Wie sich vier Rahlstedter Pastoren auf die Weihnachtsgottesdienste vorbereiten. Unter den Besuchern sind viele, die nur einmal im Jahr in die Kirche gehen.

Rahlstedt. Ulrike Wenn, 45, hat abgewartet. Bis zum 4. Advent. Erst dann fing sie an, ihre Weihnachtspredigt zu schreiben und ihre Gedanken zu Papier zu bringen. „Vorher fällt es mir schwer“, sagt die Vertretungspastorin, die derzeit in der evangelischen Kirchengemeinde Meiendorf-Oldenfelde arbeitet. Um die Gedanken zu ordnen, steigt sie am liebsten auf ihr Fahrrad. Mit dem Zweirad beginnt für sie ganz persönlich der Weg bis zur Weihnachtskrippe, wo vor 2000 Jahren Ochs und Esel gestanden haben sollen.

Fünf Pastorinnen und Pastoren sind in der Kirchengemeinde Meiendorf-Oldenfelde mit ihren 14.000 Mitgliedern tätig. Nach den kirchlichen Strukturveränderungen gehören vier Gotteshäuser zur Gemeinde. Sie tragen den Namen von Dietrich Bonhoeffer und Matthias Claudius, dem „Wandsbecker Boten“. Und sie heißen Jugend- und Rogate-Kirche. Dort, bei der Christmette um 23Uhr, wird sich Ulrike Wenn auch mit philosophisch-besinnlichen Gedanken an die „Weihnachtschristen“ wenden. So jedenfalls hat sie es auf ihrer Fahrradtour entschieden. Auch die anderen Kollegen müssen an diesem Heiligen Abend auf die Kanzel steigen und die wohl schwierigste Predigt im ganzen Jahr halten.

Unter den Besuchern sind viele, die nur einmal im Jahr in die Kirche gehen

Schließlich müssen sie ein höchst unterschiedliches Publikum mit ihren Worten und Gesten erreichen. Dazu zählen die „Weihnachtschristen“, die nur einmal im Jahr den Gottesdienst besuchen, genauso wie Konfessionslose und die kirchliche Kerngemeinde. „Die Erwartungen sind sehr groß. Und die Gefahr, etwas bei den Menschen an diesem Abend kaputt zu machen, ist groß“, sagt Pastor Jakob Delfs.

Zu keiner anderen Gelegenheit im Jahr sind die Kirchen so gut besucht wie am Heiligen Abend. Meiendorf-Oldenfelde rechnet mit rund 2500 Besuchern. Rund ein Drittel aller Kirchenmitglieder, haben Statistiker herausgefunden, kommen am Heiligen Abend in ganz Deutschland in die Kirche. Die evangelische und katholische Kirche zählen am 24.Dezember bundesweit jeweils rund neun Millionen Besucher. Zehntausende werden es wieder in Hamburg sein, die eine alte Geschichte hören und die lieben alten Weihnachtslieder wie „Stille Nacht, Heilige Nacht“ singen wollen. Die Story steht im Lukas-Evangelium, Kapitel 2, und beginnt mit den Worten: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging.“ Es ist die Geburtsgeschichte Jesu.

Natürlich, sagt Pastor Jakob Delfs, seit 24 Jahren in Rahlstedt-Oldenfelde tätig, steht die Weihnachtsgeschichte im Mittelpunkt. „Was machen wir mit dieser Legende?“ – das fragt sich der 56-Jährige aber alle Jahre wieder. Diesmal predigt er am Heiligen Abend, 17 Uhr, in der Bonhoeffer-Kirche und am zweiten Weihnachtsfeiertag auf der Flussschifferkirche. Es wird um Licht und Hoffnung gehen. Und um Zweifel. Delfs bereitet seine Predigt am Computer vor. „Mindestens einen Tag vorher muss sie fertig sein.“

Amtsbruder Nils Christiansen notiert seine Gedanken dagegen ganz ohne PC per Hand auf dem Papier. Er liebt diese traditionelle Weise der medialen Kommunikation. Bei der Christvesper (17Uhr) und der Christmette (23Uhr) in der Rogate- bzw. Matthias-Claudius-Kirche wird er über einen alttestamentlichen Psalm predigen, den er vorher vom Hebräischen ins Deutsche übersetzt hat. Es geht darum, dass Gott den Menschen „richtet“. Die entscheidende Inspiration für seine Weihnachtspredigt erhielt er übrigens von den Konfirmanden. Richten, so meinten sie, habe auch etwas mit „Richtung“ zu tun. Christiansen: „Ich werde den Gottesdienstbesuchern also von der Kraft erzählen, die uns eine Richtung gibt. Und diese Kraft nennen wir Gott.“

Das private Fest mit der Bescherung für die Kinder wird zwischendurch gefeiert

Aber es wird heute nicht nur gepredigt. Krippen- und Weihnachtsspiele gehören seit Jahrhunderten zur Inszenierung des Christfestes. Schon Franz von Assisi ließ Anfang des 13.Jahrhunderts in einem Wald von Aleppo die Krippenszene von Bethlehem nachspielen. Mit lebendigen Tieren. Pastorin Sabine Fohl, 58, führt am Heiligen Abend in der Matthias-Claudius-Kirche (15Uhr) das Krippenspiel auf. 25 Kinder aus vier Kitas sind dabei. Das Stück trägt den Titel „Ein kleiner Esel geht nach Bethlehem“. Der Esel wird von einem Kind dargestellt, das ein Stofftier-Exemplar unter seinem Arm trägt.

Auch Pastorin Maren Schack, 36, Mutter von drei Kindern, muss Heiligabend arbeiten. Wer einmal diesen Beruf gewählt hat, weiß: Am höchsten Feiertag der Deutschen müssen alle Geistlichen an Bord sein. So wird Maren Schack gemeinsam mit Jugendlichen ein Weihnachtsspiel aufführen. „Weil mein Mann auch Pastor ist, findet das private Weihnachtsfest mit der Bescherung für die Kinder zwischendurch statt“, sagt sie lächelnd. Für sie kein Problem. Zu Weihnachten, weiß ihre Kollegin Ulrike Wenn, sollte man eben als Pastorin die eigenen Erwartungen nicht so hoch hängen. Deswegen gibt es bei Wenns am Abend „etwas Schnelles“ zu essen – wahrscheinlich Sushi.