63-Jähriger lockt das Mädchen in seine Wohnung und missbraucht es. Das Kind liegt schwer verletzt im Krankenhaus

Harburg. Der Missbrauch eines erst fünf Jahre alten Mädchens an der Lassallestraße erschüttert die Menschen im Phoenix-Viertel. Ein 63 Jahre alter Mann aus der Nachbarschaft hatte am Sonnabend das Kind von einem Spielplatz in seine Wohnung gelockt. Stunden später fanden Polizisten das Mädchen im Schlafzimmer. Es war gefesselt gewesen und schwer verletzt.

Offensichtlich hatte der Mann das Kind missbraucht. Mieter Bernd L. war bereits unmittelbar zuvor auf offener Straße festgenommen worden. In seiner Vernehmung durch Beamte der Fachdienststelle für Sexualdelikte machte der Mann widersprüchliche Angaben. Er wird dem Haftrichter vorgeführt.

Gegen 16Uhr war die kleine Melanie (Name geändert) mit einer Freundin spielen gegangen. Ganz in der Nähe der Wohnung, in der das Mädchen mit seinen Eltern und vier Geschwistern lebt, ist der große Spielplatz Bunatwiete. „Melanie ist dort oft gewesen“, sagt ihr Vater Uwe K. An diesem Abend kam seine Tochter nicht nach Hause. Uwe K. machte sich auf die Suche. „Ich war hier im Viertel, aber auch am Bahnhof, an der Außenmühle und im Harburger Zentrum suchen“, sagt der Mann. Seine Tochter blieb verschwunden. Gegen 21Uhr alarmierte er mit seiner Frau die Polizei.

Eine Spur führte in ein Haus an der Eddelbüttelstraße. Dort wohnt seit etwa vier Jahren Bernd L., ein ehemaliger Lastwagenfahrer aus Emden, der nach dem Verlust seiner Arbeitsstelle obdachlos wurde. In die Wohnung im ersten Stock zog er zunächst mit seiner Frau ein. Die verließ ihn. Seitdem lebte der Mann dort allein. Am Sonnabend war er auf dem Spielplatz gewesen.

Mit dabei war Mischlingshund Motzi. Der Rüde gehört nicht dem Mann, der sich laut eines Nachbarn als „Hinz&Kunzt“-Verkäufer Geld dazuverdient. Das Tier gehört einem Nachbarn, von dem sich Bernd L. den Hund öfters leiht. „Mit einem Hund dabei verkauft man besser Zeitungen“, weiß der Halter, der selbst als Verkäufer des Obdachlosenmagazins tätig ist.

Den Hund nutzte Bernd L. aber offenbar auch, um Kinder in seine Wohnung zu locken. Mehrfach waren kleine Mädchen bei dem Mann gesehen worden. „Er hat den Hund am Freitag geholt“, sagt der Halter. Dass der Hund nicht gleich zurückgebracht wurde, wunderte ihn nicht. Oft sei Motzi mehrere Tage bei dem 63-Jährigen gewesen. Durch den Hund kamen zunächst die Mutter der Fünfjährigen und Begleiterinnen auf die Wohnung. Zeugen hatten gesehen, wie sie sich am Spielplatz für den kleinen Hund interessierte. Bernd L. soll die Mutter an der Tür abgewimmelt haben. Die informierte die Polizei, die bereits mit etwa 40 Beamten in der Gegend unterwegs war, um nach der Fünfjährigen zu suchen. „Wir haben den Mann vor seiner Wohnung angetroffen und anschließend das Mädchen in der Wohnung aufgefunden“, sagt Hauptkommissar Holger Vehren. Bernd L. hatte die Polizisten bereitwillig, ohne den geringsten Versuch sie „abzuwimmeln“, in seine Wohnung gelassen. Dass er das Mädchen dort hatte, sagt er nicht.

Im Schlafzimmer entdeckten Polizisten das Mädchen. Es musste mit einem Rettungswagen unter Notarztbegleitung ins Krankenhaus gebracht werden. Die Fünfjährige ist dort stationär aufgenommen worden. Über die Schwere ihrer Verletzungen wurde zunächst nichts bekannt. Lebensgefahr soll für das Mädchen nicht bestehen.

Die Polizei sicherte über Stunden bis zum Sonntagmorgen Spuren in der Wohnung des 63-Jährigen. Dabei wurde auch Fesselungsmaterial gefunden. Was der Mann weiter mit dem Kind vorhatte, ist ungeklärt. Nach dem offensichtlichen Missbrauch war er zunächst aus der Wohnung gegangen und hatte die Fünfjährige dort allein zurückgelassen.

„Wir haben keine Hinweise darauf, dass der Mann eine Anschlusstat geplant hatte“, sagt ein Beamter. Das bedeutet: Es ist ungeklärt, ob es zu einem weiteren Missbrauch gekommen wäre, oder ob es Pläne gab, das Mädchen, das den Mann mit höchster Sicherheit hätte identifizieren können, zu beseitigen. Auch Hinweise darauf, dass der Mann ein Pädophiler ist, fanden sich in seiner Wohnung nicht. Bernd L. ist bisher nicht wegen Sexualdelikten aufgefallen. Aktenkundig ist lediglich ein Fall von „Nachstellung“. Opfer war seine Noch-Ehefrau.

Der 63-Jährige ist dem Trinkermilieu zuzurechnen. „Er hat gern einen genommen“, sagt sein Nachbar. Auch am Tattag war Bernd L. gesehen worden, wie er am Spielplatz zusammen mit mehreren Männern saß und Alkohol konsumierte. Was der Auslöser der Tat war, konnte die Polizei noch nicht ermitteln. Die Aussagen des 63-Jährigen seien „konfus“ gewesen. Den Missbrauch stritt er ab. Ermittler glauben allerdings, dass es eine Spontantat war.