazimierz K., der 65 Jahre alte Kapitän der „Jade“, noch ein Rettungsmanöver eingeleitet und versucht, sein Schiff mit einer Drehung nach steuerbord (rechts) aus der Fahrlinie des entgegenkommenden Frachters zu bringen. Ohne Erfolg.

Auf Höhe des markanten Backsteinbaus des Lotsenhauses Seemannshöft traf die 90 Meter lange „Wilson Fedje“ das zehn Meter kürzere Binnenmotorschiff an der Backbordseite, riss die Schiffshaut auf. Wasser drang daraufhin in den Frachtraum der „Jade“ ein, das Schiff drohte zu sinken. Kazimierz K., der polnische Schiffsführer, lenkte sein Schiff, das sich aufgrund der unglaublichen Wucht des Aufpralls entgegen der Fahrtrichtung drehte, in Richtung nördliches Elbufer, wo es schließlich rettenden Grund berührte und nahe dem Sandstrand liegen blieb. Die „Wilson Fedje“ hingegen blieb ersten Erkenntnissen zufolge weitgehend unbeschädigt und konnte aus eigener Kraft zum Kalikai gelangen, wo das Frachtschiff fest vertäut wurde. Der Rumpf soll lediglich einige Schrammen davongetragen haben. Verletzt wurde bei dem schweren Unfall niemand. Wäre die „Jade“ mitten auf der Elbe gesunken, hätte sie ein Schifffahrtshindernis mit nicht absehbaren Folgen für die maritime Wirtschaft dargestellt.

Noch völlig unklar ist, wie es zu der Kollision am Morgen kommen konnte. Wie die Polizei mitteilte, hatte die „Wilson Fedje“ einen Lotsen an Bord, der das unbeladene Frachtschiff, das aus Rotterdam kam, sicher zum Kalikai bringen sollte. Die „Jade“, die im nördlichen Fahrwasser der Norderelbe unterwegs war, sollte Sojaschrot von der Ölmühle im Hafen nach Beidenfleeth an der Stör bringen. „Technische Mängel konnten wir bislang auf keinem der beiden Schiffe feststellen“, sagte Polizeisprecher Andreas Schöpflin. „Die Wasserschutzpolizei sicherte die Radarbilder und Funkaufzeichnungen, die noch ausgewertet werden.“ Für die „Wilson Fedje“ wurde ein Auslaufverbot ausgesprochen.

Wie das Abendblatt allerdings erfuhr, gehen die Ermittler Hinweisen nach, wonach die „Wilson Fedje“ von ihrem Kurs abgekommen sein könnte. Ähnlich den Regeln im Straßenverkehr fuhr das Schiff zunächst im südlichen Fahrwasser der Norderelbe, also auf der linken Seite der Fahrrinne, und könnte dann ins Fahrwasser der „Jade“ abgekommen sein.

Die Feuerwehr legte um das havarierte Binnenschiff Ölschlengel aus, um zu verhindern, dass Öl oder Kraftstoff in die Elbe gelangen. Wie Rudolf Sommerfeld, der Chef der Reederei BKS Binnenschiffahrtskontor Sommerfeld, der Eigner der „Jade“ mit Geschäftssitz in Buxtehude, erklärte, soll das Sojaschrot so schnell wie möglich auf ein anderes Schiff umgeladen werden. Dann soll das Loch in der Schiffswand abgedichtet und der Binnenfrachter in ein Dock gebracht werden, wo er repariert werden soll. Am Mittwochnachmittag reparierten Elektriker zunächst die Steuerung der Lukendeckel, die die Fracht vor dem Eindringen von Wasser schützen. Sie waren bei der Kollision beschädigt worden und konnten nicht mehr geschlossen werden. Wie lange die anderen vorbereitenden Reparaturen andauern werden, ist nicht klar.