Welche Lehren aus dem Debakel um die Internationale Gartenschau zu ziehen sind

War’s das mit der Internationalen Gartenschau? Keineswegs, denn vieles bleibt erhalten, was den Stadtteil aufwertet – ein großer und auch spektakulärer Park und diverse absolute neue und über den Stadtteil hinaus wirkende Sportangebote.

Deswegen ist es unfair, die Bilanz der Gartenschau auf die 171 Tage von Wilhelmsburg zu reduzieren: Das verkürzt Verantwortlichkeit.

Denn die Fehler, die zu der verheerenden ökonomischen Bilanz geführt haben, sind lange vor der Eröffnung der Gartenschau gemacht worden. Entsprechend waren sie während der vergangenen sechs Monate irreparabel. Was also bleibt, ist, Lehren für Hamburg zu ziehen. Dazu gehört auch, Versäumnisse zu benennen.

Obwohl Dekadenereignisse, wurden weder die igs noch die quasi parallele Internationale Bauausstellung (IBA) von vielen Verantwortlichen als gemeinsames Projekt verstanden.

Die Entscheider in der Stadt waren sich zwar einig, dass Wilhelmsburg einen massiven Nachholbedarf in Zuwendung und Aufwertung hat. Doch sie haben sich in Wirklichkeit nicht mit der erforderlichen Hingabe beiden Projekten gewidmet. So bleibt der Eindruck der geerbten Last, die – immerhin seit 2001 – von der einen politischen Farbe zur anderen weitergereicht wurde. Dies wohl auch, um nur ja nicht persönlich verantwortlich gemacht werden zu können für tatsächliche oder vermeintliche Fehler der Vorgänger.

Wenn aber Stadt und eine Region sich solcher Projekte annehmen, dann müssen sie dafür die besten, durchsetzungsfähigsten und auch kreativsten Potenziale – auch der Unternehmen und der Institutionen – auf einen Nenner bringen.

Etwa mit der Schaffung eines Organisationskomitees, dessen Angehörige aus eigener Kompetenz etwas bewegen wollen, bewegen können und es als Ehre empfinden, mitmachen zu dürfen. Die Stadt und ihre Metropolregion sind überaus reich an solchen Schätzen. Freilich müssten Legislative und Exekutive dies nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung verstehen. Für igs und IBA wurde auf eine solche Allianzbildung verzichtet. Das führte zum Beispiel dazu, dass die Frage, wie man mit einer Veranstaltung wie der igs das Herz der Stadt treffen kann, ungenügend beantwortet wurde. Falls sie überhaupt gestellt wurde.

Mit dem bekannten Resultat, dass die Mehrheit der Stadt mit dem arg verkopften Titel „In 80 Gärten um die Welt“ wenig anfangen konnte und eben nicht über die Elbe sprang.

Hinzu kommen das überschätzte Besucherpotenzial und die unterschätzte Konkurrenzlage gegenüber der Masse anderer Veranstaltungen. Gravierend auch die unzureichende Kommunikationsstrategie (wer wusste schon, dass die vielen überaus guten Kulturveranstaltungen auf dem Gelände gratis waren?) und ein vor der Aufgabe kapitulierendes Marketing (wo waren die Großsponsoren, wo die Busladungen von Besuchern aus Westdeutschland?). Da wirken psychologisch ungeschickte Eintrittspreise, das fehlende Familien- und HVV-Kombiticket sowie ein Catering mit Preisen weit oberhalb der von Autobahnraststätten eher wie Petitessen.

Wer allerdings – dennoch oder trotzdem – mit offenen Sinnen auf die igs ging (ich war so um die zwölfmal dort), hatte immer tolle Erlebnisse. So wie am Sonnabend, als ich pitschnass, aber sehr angetan, von der Abendveranstaltung auf der anderen Seite der Elbe zurückkehrte.

Allerdings tut sich bei näherer Betrachtung eine ganz andere Frage- und Problemstellung auf: Sind in Hamburg künftig Veranstaltungen wie die igs und IBA überhaupt noch durchsetzbar, wo doch Bürger- und Volksentscheide eine zuweilen überbordende Dynamik entwickeln?

Man muss Zweifel haben. Das freilich wäre die bitterste Lehre aus igs und IBA.

Der Autor, 62, war von 1980 bis 1991 beim Hamburger Abendblatt und ist heute Geschäftsführer BKM GbR