Vor 50 Jahren war Schluss mit dem blauen Dunst in Hamburgs U-Bahnen. Oliver Schirg erinnert daran, wie reibungslos das lief – ganz anders als später in der Gastronomie.

Wer heute in einen U-Bahn-Waggon oder einen Linienbus einsteigt, dürfte sich kaum vorstellen können, dass es Zeiten gab, in den dort geraucht werden durfte. Nur Ältere unter den Fahrgästen können sich noch an übervolle Aschenbecher oder die nach kaltem Rauch riechenden Abteile erinnern.

50 Jahre ist es jetzt her, dass die Direktion der Hamburger Hochbahn einen historischen Beschluss fasste. Am 17. Januar 1964 sprach sie für die Waggons der seit 1912 existierenden U-Bahn ein absolutes Rauchverbot aus, das bereits drei Tage später, am 20. Januar 1964, in Kraft treten sollte. Das Verbot betraf rund eine halbe Million Menschen, die zu diesem Zeitpunkt täglich die U-Bahn nutzten.

„Ohne Proteste“ sei der Umstieg auf das Rauchverbot in Hamburgs U-Bahnen erfolgt, berichtet das Hamburger Abendblatt am 21. Januar 1964. Wer trotz des Verbots mit brennender Zigarette in den U-Bahn-Waggon einstieg, sei von Mitfahrern auf das „Tabu“ aufmerksam gemacht worden. Zu der friedlichen Stimmung in den Januartagen vor 50 Jahren dürfte auch das U-Bahn-Personal beigetragen haben. Schließlich sollte es sich gegenüber Verstößen „tolerant“ zeigen und – so lautete eine interne Dienstanweisung – sich mit folgenden Worten an den „Missetäter“ wenden: „Bitte stellen Sie das Rauchen ein.“

Auch wenn der Zeitraum von der Entscheidung über das Rauchverbot bis zu dessen Umsetzung für heutige Verhältnisse kurz bemessen scheint, hatten die Verantwortlichen bei der Hochbahn ihren Entschluss nicht unvorbereitet getroffen. In einer Studie hatten sie einige Monate zuvor herausgefunden, dass zwar 54 Prozent der Fahrgäste Raucher sind, aber lediglich 15,6 Prozent ungern darauf verzichten würden, in der Bahn zu rauchen.+

Schaffner ließen sich per Attest vom Dienst im Raucherwagen befreien

Als das Rauchverbot beschlossen wurde, unterstützte also die übergroße Mehrheit der U-Bahn-Nutzer diese Entscheidung. „Wir können uns diesem überwältigenden Votum gegen das Rauchen nicht länger verschließen“, erklärte daher die Hochbahn. In den Tagen der Umstellung mussten Handwerker Hunderte in den U-Bahn-Zügen angebrachte „Raucher“-Schilder entfernen. Zudem klebten sie Plakate an die Zugfenster, auf denen das Verbot verkündet wurde.

Die Diskussion darüber, ob in der U- oder Straßenbahn geraucht werden dürfe, hatte bereits Jahre gedauert. Ausgangspunkt war der Alltag in voll besetzten Bussen und Bahnen, in denen sich Fahrgäste – vor allem zur Rushhour – eng drängten. „Im ersten Wagen, einem ‚Raucher‘, gibt es Ärger“, hieß es in einer Reportage des Abendblatts aus dem Dezember 1962. Und weiter: „Ein Mann mit Zigarette hat seiner Nachbarin ein pfenniggroßes Loch in den Mantel gebrannt. Natürlich nicht mit Absicht. ‚So was kann ja mal vorkommen‘, meinte er entschuldigend. Aber die Dame ist ganz anderer Meinung. Sie protestiert mit tränenerstickter Stimme, und manche Zeugen ihres Pechs pflichten ihr bei.“

Proteste gab es auch wegen der schlechten Luft in den Raucherwagen. In den „ohnehin schlecht gelüfteten Wagen“ sei es sowohl für Nichtraucher als auch Nichtrauchende eine Zumutung, in die Stadt zu fahren, vermerkte das Abendblatt. „Viele Schaffner haben der Hochbahn bereits ärztliche Atteste präsentiert: Sie dürfen nicht mehr im ‚Raucher‘ Dienst machen.“

Im Übrigen verursachte das Säubern der besonders verdreckten Raucherwagen hohe Mehrkosten. Rund 100.000 Mark musste seinerzeit allein die Straßenbahn für eine zusätzliche Reinigung der Raucherwagen aufbringen. Das entsprach in jenen Jahren dem Wert von zwei fabrikneuen Omnibussen. Die Hochbahn begründete das geplante Rauchverbot in der U- und Straßenbahn zudem mit einer besseren Auslastung der Wagen. So war den Verantwortlichen aufgefallen, dass Raucherwagen weniger als Nichtraucherwagen genutzt wurden.

Allerdings gab es auch Reaktionen, die sich mit einem Rauchverbot kritisch beschäftigten. So bedauerte ein Abendblatt-Leser in einem Brief an die Redaktion das Rauchverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln und meinte: „In einer Atmosphäre gegenseitiger Toleranz würde sich sicherlich ein Weg finden lassen, der sowohl Rauchern als auch Nichtrauchern gerecht wird.“

Der damalige Hochbahndirektor Kross meinte zwei Jahre vor der Einführung des Rauchverbots sogar noch: „Wir wollen es mit niemandem verderben.“ Voraussetzung für ein Verbot sei, dass die überwiegende Mehrzahl der Fahrgäste sich entschieden gegen den Qualm ausspreche. Den vielen Zuschriften könne man jedoch entnehmen, dass das Rauchen auch von zahlreichen Nichtrauchern nicht als Belästigung empfunden werde, so Kross.

Paris, New York, Madrid und sogar Moskau hatten es vorgemacht

Letztlich folgte die Hochbahn mit ihrer Entscheidung einem Trend anderer Großstädte. So hatten bereits Paris, New York, Stockholm, Boston, Toronto, Madrid und Moskau den „blauen Dunst“ aus den U-Bahnen verbannt. In den Hamburger Straßenbahnen galt das Rauchverbot seit Anfang 1961.

Die S-Bahn war von dem Verbot zunächst nicht betroffen. In deren Waggons durfte noch bis Ende September 1973 geraucht werden. Das Rauchverbot galt auch nicht für die Bahnsteige. Hier setzte die Hochbahn es erst 2003 durch.

Die positiven Reaktionen auf das Rauchverbot standen im Gegensatz zu dem Trend der Zeit. In den Jahren des Wirtschaftswunders galt Rauchen nämlich als cool und sexy. Stars und Politiker rauchten ganz selbstverständlich bei ihren Auftritten im Fernsehen. Und in Filmen der späten 60er- und frühen 70er-Jahre waren die Schauspieler ganz selbstverständlich mit Glimmstängel zu erleben. Das Image des Rauchens änderte sich erst in den 70ern. Seit den 80er-Jahren gewann die Nichtraucherbewegung mehr und mehr an Unterstützung. Bei den Fluggesellschaften setzte sich nach und nach das Rauchverbot durch. In den Zügen der Deutschen Bahn gilt es seit 2007.