Am 1. Februar 1989 wurde das Landeskriminalamt Hamburg gegründet. Anlass waren eine Welle der Gewalt und internationale Drogenbanden. Heute ist das LKA mit seinen 2100 Mitarbeitern das zweigrößte in Deutschland.

Hamburg. Die Dealer hatten die Hansestadt zur Drehscheibe des Kokainhandels in Nord- und Westeuropa machen wollen. Tonnenweise sollte das weiße Pulver aus Kolumbien über den Hafen eingeführt und von Mittelsmännern übernommen werden. Der ehrgeizige Plan endete mit Festnahmen an der Kieler Straße. Im Oktober 1989 begann das Verfahren in dem Fall, den die Polizei als „den größten dieser Art“ feierte.

Doch das war nicht allein Grund für die Freude: Es war auch die erste große und vor allem erfolgreich bestandene Bewährungsprobe des noch jungen Hamburger Landeskriminalamtes (LKA), das nur neun Monate zuvor gegründet worden war.

Anfang März des Jahres hatten sich 300 Polizeiführer und Gäste aus Politik und Wirtschaft ein Stelldichein im alten Polizeihochhaus am Berliner Tor gegeben und die LKA-Gründung bei „Sekt, Saft und Salzgebäck“ gefeiert, wie ein Redakteur konstatierte. Vollzogen worden war sie allerdings schon einen Monat zuvor: Am 1. Februar, und damit heute genau vor 25 Jahren, hatte Polizeipräsident Dirk Reimers dem Leitenden Kriminaldirektor Wolfgang Sielaff das Ruder über mehr als 1200 Kriminalbeamte übergeben, in Form eines Ausdrucks des Organisationsplans.

Die neuen Strukturen waren notwendig, um auf die veränderte Verbrechenslage reagieren zu können. „Kriminalität war internationaler, professioneller geworden“, erinnert sich Sielaff, der heute die Geschicke der Opferschutzorganisation Weißer Ring in Hamburg lenkt. Man habe sich neu aufstellen müssen. Grund: „Die 70er- und die 80er-Jahre stellten eine große Herausforderung für die Polizei dar.“ Es war die Zeit spektakulärer Kriminalfälle. Hamburg war ein Brennpunkt des Verbrechens. Verantwortlich dafür war ein neues Phänomen: Tätergruppen, die international agierten und vor Gewalt nicht zurückschreckten. Und die die regionalen Täter nicht ablösten, aber verdrängten.

Ende der 70er-Jahre etwa herrschten die Hell Angels im Schanzenviertel. Von ihrem Vereinslokal Angel Place an der Schanzenstraße aus verbreiteten sie Schrecken, sammelten Schutzgeld bei den Gastronomen am Pferdemarkt ein, kontrollierten Teile des Rotlichtgewerbes. Und sie wurden mit Menschenhandel, Körperverletzung und sogar Tötungsdelikten in Verbindung gebracht.

Auf dem Kiez eskalierte damals zudem der blutige Streit zwischen den Zuhältergruppen „GmbH“ und der Nutella-Bande. Mit der Aids-Epidemie war das horizontale Gewerbe in der Krise, ihre Protagonisten wandten sich dem Drogenhandel zu. Einer der traurigen Höhepunkte waren die Taten des Killers Werner Pinzner, der Auftragsmorde beging. Bei einer Vernehmung im Polizeihochhaus erschoss er am 29. Juli 1986 seine Frau sowie den Staatsanwalt Wolfgang Bistry und sich selbst mit einer eingeschmuggelten Waffe.

In dieser Zeit beschritt die Kripo neue, überaus erfolgreiche Wege: Erstmals wurden verdeckte Ermittler eingesetzt und ein Zeugenschutzprogramm aufgelegt. Denn auch wenn das Konzept für das Landeskriminalamt erst seit 1988 entwickelt wurde, so waren die ersten Schritte hin zu einer modernen Kriminalpolizei bereits einige Jahre zuvor gemacht worden: 1982, mit dem Aufbau der Kriminalinspektion Organisierter Kriminalität (OK), der ersten in Deutschland überhaupt. Ein Modell, das von vielen Bundesländern übernommen wurde. Von ihr gingen die ersten Impulse für das spätere LKA aus.

Die Erfolge der Ermittler – sie holten 1983 zum Schlag gegen die Hells Angels aus, die verboten wurden – sind nicht nur bundesweit bestaunt worden, sie stärkten auch das Selbstwertgefühl. „Doch das war nicht alles“, sagt Sielaff. „Durch die Einrichtung einer kriminologischen Forschungsstelle und einer fundierten Kriminalitätsanalyse haben wir die Professionalisierung der Verbrechensbekämpfung gefördert.“

1989 reihte sich das LKA neben den vier Polizeidirektionen und der Bereitschaftspolizei als sechste Abteilung der Polizei ein. Dafür wurden die Fachdirektionen Spezielle Verbrechensbekämpfung (mit OK-Abteilung) und der Staatsschutz unter einem Dach und eigener Führung zusammengefasst, und die Schlagkraft erhöht. Von der Neuordnung allerdings ausgenommen waren die Kripobeamten, die an den Kommissariaten „in der Fläche“ arbeiteten.

Ein Blick in die Statistik von 1989 zeigt, welche Herausforderungen auf das neue LKA warteten: 5000-mal leerten professionelle Taschendiebe den Hamburgern die Taschen. Organisierte Banden stahlen fast 20.000 Fahrräder, die sich auf Wochenmärkten in Holland wiederfanden. Fast 12.000 vollendete Wohnungseinbrüche gingen zumeist auf das Konto international agierender Einbrechergruppen (heute sind es knapp 4000). Alle zwei Minuten wurde eine Straftat verübt.

Hinzu kamen weitere spektakuläre Fälle, insbesondere Entführungen und Erpressungen: Fälle von Produkterpressungen hielten die Ermittler in Atem. Der als Dagobert bekannt gewordene Kaufhauserpresser Arno Funke narrte die Polizei über Jahre, bis er 1994 festgenommen wurde. 1996 wurde der Erbe eines Zigarettenunternehmens, Jan Philipp Reemtsma, entführt und erst nach 33 Tagen gegen ein Lösegeld von 30 Millionen wieder freigelassen.

Die 90er-Jahre waren auch die Zeit, in der die Verteilungskämpfe auf dem Kiez aufflammten. Kosovo-Albaner schossen auf Tirana-Albaner – und umgekehrt. Unbeteiligte wie der Altonaer Kaufmann Bernd Heede gerieten zwischen die Fronten. Die 90er-Jahre waren die große Zeit der Osmani-Brüder, die mit dubiosen Immobiliendeals auf sich aufmerksam machten. Ermittlungen in großen Betrugsfällen, wie gegen den Millionenbetrüger Jürgen Harksen oder den Stadtplanerben Alexander Falk prägten die Jahrtausendwende.

Nicht nur die EU-Osterweiterung und der islamistische Terrorismus nach den Anschlägen vom 11. September 2001 forderten die Ermittler. Mit dem aufkommenden Internet und der fortschreitenden Digitalisierung änderte sich die kriminalistische Arbeit erneut und grundlegend. Stichwort: Cybercrime.

„Das Internet hat das Berufsbild des Kriminalbeamten total auf den Kopf gestellt“, sagt der aktuelle Chef des Landeskriminalamtes, Thomas Menzel. Der 56-Jährige war lange Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität.

„Die spektakulären Kriminalfälle wie in den 80er-Jahren finden Sie heute kaum noch“, sagt Menzel. Jetzt spiele sich Betrugskriminalität fast ausschließlich im Netz ab. Zudem gebe es heute kaum noch eine Tat, die nicht das Wissen von Experten fordere. „Wenn wir früher Informationen in einem Wirtschaftsverfahren sammeln wollten, sind wir mit einem Transporter angerückt und haben Akten eingepackt.“ Heute hingegen würden die Daten auf Festplatten gespiegelt und dann ausgewertet.

25 Jahre nach seiner Gründung hat das LKA zudem einen weiteren Organisationsschritt vollzogen. Mit der Neuorganisation der Polizei wurden alle Kriminalisten, auch die an den Kommissariaten, direkt dem Landeskriminalamt unterstellt. Mit seinen heute knapp 2100 Mitarbeitern ist es damit das zweitgrößte in Deutschland.