Eigentlich verpflichtet ein Gesetz die Eigentümer, ihre Immobilien zur Verfügung zu stellen, denn Wohnungen sind in Hamburg bekanntlich knapp. Doch die Behörden wenden das Gesetz nicht an.

Hamburg. Ob im Szeneviertel oder an der Alster, in Barmbek, Altona oder im feinen Harvestehude – in Hamburg stehen viele Wohnungen leer. Bei etlichen sind bevorstehende Umbau- oder Sanierungsmaßnahmen der Grund. Sehr oft spekulieren Hausbesitzer aber auch darauf, dass nach und nach auch die anderen Mieter ausziehen und sie dann Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln können. Oder sie bieten die Wohnungen als Feriendomizile an, um so eine höhere Rendite zu erzielen.

Um das zu verhindern, gibt es eigentlich das Wohnraumschutzgesetz, das am 1. Juli 2013 in verschärfter Form eingeführt wurde. Seitdem muss Leerstand, der länger als drei Monate dauert, bei den Bezirken gemeldet werden. Die können dann eine Zwangs- oder Zwischenvermietung anordnen, das Schaffen von Ersatzwohnraum oder eine einmalige Ausgleichszahlung verlangen. Wird dem nicht Folge geleistet, kann ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro verhängt werden. Eine Kleine Anfrage der Grünen-Bürgerschaftsfraktion hat jetzt ergeben, dass hamburgweit 2327 ungenutzte Wohneinheiten gemeldet sind – aber Sanktionen müssen die Eigentümer dennoch nicht befürchten, denn das neue Gesetz wird schlicht nicht angewandt.

„In Hamburg wird selten im Sinne des Wohnraumschutzes gehandelt“, sagt Olaf Duge, baupolitischer Sprecher der Fraktion. „Die Verwaltung nutzt ihre Möglichkeiten trotz des hohen Leerstands kaum.“ Im Gegenteil: Gemeldete Leerstände würden in einigen Bezirken anscheinend automatisch durchgewinkt und in anderen gar nicht erst bearbeitet. Der Bezirk Hamburg-Mitte etwa, in dem 1469 Wohneinheiten leer stehen, hat das in 1234 Fällen als gesetzeskonform genehmigt. In Harburg werden 190 von 217 Wohnungen mit dem Segen des Bezirksamts nicht genutzt, in Altona 42 von 158. In Hamburg-Nord wurden 321 Genehmigungen erteilt, insgesamt stehen hier 373 Wohnungen leer. Konsequenzen für die Eigentümer hatte das nicht, auch eine Zwischennutzung wurde in keinem Fall angeordnet.

Der angespannten Wohnmarktsituation in Hamburg werde das „überhaupt nicht gerecht“, sagt Duge. „Wir halten das Gesetz im Kern für richtig. Aber jetzt sollte der Senat seinen Bezirksämtern Beine machen, um dieses auch durchzusetzen.“ Dazu gehöre eine angemessene Stellenausstattung – und damit sieht es in den Bezirken schlecht aus. Im August vergangenen Jahres erfuhren die Grünen durch eine Kleine Anfrage, dass sich in den sieben Bezirken insgesamt 7,1 Stellen um den Wohnraumschutz kümmern; teilweise hatten die Mitarbeiter noch weitere Zuständigkeiten. Auffällig war, dass gerade Bezirke mit vielen Leerständen unterversorgt waren. In Hamburg-Mitte und Hamburg-Nord war jeweils von zwei Stellen nur eine besetzt, in Bergedorf ist für den Wohnraumschutz eine zehntel Stelle (0,1) vorhanden, in Harburg eine halbe (0,5).

Kaum nachvollziehbar ist auch die unterschiedliche Höhe der Leerstandsmeldungen in den Bezirken. Gibt Hamburg-Mitte mehr als 1400 an, sind es in Eimsbüttel nur 15. Konsequenzen für die Eigentümer hatte das in den seltensten Fällen. „Mitte genehmigt so gut wie alle Leerstände, Nord verlangt durchweg Ersatzwohnraum, und Wandsbek hat von den 70 gemeldeten Fällen noch über keinen einzigen entschieden“, so Duge.

Ausgleichszahlungen oder gar Bußgelder hat noch kein Bezirk verlangt. „Da geht den Bezirken eine Menge Geld verloren“, sagt Lars Buchmann von Den Linken in Hamburg-Nord. Auf eine Kleine Anfrage hatte Bezirksamtsleiter Harald Rösler mitgeteilt, dass momentan 470 Wohnungen als leer stehend gemeldet seien. Das sind erstaunlicherweise 100 Wohnungen mehr, als in der Anfrage der Grünen aufgeführt waren, die einen Tag später beantwortet wurde. Für Buchmann ist entlarvend, dass die Meldungen im Wesentlichen nicht von der bezirklichen Abteilung Wohnraumschutz ermittelt wurden, sondern von den Wohnungsunternehmen selbst oder Dritten. „Die Verwaltung des Bezirks wird einer elementaren Aufgabe nach Wohnraumschutzgesetz nicht gerecht“, so der Politiker. Er fordert mehr Mitarbeiter. Im Bezirk Nord sei eine Stelle vakant, die seit Monaten nicht besetzt wird.

„Das Personal muss überall aufgestockt werden“, sagt auch Hans-Detlef Roock von der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Wenn das Gesetz nicht umgesetzt wird, brauchen wir es nicht.“ Warum etwa hätten die mit dem Wohnraumschutz beauftragten Mitarbeiter des Bezirksamts Mitte nicht rechtzeitig den Zustand der Esso-Häuser geprüft? In Sachen Leerstand gehe die Stadt generell mit schlechtem Beispiel voran. Am 31. März 2013 hätten laut Senat immerhin 1243 Wohnungen aus städtischem Besitz (etwa der Saga GWG) länger als drei Monate leer gestanden, davon 1118 länger als sechs Monate. Sieben Monate später habe sich daran nicht Wesentliches geändert – trotz der zwischenzeitlichen Einführung des verschärften Gesetzes.

„Das geänderte Wohnraumschutzgesetz ist noch nicht mal ein Dreivierteljahr in Kraft, da ist es schwierig, es jetzt schon in Gänze zu bewerten“, sagt Volker Dumann, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), zu den Vorwürfen der Oppositionspolitiker und fügt hinzu: „Wir begleiten die Umsetzung, die allein in der Hand der Bezirke liegt, aber durch regelmäßige Gespräche über aktuelle Vollzugsfragen und neue Entwicklungen.“