Senator verschärft Anforderungen. Jährlich soll das Wissen in Diktaten getestet werden

Hamburg. Die Rechtschreibung soll an den Hamburger Grundschulen ein stärkeres Gewicht erhalten. Schulsenator Ties Rabe (SPD) will zum nächsten Schuljahr einen verbindlichen Kernwortschatz festlegen, den die Schüler am Ende der vierten Klasse beherrschen sollen. „Der Kernwortschatz soll rund 800 Wörter umfassen, die wir in der Schulbehörde bis zum Sommer erarbeiten wollen“, sagte Rabe. Der Senator rechnet mit „turbulenten Diskussionen“ über die Auswahl der Wörter.

Der Kanon orientiert sich unter anderem am Vorbild Bayern, wo Schüler bereits einen Grundwortschatz von rund 700 Wörtern erlernen. Zum einen wird der Hamburger Kernwortschatz sehr häufig verwendete Wörter umfassen, zum anderen solche, mit denen sich die Rechtschreibregeln besonders gut üben lassen („Funktionswörter“). „Insgesamt lernen die Schüler natürlich sehr viel mehr Wörter“, sagte Rabe. Die einzelnen Schulen sollen zudem die Möglichkeit erhalten, bis zu 400 Wörter zusätzlich nach eigenen Schwerpunkten in den Kanon aufzunehmen.

Außerdem soll die Rechtschreibleistung der Schüler künftig jährlich überprüft werden. „In den Klassen 1 bis voraussichtlich 10 wird einmal im Jahr ein Rechtschreibtest gemacht“, sagte Rabe. Vor allem sollen Lehrer anhand des Diktats erkennen, welche Schüler welche Rechtschreibregeln noch nicht beherrschen. Noch sei offen, ob die Tests im Rahmen der „Hamburger Schreibprobe“ auch benotet werden.

Schließlich soll es eine Handreichung zur Rechtschreibung für Lehrer geben. Darin soll auch erläutert werden, dass die umstrittene Lernmethode „Lesen durch Schreiben“ nach den Zielsetzungen des Lehrplans Deutsch nicht erlaubt ist. Bei dieser Methode schreiben Schüler zunächst unkorrigiert Wörter so auf, wie sie sie hören. Ein ausdrückliches Verbot der Methode, die manche für die gesunkenen Rechtschreibleistungen verantwortlich machen, will Rabe im Lehrplan jedoch nicht.

„Das ist ein guter Tag für Hamburgs Schüler“, sagte die CDU-Schulpolitikerin Karin Prien. Die Union hatte eine Expertenanhörung zum Thema Rechtschreibung im Schulausschuss der Bürgerschaft durchgesetzt und unter anderem die Einführung eines Grundwortschatzes gefordert. „Ein fester Grundwortschatz ist wichtig“, sagte Prien. Die CDU-Politikerin kritisierte, dass Rabe den Lehrplan Deutsch nicht ändern will, um die Methode „Lesen durch Schreiben“ zu verbieten.

Kritik kommt auch von der FDP. „Es reicht nicht aus, wenn Rabe jetzt eine Handreichung für Lehrer erarbeiten lässt“, sagte die FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels. Die Vorgaben der Lehrpläne seien „höchst vage und lassen Spielräume auch für die Anwendung der offenbar nicht förderlichen Methode ,Lesen durch Schreiben‘“.

Völlig anderer Ansicht ist Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg: „Ein fester Grundwortschatz ist purer Aktionismus, der mehr schadet als nützt.“ Das Vorgehen berge die Gefahr, dass Rechtschreibunterricht „zu einem stupiden Auswendiglernen verkommt“. Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn warnte Rabe davor, „die Schulen mit Rechtschreibtests und Kernwortschatz an die kurze Leine zu legen“. Für Rabe ist es „unstrittig, dass die Schüler heute größere Probleme in der Rechtschreibung haben als in den 60er-Jahren“.