Der umworbene HSV-Profi Hakan Calhanoglu im Interview. Batuhan Berk Zan hat mit ihm für das Abendblatt über Tore und Träume gesprochen

Hakan Calhanoglu, 19, ist Fußballprofi und spielt seit Sommer 2013 für den HSV. Der junge Deutschtürke hat sich innerhalb eines halben Jahres zu den wichtigsten Spielern der Mannschaft entwickelt. Als sich HSV-Kapitän van der Vaart im November 2013 verletzte, musste Calhanoglu die Aufgabe des Spielmachers übernehmen, was ihm auch gut gelang. Batuhan Berk Zan, Schüler der Klasse 10c der Privaten Stadtteilschule St. Georg, hat für das Hamburger Abendblatt mit Hakan Calhanoglu gesprochen.

Hamburger Abendblatt:

Du bist vor der aktuellen Saison zum HSV gewechselt. Hast du dich schon eingelebt? Wie sind die neuen Mannschaftskollegen?

Hakan Calhanoglu:

Ja, kurz nachdem ich zum HSV gewechselt bin, war ich nervös. Ich wusste, dass hier große Namen spielen wie van der Vaart oder Jansen. Den ersten Schritt zu machen, ist nicht einfach. Ich habe mich vorher schon öfter bewiesen und gezeigt, dass ich es kann. Deswegen habe ich das Angebot bekommen und deswegen bin ich jetzt auch Spieler des HSV. Nach einiger Zeit habe ich mich dann an die neue Mannschaft gewöhnt und wusste genau, dass ich mich hier durchsetzen kann. Das war eine Frage der Zeit, bis ich mich durchgesetzt habe.

Thema van der Vaart. Du hast in drei Spielen Rafael van der Vaart ersetzt. Ist es schwer, so einen Top-Spieler zu ersetzen?

Calhanoglu:

Ja, auf jeden Fall. Es waren sehr viele Augen auf mich gerichtet. Ich wusste am Anfang, dass es nicht leicht wird, so jemanden wie Rafael zu ersetzen. Letztendlich habe ich die Aufgabe bekommen und musste diese Aufgabe lösen. Ich denke, ich habe die Aufgabe gut gelöst, habe in den drei Spielen, in denen er gefehlt hat, zwei Tore gemacht und somit wurde es von außen ruhiger. Deswegen erhielt ich den Namen Prinz Hakan.

Fatih Terim, Nationaltrainer der Türkei, hat dich dieses Jahr zur türkischen Nationalmannschaft eingeladen. Wie ist das Gefühl, für sein Land aufzulaufen und sein Land zu repräsentieren?

Calhanoglu:

Ein gutes Beispiel dafür ist Mesut Özil. Im Herzen ist man immer ein Mensch, man muss sich für ein Land entscheiden. Da ich stolzer Türke bin und auch für mein Land spielen wollte, habe ich mich letztendlich für die Türkei entschieden. Obwohl es für mich keine leichte Entscheidung war, weil ich dann für immer für die Türkei spielen muss. Die Deutschen wollten mich auch, aber ich wollte unbedingt mit Fatih Terim zusammenarbeiten, weil er ein sehr guter und erfahrener Trainer ist. Von daher bin ich froh, dass ich diese Entscheidung getroffen habe, weil ich ganz genau weiß, dass ich in der Türkei auch einen großen Namen habe.

Du bist diese Saison in die Bundesliga gewechselt und wurdest für die Nationalmannschaft nominiert. Welche weiteren Ziele strebst du im Fußball an?

Calhanoglu:

Bis jetzt läuft es bei mir sehr gut. Ich habe für den HSV 15 Spiele bestritten, alle Partien mehr oder weniger gut gespielt und ich hoffe natürlich, dass es so weiter geht. Meine anderen Ziele sind, dass ich mit dem HSV in die Euro League komme oder mal Champions League spiele, aber die Chance ist leider nicht so groß. Man hat trotzdem weitere Ziele und mein Ziel ist es, in der Bundesliga weiter zu spielen, weil ich ganz genau weiß, dass die Bundesliga im Moment die beste Liga der Welt ist. Ich habe auch andere Angebote vorliegen. Zum Beispiel aus der Türkei. Aber dafür ist es für mich noch zu früh. Ich bin erst 19 Jahre alt und ich habe noch vieles vor mir. Es ist eine Frage der Zeit, denn letztendlich kann im Fußball alles passieren.

Du hast bestimmt selbst noch Vorbilder oder hattest welche. Für viele Kinder und junge Türken bist du ein Idol. Wie ist es, ein Vorbild für andere zu sein?

Calhanoglu:

Es war stets mein Ziel, jemandem ein Vorbild zu sein. Mein Vorbild war immer Andres Iniesta. Er ist klein, er ist körperlich robust, aber hat auch sehr viele Fähigkeiten nach vorne und kommt mit seiner Qualität immer durch. Und jetzt bin ich auch ein Vorbild für junge Spieler geworden, und so etwas zu hören, ist natürlich schön und macht einen stolz. Als Vorbild sollte man aber auch charakterlich gut sein, man muss immer sympathisch bleiben, immer auf den Boden bleiben und man darf nie vergessen, wo man her kommt.

Hast du Tipps für jüngere Fußballer, wie sie sich langsam hocharbeiten können, um irgendwann auch als Profi auflaufen zu können?

Calhanoglu:

Ich wollte jeden Tag Fußball spielen. Als ich noch in der Grundschule war, wollte ich nie zur Schule und habe manchmal sogar Stunden geschwänzt, um morgens Fußball spielen gehen zu können. Ich habe immer an meine Ziele geglaubt, dass ich es wirklich schaffen kann, dass ich das Talent habe. Auch dank meiner Familie und meiner Eltern. Sie standen immer hinter mir, haben mich immer unterstützt und betreuen mich immer noch. Ich bin sehr stolz auf meine Eltern, dass sie mich so weit gebracht haben. Man darf nie seine Ziele aus den Augen verlieren.

Wo denkst du, würdest du jetzt stehen, wenn du kein Profi geworden wärst?

Calhanoglu:

Gute Frage. Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Ich war in der Schule nicht wirklich der Beste. Ich habe eine Ausbildung gemacht als Sport- und Fitnesskaufmann. Beruflich würde ich gerne mal Polizist oder etwas ähnliches werden, weil mich solche Berufe wirklich interessieren. Außer Fußball würde ich, glaube ich, nichts schaffen, weil ich mit meinem Talent Fußballer geworden bin. Der liebe Gott hat mir das Talent gegeben und was danach passieren wird oder kann, weiß ich nicht.

Ich kann mir gut vorstellen, dass in letzter Zeit sehr vieles in deinem Leben passiert ist und du viel zu tun hast wie Termine, Training, Spiele. Hast du überhaupt noch Zeit für Familie, Freunde, Freizeit und Hobbys?

Calhanoglu:

Ich habe jeden Tag Training. Meistens können wir bis 10 oder 11 Uhr ausschlafen. Dann gehen wir mit Mannschaftskollegen wie zum Beispiel Tolgay Arslan frühstücken. Um 16 Uhr ist meistens Training und wenn wir mal einen Tag frei haben, versuche ich natürlich, mich so gut es geht auszuruhen. Da ich gern shoppen gehe, gehe ich manchmal in die Stadt, aber ansonsten ruhe ich mich aus. Die Belastung in der Ersten Bundesliga ist sehr hoch. Man muss sich genug ausruhen, da der eigene Körper das Kapital ist. Mit den Freunden ist das so, dass man sich in den Ferien treffen kann und man versucht so oft es geht, die Familie zu besuchen, aber wenn die Gelegenheit da ist, trifft man sich mal mit den Jungs.

Bei vielen bist du bekannt als einer der gefährlichsten Freistoß-Schützen der Liga. Hast du eine besondere Technik oder trainierst du für deine Schüsse?

Calhanoglu:

Früher, als ich 14 oder 15 war, bin ich immer mit meinem Vater zusammen auf den Bolzplatz gegangen und er stand im Tor. Immer, wenn der Ball im Netz war, meinte mein Vater, dass es nicht zählte. Die Tore zählten nur, wenn sie davor den Pfosten oder die Latte berührt hatten. So habe ich meine Präzision immer weiter gesteigert und somit wurden meine Schüsse immer besser. Ich glaube, es lag aber auch daran, dass ich schon immer einen guten Schuss hatte. Ich habe früher immer meine Schüsse geübt und übe immer noch nach dem Training mit unserem dritten Torwart Sven Neuhaus. Ich versuche, mich auch immer individuell zu steigern.

Letzte Frage: Messi oder Ronaldo?

Calhanoglu:

Beide Spieler sind absolute Weltklasse und in jedem Spiel richtig stark. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich Cristiano Ronaldo wählen. Ich bin ein Fan von Cristiano Ronaldo. Lionel Messi war sehr gut. Vor ein, zwei Jahren war er richtig stark. Jetzt finde ich, ist er ein bisschen abgehoben und hat außerdem ein bisschen nachgelassen. Ronaldo ist immer noch stark, macht immer noch seine Aufgaben, er schießt immer noch Tore. Über ihn wird schlecht geredet. Er sei arrogant, heißt es. Das ist er nicht. Das bewundere ich an ihm. Er besucht kranke und behinderte Menschen. So etwas ist für mich bemerkenswert. Ich mag seinen Style, wie er auftritt, wie er Tore schießt und wie locker er ist. Deswegen bin ich ganz klar ein Fan von Cristiano Ronaldo.