Neustadt. Die Tabakpfeife im rechten Mundwinkel kommt er quer über den Großneumarkt zum Treffen: Helge Adolphsen, 72, von 1987 bis 2005 Hauptpastor an Hamburgs Wahrzeichen-Kirche St. Michaelis, steht längst nicht mehr unter Volldampf, jagt nicht mehr von Termin zu Termin auf dem Weg zu den Menschen. „Es war ein Abschied ohne Wehmut. Ich habe mich nie innerlich vom Michel getrennt. Er ist und bleibt ein wunderbarer Teil meines Lebens“, erzählt er bei einer Tasse Kaffee. Seine Erfahrungen bringt er nach wie vor in der Stiftung St. Michaelis ein. Seine vielfältigen Verbindungen zu Hamburger Institutionen und Persönlichkeiten sind dabei hilfreich. Helge Adolphsen hilft als Schirmherr bei der Existenzsicherung der Hamburger Flussschiffer-Kirche und hält die Senioren-Aktivitäten des Vereins „New Generation“ in Schwung.

Nach einer Gedankenpause sagt er: „Ich habe jetzt Zeit. Zeit ist eine Gabe Gottes für die Menschen, mit ihr gut umzugehen. Es sollte jedem bewusst sein, dass Festtagszeiten wichtige Unterbrechungen des Alltags sind.“ Weil dieser Gedanke ihm so wichtig ist, plant er nun Vorlesungen zum Thema „Zeit“.

„Die habe ich jetzt, um an meinem Schreibtisch in aller Ruhe Predigten vorzubereiten. Jetzt bin ich Wanderprediger“, erzählt er lachend. Mit Talar im Gepäck flog er Ende September nach Ibiza, um dort ein Hamburger Paar zu trauen. Und von der Dom-Gemeinde zu Lübeck kam eine Predigt-Einladung.

Die Zeit, die ihm gegeben ist, verbringt er viel am Schreibtisch seines Hauses in Hausbruch. Dort schreibt er ein Buch über den Lyriker Matthias Claudius. Titel: „Der Mond ist aufgegangen“. 2015 ist Claudius’ 275. Geburtstag und 200. Todestag zugleich.

Helge Adolphsen bleibt auch als emeritierter Hauptpastor ein tätiger Mensch. Was nur wenige wissen: Er ist begeisterter Heimhandwerker mit eigener Kellerwerkstatt. „Ich restauriere dort Schränke, Stühle, Tische. Kürzlich baute ich für uns ein Schuhbord aus Bambus-Holz.“ Klar, dass er im Haus keinen Maler braucht. „Die Küche habe ich selbst weiß gestrichen“, fügt er hinzu und gesteht: „ich genieße den Wechsel von Wander-Predigten, Schreibtisch- und Gartenarbeit.“

Zum Wechsel seines strukturierten Tages als Pensionär gehören die Spaziergänge mit seiner Frau im Herbstwald der Harburger Berge. Beide genießen die Stille und das befreiende Gefühl, Zeit zu haben. „Ein Geschenk“, wie Helge Adolphsen sagt.