Bis 1949 wurden in Hamburg mehr als 1000 Hinrichtungen vollstreckt. Nun engagiert sich Hamburg für die Abschaffung der Todesstrafe weltweit – mit einer Lichtaktion des Künstlers Michael Batz.

HafenCity. Die Sonne war lange lange untergegangen, als das Hanseatische Oberlandesgericht am Sonnabend in ungewohnter Farbe erschien: Der Hamburger Lichtkünstler Michael Batz hatte die komplette Fassade in grünen Schein gehüllt. Batz, der sonst gern die Farbe Blau für den Hafen nutzt, hatte sich offenbar anders entschieden – um am ersten Adventswochenende ein ganz besonderes Zeichen zu setzen. Gemeinsam mit 154 anderen deutschen Städten engagiert sich Hamburg für die Abschaffung der Todesstrafe in der ganzen Welt. Sie wird noch in 58 Staaten praktiziert, darunter in Weißrussland, China und den USA. „Hamburg“, betont Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD), „tritt nachdrücklich für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ein. Deshalb engagieren wir uns mit 1600 Städten auf der ganzen Welt im Aktionsbündnis Städte für das Leben.“

Derweil saß der norddeutsche Heimatforscher Matthias Blazek im Intercity auf dem Weg zu einem Fachkongress. Der Historiker und Publizist aus dem niedersächsischen Adelheidsdorf gilt als Experte für das Thema Todesstrafe in Deutschland. So humanitär die Justiz mit den Tätern von Kapitalverbrechen im demokratischen Rechtsstaat umgeht – es war in der Geschichte nicht immer so. Keiner weiß es besser als Blazek, der sich seit vielen Jahren mit der Kriminalgerichtsbarkeit in Norddeutschland befasst und 2012 das Buch „Seeräuberei, Mord und Sühne – Eine 700-jährige Geschichte der Todesstrafe in Hamburg 1292–1949“ publiziert hat. „Bis zum Jahr 1949“, sagt er, „wurde auch in der Hansestadt die Todesstrafe vollzogen.“ Zuletzt seien zwei Raubmörder von der Militärregierung mit dem Fallbeil hingerichtet worden. Erst mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik, Art. 102, wurde die Todesstrafe abgeschafft.

Blazek schätzt, dass in der Hansestadt bis 1949 „weit über 1000 Hinrichtungen“ vollzogen wurden – mit Rad, Schwert, Feuer und Fallbeil. Allein zwischen 1444 und 1581 wurden 40 Frauen wegen Hexerei und Zauberei zum Tode verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. „Eine hamburgische Besonderheit war freilich die Praxis beim Umgang mit Seeräubern.“ Dazu gehörten die Vitalienbrüder Klaus Störtebeker und Gödeke Michels, die wie andere Seeräuber enthauptet wurden. Allein auf dem Grasbrook, wo heute das Cruise Terminal steht, verloren 428 Seeräuber ihr Leben, betont Blazek.

„Die Elbe glich einem Blutstrom“

Von 1400 bis in das 17. Jahrhundert befand sich auf diesem Gebiet die zentrale Richtstätte der Hansestadt, die ihrem Namen als „Bändigerin der Seeräuber“ alle Ehre machte. Seit der Erklärung von Kaiser Karl IV. vom 14. Oktober 1359 sah sich die Hafenstadt ermächtigt, die Elbe mit Androhung der Todesstrafe vor Piraten zu schützen. Mit blutigen Folgen, wie es in einer Novelle aus dem Jahr 1852 heißt: „Die Elbe glich einem Blutstrome, Blut klebte an allen Masten und Segeln, Blut an allen Waarenballen und Tonnen, und als ich zum Großen Grasbrook kam, war es mir, als triefe die ganze Insel von Blut, wie ein Rabenstein.“

Zur Abschreckung wurden die Köpfe auf Pfähle gesteckt. Ein Henker hatte im 19. Jahrhundert sein Handwerk so perfektioniert, dass er immer sechs verurteilte Räuber gleichzeitig niederknien ließ und ihnen die Häupter der Reihe nach abschlug, ohne das Schwert aus der Hand zu legen. Die Justizfälle, berichtet Heimatforscher Matthias Blazek, seien im Staatsarchiv gut belegt. „Generell kann die Quellenlage zum Einsatz der Todesstrafe in Hamburg als gut bewertet werden.“

Blazek, der auf Kongressen gefragter Referent für regionale Kriminal- und Justizgeschichte ist, geht bei seinen Publikationen oft in Gedanken den Weg der zum Tode Verurteilten nach. „Ich versuche, die letzten Gedanken der Delinquenten auf dem Gang zum Schafott zu entwerfen.“ Der Forscher, der als Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Samtgemeinderat sitzt, steht der Todesstrafe in der Gegenwart „immer aufs Neue mit anderen Gefühlen gegenüber“, wie er sagt. „Mal bin ich Befürworter, mal Ablehner. Manchmal meine ich, dass Verbrecher durch die Hinrichtung zu einfach davonkommen. Und manchmal sehe ich die hohen Unterbringungskosten als vorrangig an.“

Zum Glück, sagte Lichtkünstler Michael Batz nach der Aktion am vergangenen Sonnabend, ist die Todesstrafe in Deutschland abgeschafft. „Es gibt kein Recht auf Tod. Er gibt nur ein Recht auf Leben“, sagte er. Humanität zu fördern und zu stützen sei immer auch ein Anliegen der Kunst gewesen. „Lichtkunst ist eine Kunst für das Leben.“

Das Aktionsbündnis Städte für das Leben zur Abschaffung der Todesstrafe wurde 1998 von der christlichen Gemeinschaft Sant’Egidio in Italien gegründet. Der 30. November ist deshalb zum Aktionstag geworden, weil das Großherzogtum Toskana am 30. November 1786 die Todesstrafe und Folter abgeschafft hatte.

Nach Angaben der Senats unterstützt Hamburg die Initiative Städte für das Leben seit 2012.