Adoption: Gedanken eines Jugendlichen über seine Herkunft und seine Familie

Mein Name ist Thanh Bender. Ich wurde am 7. Dezember 1997 in Ho Chi Minh-City in der Nähe von Saigon in Vietnam geboren. Anfang des Jahres 1998 hat mich eine deutsche Frau adoptiert. Sie wurde meine Mutter. Meine leiblichen Eltern kenne ich bis zum heutigen Tag nicht. Sie haben mich Thanh van Nguyen genannt.

Im Jahr 1998 wurden in Deutschland mehr als 7000 Kinder adoptiert. 430 Kinder davon kamen laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden aus dem Ausland in deutsche Familien. Ich war eines von ihnen.

Die meisten Adoptionen von ausländischen Kindern finden im Waisenhaus oder direkt von sehr armen Familien vor Ort statt. Die armen Familien, die ihr Kind zur Adoption freigeben, überlegen es sich gründlich. Sie wollen eigentlich ihr Kind nicht weggeben. Es ist schwer für die Eltern, sich von ihrem Kind zu trennen, und sich vorzustellen, dass sie es vielleicht nie wieder sehen. Aber sie möchten auf keinen Fall, dass es in Armut aufwächst.

Auch die adoptierten Kinder haben Probleme mit der Adoption, aber erst später. Meine Mutter und ich kennen viele Adoptionsfamilien mit ihren Geschichten. Wenn die Kinder bei den Adoptiveltern aufwachsen, fällt es ihnen über lange Zeit gar nicht auf, dass sie adoptiert wurden. Sie denken, alles läuft normal wie bei anderen Kindern auch. Irgendwann, wenn sie schon älter sind, verstehen sie, dass die Eltern, mit denen sie leben, gar nicht die leiblichen Eltern sind.

Plötzlich erkennen sie im Spiegel, dass sie anders aussehen. Dann schauen sie sich die Eltern an und erkennen, dass es nicht die leiblichen Eltern sein können. Das ist ein großer Schock für die Kinder. Manchmal sind sie darüber sehr traurig. Sie stellen die Eltern zur Rede: Warum habt ihr das gemacht? Wenn die Kinder die ganze Geschichte erfahren und verstehen, dass es ihnen viel besser geht als dort, wo sie geboren wurden, dann freuen sie sich wieder an ihrem Leben mit ihren Adoptiveltern. So geht es mir und meinen Freunden, die auch adoptiert wurden. Wir alle möchten aber in unsere Heimat fliegen und den Ort sehen, wo wir herkommen. Viele Adoptionskinder wollen zu gern die leiblichen Eltern kennenlernen. Sie wollen sehen, wie die Familie dort lebt und vergleichen, wie sie es bei den Adoptiveltern haben. Denn bei ihnen fühlen sie sich zu Hause. Das haben sie nur Gott zu verdanken.