Der Ex-Insel-Betreiber, Jäger und Patron des Langenhorner Restaurants Zum Wattkorn gibt Tipps für Einkauf und Zubereitung eines festlichen Bratens.

So zart duftend, dass es wirklich nur ein Rehrücken sein kann, kommt der Festtagsbraten auf den Tisch: Der Stolz jeder Köchin und jedes Kochs. Silber, feinster Wein und beste Laune mitgeliefert! Dabei auch die Aromen des Waldes: Maronen, Preiselbeeren und Pilze. Kein anderer Braten bringt die Sehnsucht nach Märchen, Sagen und die Zeit der Romantik mit sich wie ein Wildbraten. Oder Wildbret, wie es früher hieß, als dieses den edlen Männern und Frauen des Adels vorbehalten war.

Traditionell geht es auch bei einem Koch zu, der sich wie kein anderer in Hamburg den Wildbraten aus Wald, Feld und Flur zu eigen gemacht hat: Michael Wollenberg, Jäger mit 80 Gewehren, der einst als Sternekoch bekannt wie ein bunter Hund war und heute Patron im Restaurant Zum Wattkorn in Langenhorn ist. Geerdet mit der Passion für Tradition, das Jagen und sein Restaurant. Einer, der diese Leidenschaft mit Wucht und Erfolg auslebt.

Einen Rehrücken bei 120 Grad 35 Minuten im Ofen lassen, dann herausnehmen und dem Fleisch (unter Wärme) bis zu 30 Minuten Zeit geben, sich zu entspannen. Damit der Fleischsaft sich wieder verteilen kann und nicht ausläuft. Das ist eines seiner Erfolgsrezepte. So einfach ist das?

Ja. Wer sich oder seinem Herd nicht traut, kann ein einfaches Bratenthermometer verwenden, dieses vor dem Braten ins Fleisch spießen und das Fleisch bei einer Kerntemperatur von 54 Grad aus dem Ofen nehmen. Und es dann warm stellen.

„Das ist das heute so beliebte Niedrigtemperaturgaren“, sagt er. Bei einer geringeren Herdtemperatur als 120 Grad könne der Rücken auch länger garen. „Doch in meinem Restaurant servieren wir à la Carte, da geht es nicht.“ Andere Köche und manche Kochbücher empfehlen Kerntemperaturen von 62 bis 72 Grad. Und Wollenberg redet sich warm: „Ich bin Vollverwerter. Wir verarbeiten alles von einem Reh oder anderem Jagdtier. Das sind wir der Kreatur schuldig. Und: In keinem anderen Fleisch steckt so viel Bio wie im Wild, zum Beispiel in einem Reh, das sich in der Natur seine Nahrung selber gesucht hat“, sagt er.

Und in keinem anderen Restaurant Hamburgs stecken so viele Trophäen ihre ausgestopften Köpfe oder Geweihe dem Gast entgegen wie im Wattkorn. Mit rot-weiß karierten Tischdecken und einem Koch, der auch mal zünftig in Jägerkluft vorbeischaut, ist das alles sehr rustikal, sehr deutsch und authentisch. Zum Wild zählt das in Deutschland (als Braten) beliebteste Reh. Das rötliche und feinfaserige Fleisch schmeckt am besten von Tieren, die im zweiten Lebensjahr sind. Im Handel werden knapp 50 Euro für ein Kilo frischen Rehrücken ohne Knochen verlangt. Das Rehfilet (das unter dem Rücken sitzt) kostet etwas weniger. „Schmaltiere heißen die weiblichen und Spießer die männlichen Vertreter des Rehwildes“, sagt Wollenberg. Und in der Jägersprache geht es weiter: Zum Rotwild (was kein Reh ist) mit dem sehr dunklen Fleisch gehören Hirsche und Hirschkühe, die für die Küche auch nicht älter als zwei bis drei Jahre sein sollen. Das Damwild hat ein hellrotes Fleisch und wird heute vielfach gezüchtet. Wildhasen haben ein tiefrotes Fleisch und werden von kochenden Jägern als Jungtiere bevorzugt. Dann kommen noch das Schwarzwild – gemeinhin als Wildschwein bekannt – und Wildkaninchen hinzu. Das alles ist „Haarwild“. Was fliegen kann, heißt „Federwild“: Fasanen, Rebhühner, Schnepfen, Wachteln, Wildgänse, Wildenten und mehr.

Mit diesem Jägerlatein kann man dann den Ratschlag Wollenbergs befolgen und frisches Wildfleisch suchen und erfragen. „Man sollte über die Wochenmärkte gehen oder in guten Fachgeschäften fragen.“ Wollenberg empfiehlt auch die Verkaufsaktionen, die die Hamburger Revierförstereien im November starten. Wollenberg: „Auch bei Schlachtern, in Bioläden und im Internet lohnt es sich, nach Wildfleisch zu fragen oder zu suchen.“

Ein traditionelles Hamburger Fachgeschäft ist der Wild- und Geflügelhandel Meltz an der Goernestraße 1 in Eppendorf. Inhaber Reiner Meltz sagt: „Bei uns läuft jetzt die Wildsaison mit Hirschgulasch an.“ Am gefragtesten in der gesamten Saison sei der Rehrücken. Der wird jetzt bei Meltz für 43,50 Euro im Stück gefroren angeboten.

Für den Jäger Wollenberg zählt, wenn es auf der Tafel richtig edel und raffiniert werden soll, nur Wild, das waidgerecht erlegt und später auch fachgerecht behandelt wurde. „Also keine Tiefkühlhasen, die aus südamerikanischer Zucht stammen“, sagt er. Wer Wildfleisch kauft, solle sich immer nach der Herkunft erkundigen und regionales bevorzugen. „Wildfleisch aus fernen Ländern kann nicht so frisch sein wie heimisches.“ Und was mag der Jäger Wollenberg selber am liebsten?

„Einen Maibock, also ein junges männliches Rehwild oder einen Frischling, ein junges Wildschwein“, sagt Wollenberg. Doch sofort beginnt er wieder mit Leidenschaft zu berichten: „Ich esse auch gern eine Rehzunge, die wir pökeln lassen und Innereien vom Wild.“ Das sei aber im Restaurant nicht anzubieten, weil die Menge zu gering sei.

Das Dasein als Jäger hat aus Wollenberg einen anderen Menschen gemacht. Im Jahr 2003 „kehrte er Glamour und Society den Rücken“, als er sein Restaurant Wollenberg und den Nachtclub Insel am Alsterufer aufgab, schreibt er in seinem Kochbuch „Richtig Wild“.

Die wilden Zeiten waren endgültig vorbei, als der Verleger und Jäger Alexander Jahr ihn zur Jagd mitnahm. „Das war ein Glück, was mich auch gerettet hat. Er brachte mir bei, mein Leben neu zu strukturieren.“

Wollenberg, der als Jungkoch mit seinem Talent schon Preise gewann und später bei Spitzenköchen wie Heinz Winkler Chefpositionen innehatte, gründete mit Alexander Jahr einen Wildhandel, übernahm dann das Restaurant Zum Wattkorn in Langenhorn. Hier kocht er norddeutsch. Wenn er nicht auf der Jagd ist.