Immer mehr kleine Röstereien in Hamburg bereiten die rohen Bohnen auf traditionelle Weise in Handarbeit zu. Die Bergedorferin Elke Timm erklärt, worauf es bei der Zubereitung ankommt.

A n fast jeder Ecke, beim Bäcker, in der Tankstelle, an der Pizzabude oder im Kiosk gibt es mittlerweile das Kultgetränk Kaffee. Im Becher zum Mitnehmen, auf die Schnelle am Stehtisch oder klassisch im Café. Hamburg ist mit seinem Hafen Europas größter Umschlagplatz für Kaffee. Der Trend geht zu kleinen Röstereien. Mehr als ein Dutzend von ihnen bieten in der Hansestadt ihre Spezialitäten an. Wie beispielsweise in Bergedorf beim Röster Timm am Sachsentor, wo man auch Antworten auf nicht alltägliche Fragen erhält.

Das Sachsentor ist eine Fußgängerzone, auf die das kleinstädtische Bergedorf stolz ist. Hier regiert noch die Gemütlichkeit: mit einem Platz, einem richtigen Brunnen und Parkplätzen in der Nähe. Hier ist die von vielen kritisierte Entwicklung von Quartieren zur Ansammlung von Coffeeshops nicht soweit, dass Front gegen eine „Lattemacchiatosierung“ gemacht wird.

Fein duftet es bei Timm nach Schokolade, Keksen, Karamell, Bonbons und Kaffee. Das Unternehmen mit 20 Mitarbeitern wurde 1918 gegründet. Hinten in dem Fachwerkhaus steht seit mehr als 50 Jahren ein Trommelröster der Firma Probat, die für ihre Geräte mit den Worten „Wir sind die teuersten“ selbstbewusst wirbt.

Stolz ist auch die Chefin Elke Timm. Mehrmals wurde das Unternehmen für die Qualität des gerösteten Kaffees ausgezeichnet, so vom „Feinschmecker“ und der Zeitschrift „Öko-Test“. Nur Coffee to Go gibt es nicht. Doch genau diesen findet Elke Timm so sympathisch. „Ich bin glücklich, dass sich die jungen Menschen wieder mit unseren Produkten beschäftigen.“ Das sei so, seit Starbucks auf dem Markt sei. „Damit ist der Anspruch auf einen wirklich guten Kaffee auch bei anderen Kunden gewachsen “, sagt sie. Früher hätte das Getränk einen altmodischen Beigeschmack nach Kaffeekränzchen gehabt. Was ist heute ein wirklich guter Kaffee?

Den Anfang zeigt Röstmeister Claus-Dieter Stormer, der 30 Kilogramm Hochlandkaffee aus Kenia in die Probat-Trommel füllt. Im Gegensatz zur Industrie röstet der Kaffee hier nicht in Tonnen wenige Sekunden sondern zwölf bis 15 Minuten. Trotzdem kommt es auf Sekunden an, in denen auch nach Gehör die Maschine geregelt werden muss. Am Schaltpult kleben handschriftliche Regeln, wie „rauslassen, einlassen, Feuer geben, sonst Hektik!“ Beachten müsse man auch den Luftdruck, denn bei einem Tief dauere die Röstung länger.

Wichtig für die hohe Qualität seien die geringen Röstmengen. „Bei uns kann man fast noch jede Bohne einzeln sehen“, sagt die Chefin. Einen wirklich guten Kaffee würde man an seiner feinen Säure erkennen, was sehr exklusiv sei. „Die feine Säure ist etwas Besonderes und man schmeckt sie nur. Sie ist nicht bitter, und man merkt sie nicht im Magen“, sagt Elke Timm. Und das hätten nur die teuren Hochlandkaffees zur Hochsaison. „Wir kaufen das ganze Jahr diesen seltenen Kaffee, der noch in Säcken gehandelt wird, denn irgendwo hat eine Sorte immer Saison.“ Bis zu 1000 Sack Rohkaffee verarbeitet die Firma Timm jährlich. „Damit sind wir einer der größten unter den kleinen Röstern“, sagt Elke Timm. „Schon in den 90er-Jahren wagten wir uns mit sortenreinem Lagenkaffee in die Super-Premium-Liga, die es damals nur in den USA und Japan gab.“

Fünf Jahre hat Elke Timm mit der Maschine Rösten und Verkosten gelernt. Letzteres wird wie zu Großmutters Zeiten in der Porzellankanne gemacht. „Der frisch gemahlene Kaffee kommt in die vorgewärmte Kanne. Darauf wird kochendes Wasser gegeben“, sagt sie, „Dann wartet man, bis sich der Kaffee gesetzt hat.“ Das heißt, bis sich der Kaffeeschrot am Boden gesammelt hat. Was empfiehlt sie für zu Hause?

„Am besten sind die Drückkannen. Wer den höchsten Genuss will, mahlt seinen Kaffee kurz vorher.“ Frisch gekochten Kaffee sollte man nicht länger als 15 Minuten warm halten und die gekauften Kaffeebohnen nicht länger als drei Wochen aufheben.

Der Preis für eine Tasse Kaffee im Restaurant gilt als „politischer Preis“, mit dem Gastronomen die Zusammensetzung der Gäste steuern – je höher, desto anspruchsvoller. Doch das scheint sich zu ändern. Denn seitdem Kaffee ein Trendgetränk ist, gibt es sehr uneinheitliche Preise. In Zügen der Deutschen Bahn kostet eine Tasse Filterkaffee 2,90 Euro. Für Latte Macchiato zahlt man in Hamburg zwischen 99 Cent und 3,10 Euro. Ein Pfund Industrie-Kaffee ist im Supermarkt für 3,29 Euro zu haben. Während man für Kaffee-Pads mehr als 30 Euro ausgeben kann, um soviel Kaffee trinken zu können, wie ein Pfund ergibt.

Das Pfund handgemachter Kaffee kostet bei Timm 5,95 bis 10,95 Euro. 25 Sorten bietet Timm an. Einer der Renner ist der „Bergedorfer Kaffee“, ein Arabica-Kaffee „für höchste Ansprüche“, der als „rassig und kraftvoll“ beschrieben wird. Arabica gilt als die hochwertigste Bohne.

Gibt die Rösterei-Chefin unterwegs auch zwei Euro für eine Tasse Kaffee aus? „Ja, ich zahle das gern, wenn die Qualität, das Ambiente und der Service stimmen, und wenn der Kaffee keine Fehler hat. Kaffeetrinken ist ja ein Erlebnis.“ Fehler? Wie erkennt man die?

„Es gibt Fehler im Aufguss, wenn Kaffee zu lange heiß gehalten wird. So eine halbe Stunde bei 70 Grad – das geht gar nicht“, sagt sie. Der Kaffee würde dann bitter und „nach Zahnarzt“ schmecken.

Kaffee müsse „Charakter haben“, dürfe nicht nur „eine braune Brühe“ sein. Und dünner Kaffee, bei dem man „den Tassenboden sieht“, ist für Elke Timm auch nicht akzeptabel. Denn Kaffee brauche eine gewisse Stärke, weiß die Expertin.

Bei Timm am Sachsentor liegt neben Tausenden goldfarben und bunt verpackten Keksen und Bonbons ganz unten im Regal auch grünlicher Rohkaffee. Der kostet 5,95 bis 9,95 Euro pro Kilogramm. „Seit einiger Zeit haben wir Kunden, die sich für zu Hause eine kleine Röstmaschine für etwa 500 Euro gekauft haben.“ Was zumindest zeige, dass der Kaffeegenuss den Menschen lieb und teuer sei.