„Viele Beamte tun Arbeit, zu der wir selbst keine Lust hätten“

Stärkere soziale Ungleichheit stellt uns 2014 vor eine Riesenaufgabe. Die Diskussion über die Lampedusa-Flüchtlinge hat unseren Blick geschärft und die Diskussion intensiviert. Dabei bekommt ein Kernpunkt zu wenig Beachtung: Unsere Gesellschaft basiert auf dem Stellvertreterprinzip. Aber respektieren und schützen wir die wenigen, die ungeliebte wichtige Arbeit für uns machen? Warum diskutieren wir über Stärken und Schwächen der Senatsarbeit, aber vergessen die Nachricht sofort, dass die Wohnung eines Hamburger Politikers mit Steinen oder Farbbeuteln beworfen wurde? Warum macht es für einige von euch einen Unterschied, wenn mein Neffe bei einer Demo mit Steinen beworfen würde und nicht unbekannte Polizisten?

Wir wählen, wir beauftragen. Parlament wie Polizei basieren darauf. Stellvertretend für uns alle übernehmen einige Hamburger/-innen entscheidende Arbeit, zu der wir selber keine Lust hätten. Ich möchte nicht als Politikerin, Bürgerschaftsabgeordnete oder bei der Polizei arbeiten. Aber ich möchte unbedingt, dass sich kluge und offene Menschen in diesen Jobs für unsere Stadt einsetzen. Sie sollen kritisiert werden für weniger gute Arbeit, erst recht für ihre Fehler. Aber als Person müssen sie respektiert werden, und ihre Wohnungen sind privat. Mein Neffe macht eine Ausbildung als Polizist. Seit er elf Jahre alt war wollte er Polizist werden. Zum Erstaunen der Familie war das kein Kindertraum, sondern Berufung. Warum lassen wir Polizisten mit Steinen bewerfen ohne unseren lauten Protest und lesen zugleich mit Interesse in Feuilletons, dass New Yorks neuer Bürgermeister seine „wichtigste Personalentscheidung“ mit der Wahl des neuen Polizeipräsidenten traf?

Was bedeutet uns eine gute Polizei? Was bedeutet uns ein guter Bürgermeister, eine gute Senatorin, wenn wir achselzuckend zur Kenntnis nehmen, dass ihre Wohnungen als Ort für gewaltsamen Protest ausgewählt werden?

Wir wollen als Kulturmacher, als Designer, als Versicherungsangestellte oder Café-Betreiber arbeiten und leben, bitte nicht als engagierte Parteimitglieder, Bürgerschaftsabgeordnete oder Polizisten. Wir können das doch nur, weil andere sich von uns beauftragen oder wählen lassen für die Arbeit, die wir nicht wollen.

Machen wir Bürgerbewegung und schauen wie in den 80er-Jahren herab auf die blöden Bullen?