Eltern in Haft. Behörden vertrauten ihnen das Kind trotz Gewalt-Hinweisen an. Ermittlungen gegen Jugendamtmitarbeiter

Hamburg. Nach dem gewaltsamen Tod der drei Jahre alten Yagmur Y. („Yaya“) aus Billstedt herrscht Trauer und Entsetzen in Hamburg.

„Der Tod des Kindes erschüttert die Stadt genauso wie mich“, sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) dem Abendblatt. Nun müsse man „unbedingt herausfinden, welche Gründe dazu geführt haben und ob eventuell Behörden versagt haben“. Scholz weiter: „Ein Kind ist zu Tode gekommen, und es muss geklärt werden, was genau passiert ist. Ohne falsche Rücksicht.“

Yayas leibliche Mutter hatte am Mittwochmorgen den Notarzt gerufen. Das Kind lag leblos in der elterlichen Wohnung im Ortsteil Mümmelmannsberg. Der Körper und das Gesicht der Dreijährigen war mit Blutergüssen übersät. Eine anschließende Eil-Sektion des Leichnams ergab, dass das Mädchen nach einem Leberriss an inneren Blutungen starb. Gestern Abend erließ ein Richter Haftbefehle: gegen den Vater wegen Totschlags, gegen die Mutter wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen. Nach Abendblatt-Informationen wurden inzwischen auch Ermittlungen gegen Jugendamt-Mitarbeiter eingeleitet.

Zu klären ist die komplizierte Frage, wer zu welchem Zeitpunkt welche verhängnisvollen Entscheidungen getroffen hat. Deshalb trafen sich am Donnerstag die drei SPD-Bezirksamtsleiter Andy Grote (Mitte), Torsten Sevecke (Eimsbüttel) und Arne Dornquast (Bergedorf). „Wir haben die Jugendhilfeinspektion eingeschaltet, um den Sachverhalt zu überprüfen und auch zu bewerten“, sagte Grote. Die Inspektion war nach dem Methadon-Tod des Pflegekindes Chantal von der Sozialbehörde eingerichtet worden. Bei der Zusammenkunft im Bezirksamt Mitte ging es vor allem um die Zuständigkeiten bei zwei entscheidenden Wendungen im Leben der kleinen Yaya.

Nachdem das Mädchen kurz nach der Geburt in die Obhut einer Pflegemutter gekommen war, wurde es Anfang 2013 das erste Mal seinen leiblichen Eltern zurückgegeben. Kurz darauf wurde es Ende Januar mit mehreren schwersten Schädel- und Bauchverletzungen, deren Ursache bis heute ungeklärt ist, im Krankenhaus behandelt. Angeblich hatte die Pflegemutter Yaya damals von den Eltern abgeholt und ins Altonaer Kinderkrankenhaus gebracht. Der Leiter der Hamburger Rechtsmedizin, Klaus Püschel, der damals das Kind ebenfalls untersuchte, erstattete daraufhin Anzeige. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, und Yaya kam in ein Kinderschutzhaus.

Die zweite Wendung: Im Sommer 2013 kam Yaya erneut zu seinen leiblichen Eltern zurück. Und dies trotz der Ereignisse im Januar und der Tatsache, dass die Mutter mehr als ein Jahr lang in einer Obdachlosenunterkunft gelebt hatte und der Vater mit Straftaten auffällig geworden war.

Fest steht, dass für diese Entscheidung das Bezirksamt Mitte zuständig war, da die Familie mittlerweile in Billstedt lebte. Unklar ist hingegen, welche Behörde Anfang 2013 zum ersten Mal entschied, das Mädchen in die Obhut seiner leiblichen Eltern zurückzugeben. Die Vermutung liegt nahe, dass es das Jugendamt des Bezirks Eimsbüttel war. Dieser Bezirk hatte von September 2011 bis November 2012 den Fall offiziell betreut und später auch entschieden, Yaya in einem Kinderschutzhaus unterzubringen. Bestätigt ist das aber nicht.