Am Donnerstag wird das Hamburger Polizeimuseum nach sieben Jahren Planungs- und Bauzeit mit einem feierlichen Festakt eröffnet. Es ist die erste Einrichtung dieser Art in Deutschland.

Wird eine wichtige, öffentliche behördliche Institution, sagen wir mal, die Polizei, sagen wir mal, 200 Jahre alt, dann darf die Bevölkerung normalerweise mit einem „Tag der offenen Tür“ rechnen, an dem es einen obligatorischen Festakt mit feierlichen Reden von und für die Staatstragenden gibt, dazu viele bunte Flugblätter für die Bürger, eine Hüpfburg für die Kinder sowie einen Rundflug mit dem Polizeihubschrauber „Libelle 1“ – Hauptgewinn der Tombola.

Die Polizei Hamburg geht anlässlich ihres runden Geburtstags einen anderen und in Deutschland bisher einzigartigen Weg: Denn von der Öffnung für Besucher am Freitag an wird es mindestens viermal pro Woche – jeweils von Dienstag bis Donnerstag sowie an Sonntagen – einen solchen Tag der offenen Tür geben. Die Freunde und Helfer in Silber und Blau haben sich selbst, den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Hamburg-Touristen auf dem Gelände der Polizeiakademie in der Carl-Cohn-Straße (Winterhude) ein komplettes Polizeimuseum spendiert.

Wie wahrscheinlich immer bei solch ehrgeizigen Projekten sieht es dort wenige Tage vor der Eröffnung jedoch noch so aus, als würden die Ausstellungsmacher diesen komplizierten Fall bis zum Fertigstellungstermin am 27. Februar, an dem der unvermeidliche Festakt stattfinden wird, nicht lösen können. Dabei hätten die Bühnenbauer von Studio Hamburg bereits das ganze vergangene Wochenende „durchgeschrubbt“, sagt einer, der vor dem ehemaligen Wehrmachts-Kasernenbau ein Holzbauteil mit einer Farbsprühdose schwarz lackiert. Das Stück gehört zur originalgetreuen Nachbildung einer Hamburger Polizeiwache in den 60er-Jahren, nebst Arrestzelle mit „echter Zellentür“. „Für unartige Kinder“, scherzt Ernst Auch, 59, Kriminalhauptkommissar mit 40 Dienstjahren auf dem Buckel und noch einem Jahr bis zu seiner Pensionierung, wobei Auch schon jetzt fest damit rechnet, dass es eben durch dieses Projekt eher zum Unruhestand kommen wird. Seine Frau, versichert er, habe jedoch nichts dagegen.

Im Polizeimuseum hat Auch den Hut auf. Er ist von Anfang an dabei, also seit gut sieben Jahren, als aus der fixen Idee des damaligen Polizeipräsidenten Werner Jantosch ein Plan wurde, der in die Praxis umgesetzt wurde. „Ich habe damals zwar nicht ‚hier‘ geschrien, aber ich war damals in der Präventionsabteilung tätig, und so hat sich das dann ergeben.“ Dass sich das Polizeimuseum in Gänze überhaupt ergeben konnte, ist jedoch wohl in erster Linie der Hartnäckigkeit Jantoschs zu verdanken. Polizeiintern heißt es, „ohne den Werner hätten wir das nie durchdrücken können“. Und Polizeisprecherin Sandra Levgrün fügt hinzu: „Anfangs hielt sich innerhalb der Polizei die Begeisterung über den Ausbau der Lehrmittelsammlung zu einem öffentlichen Museum in Grenzen. Immerhin liegt der veranschlagte Gesamtetat ohne Personalkosten bei rund einer Million Euro, und das war angesichts von Geldknappheit oder Beförderungsstau für viele Kolleginnen und Kollegen nur schwer vermittelbar.“

Bemerkenswert ist die kritische Auseinandersetzung mit der Nazizeit

Doch inzwischen sei eine nicht zu übersehende Gegenbewegung eingetreten. „Das Interesse an der Museumsarbeit ist enorm gewachsen und die Ausstellungsmacher ernten bereits jetzt ausgesprochen positive Reaktionen von denjenigen, die schon mal einen Blick in die Räume hineingeworfen haben.“ In denen man sich allerdings erst seit dem vergangenen Wochenende so richtig vorstellen könne, wie die 21 Ausstellungsräume mit einer Gesamtfläche von gut 1400 Quadratmetern dann fix und fertig eingerichtet aussehen werden.

Im Erdgeschoss erwartet die Besucher zur Begrüßung eine didaktisch geschickt aufgebaute, informative Zeitreise durch die 200-jährige Hamburger Polizeigeschichte. Hand- und Fußfesseln, diverse Ausrüstungsgegenstände vom Gummiknüppel über Schilde und Helme bis hin zur „Hamburger Acht“ (Handschellen); dann ein bisschen Rotlichtmilieu und ordentlich Sturmflut. Doch besonders großen Wert haben die Kuratoren auf die Aufarbeitung der Geschichte gelegt, wobei sie sich kritisch mit den dunklen Kapiteln der Polizeihistorie auseinandersetzen: etwa mit dem berüchtigten Reserve-Polizei-Bataillon 101, das im Zweiten Weltkrieg entsetzliche Gräueltaten im besetzten Polen beging, sowie mit dem „Hamburger Kessel“, dem ebenso berühmten wie auch rechtswidrigen Polizeieinsatz am 8. Juni 1986, als auf dem Heiligengeistfeld 800 Demonstranten innerhalb polizeilicher Absperrketten festgehalten wurden.

Das macht nach Ansicht des Museumsdirektors sofort die Intention deutlich, die man mit dem Polizeimuseum habe: „Es versteht sich als Neuorientierung in der mehr als 100-jährigen Geschichte der musealen Darstellung polizeilicher Arbeit“, zitiert er das festgeschriebene „Selbstverständnis des Polizeimuseums Hamburg“, das sich erstmals an ein breites Publikum wendet (während die früheren, aber auch die weiter bestehenden polizeilichen Sammlungen vor allem der Ausbildung der Polizei dienten und dienen).

Tatsächlich basiert die Dauerausstellung auf der ersten Polizeispezialsammlung, die schon im Jahre 1893 vom damaligen Chef der Hamburger Kriminalpolizei und späteren Polizeipräsidenten Gustav Roscher im Stadthaus am Neuen Wall gegründet wurde. Sie sollte den Hamburger Polizeibeamten mit Anschauungs- und Vergleichsobjekten einen Überblick über die Kriminalistik bieten. Nach und nach entstanden auch eine umfangreiche Fachbibliothek sowie ein Bildarchiv, „eine Art Enzyklopädie möglicher Verbrechen von Betrug bis Kurpfuscherei, von Brandstiftung bis Mord“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem große Teile der Sammlung zerstört wurden, wurde 1950 ein neues „Kriminalmuseum“ in der Polizeischule Eggerstedtstraße eingeweiht, das als reine Lehrmittelsammlung 1958 nach Winterhude umzog und dort bis 2006 bestand. Doch mit dem öffentlichen Polizeimuseum wagt die Polizei Hamburg einen Spagat, da es zum einen die Aus- und Fortbildung junger Polizisten begleitet, mit einer Fachbibliothek die Kriminalwissenschaft bedient und – vor allem im Bereich der Kriminaltechnik – speziell kinderfreundliche und interaktive Ausstellungsmerkmale erfüllen will. Dort können sich die Besucher spielerisch auf Spurensuche begeben.

Die Museumsmacher wünschen sich fürs erste Jahr 50.000 Besucher

Unterm Dach werden acht der spektakulärsten Hamburger Kriminalfälle präsentiert, von denen einer – „Die Leiche im Ölfass im Osterbekkanal“ – bis heute nicht aufgeklärt wurde. Das Opfer: ein Hamburger Lottogewinner, der einen großen Teil seiner Million in einen gastronomischen Betrieb investiert hatte, was ihn letztlich das Leben kostete. „Da könnte eventuell sogar eines Tages der Mörder hier auftauchen, um sich zumindest rudimentär über den Stand der Ermittlungen zu informieren“, feixt Ernst Auch. Hier oben, im schummerig ausgeleuchteten Dachgeschoss, dürfen die „Hitler-Tagebücher“ des „Stern“ ebenso wenig fehlen wie die Revolver, mit denen der St.-Pauli-Killer Werner „Mucki“ Pinzner sechs Menschen erschoss, am Ende sich selbst. Für die Auswahl der Ausstellungstücke hatte Auch sich selbst ins Polizeiarchiv begeben. „Neun Wochen hat es gedauert, bis ich aus den 37 Kartons mit Pinzner-Beweisstücken die richtigen zusammengetragen habe“, sagt er. „Bis vor Kurzem haben wir gedacht, dass wir ungefähr 5000 bis 6000 ausstellungsfähige Artefakte besitzen würden. Inzwischen gehen wir jedoch von einer recht hohen fünfstelligen Zahl aus.“ Die Katalogisierung und Archivierung fange gerade erst an.

Auch der Kaufhauserpresser „Dagobert“, die Petersen-Einbrecherbande („Lord von Barmbeck“) sowie der Fuchsschwanz, mit dem der Frauenmörder Fritz Honka seine Opfer zerteilte, sind hier zu sehen. Aber der Grusel- und Schockfaktor wird bewusst niedrig gehalten und durch gezielte Informationen kompensiert – schon der Kinder wegen. „Für die Erwachsenen, die sich zum Teil sicherlich an diese Fälle erinnern können, soll das Kino im Kopf spielen“, sagt Ernst Auch.

Er ist ein drahtiger Typ mit kahlem Schädel, nicht besonders hoch gewachsen, aber inmitten des üblichen Baustellenchaos, in dem noch Kreissägen kreischen, Hämmer hämmern, Bohrer bohren und frisch lackierte Flächen die Lösungsmittel der Farben ausdünsten, strahlt er die Ruhe eines Felsens in der Brandung aus. „Improvisation und das Nähen mit heißer Nadel gehören zu einem solchen Projekt einfach dazu“, sagt er. Außerdem seien die erklärenden Tafeln, Schilder und Wandbeschriftungen ja schon fertig. Sie wurden von den Graphischen Werkstätten in der Feldstraße in deutscher und englischer Sprache konzipiert, schließlich sei Hamburg ja eine internationale Stadt. „Wir schaffen das“, sagt Auch bestimmt. In diesem Moment heult eine Kreissäge auf. Auch fährt trotzdem fort: „Unser Museum soll einen tiefen, realistischen und nicht zuletzt unterhaltsamen Blick hinter die Kulissen der Polizeiarbeit bieten. Das ist unser Anspruch“, den er mit einem kleinen Team aus fest angestellten Mitarbeitern und zahlreichen freiwilligen Unterstützern erfüllen möchte. 50.000 Besucher haben sie sich im ersten Jahr zum Ziel gesetzt. Sie hoffen, dass die Einnahmen die jährlichen Kosten decken werden. „Und wenn ich an den Ansturm bei der letzten Nacht der Museen denke, dann sollten wir auch das schaffen.“

„Wir wollen auch Vertrauen in die Polizei und Verständnis für bestimmte Abläufe unserer Arbeit schaffen“, sagt Sandra Levgrün. Auf Basis der Informationen sollen Besucher dann ihr – vielleicht vorschnelles – Urteil von der Polizei vervollständigen, bestenfalls revidieren. Doch am Ende eines jeden Museumsbesuchs dürfte stets eine Erkenntnis stehen: Verbrechen lohnt sich nicht – außer für Museumsmacher.