Kurs sinkt in wenigen Stunden um elf Prozent. Hamburger Textilhändler hat Probleme nach Übernahme von Bonita

Hamburg. Was ist bloß beim Hamburger Modespezialisten Tom Tailor los, der im August 2012 den Wettbewerber Bonita übernommen hat? Damals kündigte Tom-Tailor-Finanzchef Axel Rebien an, das Unternehmen wolle nach dem Kauf der neuen Marke beim Gewinn in eine neue Größenordnung wachsen. „Wir werden beim Ergebnis im nächsten Jahr stärker zulegen als bisher“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Doch da hat sich Rebien gewaltig verschätzt.

Zwar ist der Umsatz 2013 deutlich gestiegen, wie das Unternehmen mitteilte. Allerdings habe das bereinigte Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) von 77 Millionen Euro die eigentlich angepeilten mindestens 85 Millionen Euro verfehlt – auch weil Bonita kaum noch rentabel ist. An der Börse sackte die Aktie deshalb zeitweilig um elf Prozent ab – eine Rekordtalfahrt für das Modeunternehmen. Innerhalb der ersten halben Handelsstunde am Mittwoch wechselten bereits fast doppelt so viele Tom Tailor-Aktien den Besitzer wie sonst an einem gesamten Durchschnittstag. Gegen Abend lag der Kurs bei 14,14 Euro, ein Minus von rund acht Prozent.

Das 1962 in der Hansestadt gegründete Unternehmen muss bei der neuen Tochter aufräumen. „Im Integrationsjahr 2013 haben wir eine beachtliche Wegstrecke durch teils raues Gelände zurückgelegt. Unsere Tom-Tailor-Marken haben sich dabei hervorragend geschlagen und ihren profitablen Wachstumskurs ungebrochen fortgesetzt“, sagte Vorstandschef Dieter Holzer. „Bei Bonita mussten wir allerdings im letzten Quartal umfangreichere Maßnahmen umsetzen, damit die Tochter innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre die erwartete Profitabilität abliefern kann.“

Tatsächlich sind die Erlöse des Unternehmens im vergangenen Jahr um 44 Prozent auf 907,2 Millionen Euro gestiegen, wozu Bonita 350,7 Millionen Euro beigetragen hat. Tom Tailor selbst hat mit rund 6500 Mitarbeitern den Umsatz um 17 Prozent auf 556,5 Millionen Euro gesteigert. Weltweit rund 1300 Verkaufsstellen in 21 Ländern bieten die Bekleidung des Unternehmens an, darunter 354 eigene Geschäfte. Doch auch das konnte die Börsianer am Mittwoch offenbar nicht beruhigen.

Durch die Übernahme der Bekleidungskette Bonita gehört Tom Tailor jetzt zwar zu den zehn größten Unternehmen der Textilbranche in Deutschland. Doch das hat seinen Preis. Rund 220 Millionen Euro teils in bar und in Aktien mussten die Hamburger an die gemeinnützige Versorgungs- und Förderungsstiftung aus Liechtenstein in der Schweiz bezahlen, die bislang hinter Bonita stand.

Nun soll der bisherige Produktionsvorstand von Tom Tailor, Udo Greiser, die neue Tochter fit machen. Das Unternehmen berief den Manager rückwirkend zum 1. Februar zum Alleingeschäftsführer von Bonita. Unter seiner Ägide soll die angestaubte Marke in den nächsten ein bis zwei Jahren modernisiert werden und damit ein „frisches Gesicht“ erhalten.

Als erstes wurde bei Bonita im Juni 2013 ein Internet-Handel etabliert, der seither bereits einen Umsatzbeitrag im niedrigen einstelligen Millionenbereich an Tom Tailor lieferte. Auf vergleichbarer Fläche in den Läden gingen die Erlöse im Gesamtjahr allerdings um 4,6 Prozent zurück. Greisers Nachfolger bei Tom Tailor wird Daniel Peterburs, der bereits seit 2008 bei Tom Tailor arbeitet und aktuell für die Männerkollektion zuständig war.

Analyst Jürgen Kolb von Kepler Cheuvreux kassierte nach Bekanntwerden der Zahlen seine Kaufempfehlung für die Aktien von Tom Tailor und bewertet sie nun nur noch mit „Hold“, also Halten. Das Kursziel senkte er in einer Studie vom Mittwoch um fast drei auf 16,10 Euro. Überrascht habe ihn insbesondere, dass auch die Kernmarke Tom Tailor im Schlussquartal geschwächelt habe. Zudem verwies Kolb auf die weiterhin belastenden Lagerbestände bei Bonita. Die Textilien der neuen Tochter blieben aufgrund des Wetters im ersten Halbjahr 2013, als es selbst im Mai noch eiskalt war, zu oft an den Verkaufsständern hängen, räumte Tom Tailor ein. Auch das Schlussquartal sei bei Bonita unerwartet schwächer gewesen.

Der Modekonzern müsse nun zunächst beweisen, dass die Versprechungen in puncto Margenverbesserungen bei Tom Tailor sowie einer positiven Trendwende bei Bonita eingehalten würden, so Kolb. Selbst der Geschäftsausblick des Unternehmens für das laufende Jahr überzeuge nicht, sagte der Analyst. Im laufenden Geschäftsjahr 2014 strebt das Hamburger Unternehmen nach eigenen Angaben einen Umsatz von 950 Millionen Euro und eine bereinigte Ebita-Marge von zehn Prozent des Umsatzes an.

Die Prognosen für das Jahr 2014 hätten die Erwartungen ebenso verfehlt, wie auch die Eckdaten für das vergangene Jahr, schrieb die Analystin Yasmin Moschitz von der Commerzbank. Sie strich ebenfalls ihre Kaufempfehlung für die Aktien von Tom Tailor. Die Trendwende werde hier wohl länger dauern als gedacht, schreibt darüber hinaus Berenberg-Analystin Anna Patrice. Die Hamburger Privatbank hat Tom Tailor nach einer Investorenveranstaltung von „Buy“, also kaufen, auf „Hold“ herabgestuft und das Kursziel von 20 auf 19 Euro gesenkt. Das Aufwärtspotenzial für die Papiere sei begrenzt, begründete die Analystin das neue Votum.

Das Management von Tom Tailer unter Holzer hat nun noch knapp zehneinhalb Monate Zeit, um das Gegenteil im laufenden Jahr zu beweisen.