Hamburger Unternehmen plant Linie über die Elbe. Schiffe können 240 Fahrzeuge und 800 Passagiere pro Stunde übersetzen

Wedel/Jork. Von Wedel nach Jork in 20 Minuten mit dem Auto? Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Aber es ist ein durchaus ernst gemeintes Angebot, das die Geschäftsführung von Becker Marine Systems Pendlern und Touristen unterbreiten will. Das Hamburger Unternehmen mit Sitz an der Seehafenbrücke in Harburg will ins Fährgeschäft einsteigen. Wenn es nach dem Schiffsruderspezialisten geht, dann könnten bereits von Sommer 2016 an Autofähren zwischen dem Alten Land und dem Wedeler Hafen kurz hinter der Hamburger Stadtgrenze pendeln. Das Besondere an dem Pilotprojekt: Die mit Flüssiggasmotoren ausgestatteten Schiffe sollen laut Hersteller geräuschlos und mit weniger Schadstoffausstoß als die herkömmlichen Fähren übers Wasser gleiten.

Wie das Ganze aussehen soll, stellte die Unternehmensführung detailliert in Wedel vor. Denn sowohl aus Stade als auch aus Wedel braucht es für die ambitionierten Pläne grünes Licht. Derzeit ist ein ganzjähriger Pendelverkehr geplant. Im 30-Minuten-Takt sollen die Autofähren ablegen. Die erste Fahrt, so der Plan, startet täglich gegen 5Uhr, die letzte gegen 22Uhr. Im Internet und per Handy könnten Passagiere Tickets buchen. Was eine Überfahrt kostet, steht noch nicht fest. Laut Geschäftsführer Dirk Lehmann will man sich an vergleichbaren Angeboten wie beispielsweise in Glückstadt orientieren.

Nach den derzeitigen Planungen sollen die Schiffe in Jork am Fährhaus Kirschenland festmachen. In Wedel würden sie den Hafen am ehemaligen Raffineriegelände am Tinsdaler Weg neben dem Kraftwerk ansteuern. Der ist seit Jahren stillgelegt. Zuletzt gab es Bestrebungen, ihn aufgrund der Sanierungskosten in Höhe von etwa fünf Millionen Euro einfach zuzuschütten. Dem schob jüngst aber plötzlich das Wasser- und Schifffahrtsamt einen Riegel vor. Auf der anderen Seite der Elbe wäre mit dem Fährhaus Kirschenland genug Platz für den nötigen Parkraum vorhanden. Allerdings handelt es sich hier um ein Naturschutzgebiet.

Wenn die Politiker der jeweils betroffenen Städte und Gemeinden zustimmen, könnte das Projekt mit dem Namen Elblinien trotzdem relativ schnell an den Start gehen. Denn die Unternehmensleitung hat bereits einiges an Vorarbeit geleistet. Unter anderem liegt eine Machbarkeitsstudie vor. Mit dem Unternehmen Cisco wurde ein Partner für die Entwicklung eines intelligenten Verkehrsleitsystems gefunden, um Staus an den Autofähren möglichst zu vermeiden. Zudem wurden Vorgespräche mit dem Bundesverkehrsministerium sowie mit den zuständigen Genehmigungsbehörden der Länder geführt – mit positiven Signalen. Frank Nägele, Staatssekretär im Verkehrsministerium von Schleswig-Holstein, dazu: „Wir unterstützen die Bestrebungen, mit weiteren Fährverbindungen über die Elbe Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu verbinden. Wir begrüßen das Projekt ausdrücklich und sind bereit, das uns Mögliche zur Verwirklichung beizutragen.“

Derzeit müssen sich Autofahrer, die von Wedel aus ins Alte Land möchten, durchs Nadelöhr Elbtunnel quälen. Die etwa 45 Kilometer lange Tour dauert mindestens eine Stunde, wenn sich der Verkehr nicht auch noch staut. Dabei trennen Jork und Wedel Luftlinie nur etwa sechs Kilometer Wasser. Bei rund zehn Knoten Geschwindigkeit könnten die geplanten zwei Autofähren in der Stunde etwa 240 Fahrzeuge sowie 800 Passagiere übersetzen und dabei für eine Entlastung auf Hamburgs Straßen sorgen.

Zudem versprechen die Initiatoren, dass die neue Fährlinie auch die Umwelt schont. „Die innovative und umweltfreundliche Technik ist in dieser Art einmalig, sodass die Fähre Wedel –Jork Vorbildcharakter für andere Regionen entwickeln könnte“, so Henning Kuhlmann, Manager bei Becker Marine Systems. Bis zu zwölf Millionen Euro würde das Unternehmen allein in den Bau der beiden Autofähren investieren. Hinzu kommen die Kosten für den Umbau der beiden Häfen in Wisch bei Jork und Wedel, die das Unternehmen aber nicht allein tragen will.

Allerdings könnte die umweltschonende Technik mit Vorbildcharakter dem ambitionierten Projekt einige Fördergelder bescheren. Den Wedeler und Stader Kommunalpolitikern stellt das Unternehmen zudem in Aussicht, dass Becker Marine Systems auch die defizitäre Fährverbindung Lühe–Schulau übernimmt. Das Minus, zuletzt waren es 150.000 Euro, tragen Wedel, Stade, die Samtgemeinde Lühe sowie Jork. Trotz des Angebots schwankt die Stimmung in Wedel und Jork zwischen Begeisterung und Skepsis.

„So faszinierend das Projekt ist, es sind noch viele Fragen offen“, drückt zum Beispiel Wedels Bürgermeister Niels Schmidt auf die Euphoriebremse. Unter anderem müsse geklärt werden, wer den Hafenumbau zahlt und wie der Verkehr abfließen soll. Der Verkehr würde so oder so durch seine Gemeinde fließen, sagt Gerd Hubert. Der Bürgermeister von Jork sieht Chancen vor allem für den Tourismusbereich. „Grundsätzlich ist es eine sehr gute Sache, dass 60 Pkw pro Fahrt schonend über die Elbe gebracht werden. Ich bin beeindruckt, wie das Unternehmen die Sache angeht. Das ist ein ernst zu nehmendes Angebot.“ Auf der Südseite der Elbe wurde das Projekt bislang aber nur den Gesellschaftern der Lühe-Schulau-Fähre vorgestellt. Demnächst soll es mit den Kommunalpolitikern diskutiert werden.