Genug diskutiert: Statt ewig gleicher Aufrege-Debatten sollte die „Pille danach“ endlich ohne Rezept erhältlich sein

Auf vielen Politikfeldern haben sich Union und SPD in jüngster Zeit aufeinander zubewegt, beim Mindestlohn etwa, bei der Mütterrente und beim Ausstieg aus der Atomwirtschaft geht es nur noch um das Wie und Wie schnell. Aber bei allen Fragen, die weitestgehend das Thema Abtreibung und Reproduktion betreffen, flackern sie reflexartig wieder auf, die alten Debatten um Selbstbestimmung kontra Bevormundung, immer schön entlang der ideologischen Grabenkämpfe der Siebziger. Jetzt ist es wieder so weit: Soll die „Pille danach“, die bis zu 72 Stunden nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr eine Schwangerschaft verhindert, rezeptfrei werden?

Seit zehn Jahren gab es immer wieder Vorstöße für eine Freigabe, zuletzt 2012 von der SPD. Im Mai vorigen Jahres hatte sich die schwarzgelbe Koalition dagegen entschieden. Auch jetzt will Gesundheitsminister Gröhe, CDU, an der Verschreibungspflicht festhalten, sekundiert von den deutschen Bischöfen und Ärzteverbänden. Dagegen halten Grüne, Linke und Teile der SPD und die „Nationalen Netzwerke Frauen und Gesundheit“, der unter anderem Pro Familia und der Deutsche Hebammen Verband angehören. Auf beiden Seiten sind die Argumente hinlänglich ausgetauscht und befinden sich in der Wiederholungsschleife. Beispielsweise, dass die „Pille danach“ in 79 Ländern längst rezeptfrei erhältlich ist.

Als Gegner tut und tat sich vor allem der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn hervor. In den anderen Ländern sei eben oft die Ärztedichte nicht so gut wie in Deutschland, argumentiert er, weshalb das Medikament dort frei angeboten werden müsse. Und neben dem Präparat Levonorgestrel gäbe es ein viel besseres, nämlich Ulipristalacetat. Über diese Alternative würden die Frauen aber gar nicht informiert, wenn sie nicht zum Arzt gehen müssten.

Die Ärztinnen bei Pro Familia haben diese Bedenken zerstreut: Nach Studien ist die Wirkung des bisherigen Levonorgestrel gleich gut, und auch die möglichen Nebenwirkungsrisiken sind bei beiden Präparaten gleich.

Es scheint also einfach darum zu gehen, dass noch mal ein Arzt draufschaut, nämlich auf die Entscheidung einer Frau, nicht schwanger zu werden. Komischerweise ist in Spahns Beiträgen immer vom „Arzt“ die Rede und nie von einer „Ärztin“.

Man sollte diese Hintergründe kennen, um sich nicht verwirren zu lassen. Sind die deutschen Frauen einfach zu blöd, zu promiskuitiv und zu verantwortungslos, als dass man ihnen die „Pille danach“ ohne Verschreibung überlassen dürfte? Natürlich nicht. 460.000-mal kam sie im Jahr 2013 zum Einsatz, das spricht für einen nicht geringen Bedarf. Nur sehr wenige Betroffene, etwa zwei bis drei Prozent, nutzen diese Pille mehrmals, schätzt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. In der Regel bleibt sie die Ultima Ratio in einer einmaligen Situation. Das Problem ist, dass nur etwa 72 Stunden Zeit bleiben, sie einzunehmen, damit sie die Befruchtung eines Eis verhindert. Die Rezeptpflicht erschwert es, dieses Zeitfenster einzuhalten.

Richtig ist, dass sich jede Frau über die Wirkung der „Pille danach" informieren sollte. Allein schon um zu wissen, wie dieses Hormonpräparat sich etwa mit der Antibabypille verträgt und welche Risiken zum Beispiel bei Thrombose oder Leberfunktionsstörungen bestehen.

Deshalb ist der Vorschlag, die „Pille danach“ freizugeben und die Beratung den Apothekern zu übertragen, jetzt pragmatisch und sinnvoll. In der Schweiz wird das seit vielen Jahren so gemacht. Dort gewährleistet die obligatorische Beratung in der Apotheke, dass die „Pille danach“ sicher und gesundheitsverträglich angewendet wird. Es gibt kein Argument, es bei uns weiter hinauszuschieben. Könnten wir bitte mal aufhören, die Sache weiter zu dramatisieren?

Die Autorin ist Redakteurin des Hamburger Abendblatts